Klötzchen statt Klotz

Die Stadt will vor dem Dom eine neue »Historische Mitte« bauen.

Doch städtebaulich kann das Großprojekt nicht überzeugen

Eine häufige Metapher des früheren Kölner Baudezernenten Franz-Josef Höing war, dass man ein Bauprojekt »aufs Gleis setzen« wolle. Was einmal aufgegleist ist, das weiß man inzwischen, kommt meist nicht mehr zum Stehen. Das gilt auch für den Museumskomplex Historische Mitte. Der Bau neben dem Römisch-Germanischen Museum (RGM) soll dessen Studienhaus, das neue Kurienhaus des Erzbistums sowie einen Neubau des Kölnischen Stadt-museums, derzeit an der Zeughausstraße, aufnehmen.

 


Die Entscheidung über die weiteren Planungen fällt der Rat der Stadt am 3. Mai. Da die Historische Mitte auf einen Vorschlag des früheren OB Jürgen Roters (SPD) zurückgeht, ist die Zustimmung der Sozialdemokraten reine Formsache. Auch die CDU hat angekündigt, für die Weiterplanung zu stimmen. »Mit der Sanierung des Domhotels, der Neuordnung des WDR-Karrees und dem Neubau der Historischen Mitte kann uns städtebaulich ein ganz großer Wurf gelingen. Die überarbeiteten Entwürfe des Architekturbüros Staab überzeugen in dieser Hinsicht«, so Niklas Kienitz (CDU), Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses. 

 

Das Architekturbüro Volker Staab aus Berlin hatte 2016 den Wettbewerb zur Historischen Mitte gewonnen. An dem Entwurf entzündete sich allerdings Kritik, vor allem aus der Bürgerschaft: Die Rede war von »Klotz« oder »Kiste«, die viel zu massiv seien. Staab ist darauf einge-gangen und hat die Kubatur des Museums an der Ostflanke sowie die Raumorganisation gestrafft. Klötzchen statt Klotz. Außerdem bekommt die Fassade ein neues Gesicht. Die Geschosse werden durch unterschiedlich breite, -konkav geschwungene Wandelemente betont, die zudem lichtdurchlässig sein sollen. Das Kurienhaus erhält ein Staffelgeschoss, auch hier wurden die Pläne für die Fassade leicht geändert. 

 

Domprobst Gerd Bachner lobt Staabs Überarbeitung, die dem Dom städtebaulich und dem musealen Anspruch gerecht werde. Die Historische Mitte ist ein Projekt, das Stadt und Hohe Domkirche gemeinsam stemmen wollen. »Ich gehe fest davon aus, dass der Rat mehrheitlich dem Verwaltungsvorschlag zustimmt«, so Bachner. Die Ratsmehrheit von CDU und SPD dürfte ihn da nicht im Stich lassen. Stadt und Domkirche wollen die gemeinsame Bauherrenträgerschaft in die Form einer Gesellschaft bürger-lichen Recht (GbR) gießen, in der nicht nur alle Entscheidungen gleichberechtigt getroffen werden. Sie entlastet zudem die Stadt bei Vergaberichtlinien. Die GbR soll, so der Domprobst, einen Planungsstab aufbauen, der auch die Verantwortung für die Projektsteuerung übernimmt. »Die Gebäudewirtschaft hat mit dem Projekt nichts zu tun«, sagt Gerd Bachner. Angesichts ihrer zahlreichen Bauauf-gaben von den städtischen Bühnen bis zum Wohnungs- und Schulbau sowie der personellen Auszehrung ist das nachvollziehbar.

 

Die Domkirche weiß inzwischen OB Henriette Reker auf ihrer Seite. Als im März die überarbeiteten Pläne vor-gestellt wurden, sprach Reker von einer »höchst attrak-tiven Lösung«. Vor einem Jahr klang das noch anders. Damals formulierte Reker als Maxime für Kölner Bau-vorhaben, dass man zuerst etwas fertigmache, bevor man Neues anfange. Aber niemand hindert Reker daran, wie ihr Amtsvorgänger Konrad Adenauer einmal sagte, alle Tage klüger zu werden.

 

Mit dem Ratsbeschluss am 3. Mai werden zunächst 5,4 Mio. Euro für die nächste Planungsstufe bewilligt, der Baubeschluss soll dann 2020 fallen. Dass die Historische Mitte aber bereits aufs Gleis gesetzt ist, lässt sich an der Beschlussvorlage der Verwaltung ablesen. Als Alternative zum Neubau schlägt das Dezernat für Stadtentwicklung, Planen und Bauen die Sanierung und Erweiterung des Studienhauses des RGM sowie des Kölnischen Stadt-museums jeweils am jetzigen Ort vor. Nicht nur soll die Sanierung ein Jahr länger dauern als der Neubau, nämlich bis 2028. Auch eine »methodische Nutzwertanalyse« belegt, dass das neue Museum »100 Prozent der gewünschten Qualitäten« erbringe, die Sanierung dagegen nur 66 Prozent. Auch bei den Kosten liegt der Neubau vorn: Während die Sanierung 125,4 Mio. Euro verschlingt, kostet die Historische Mitte zwar 143,8 Mio. Euro. Doch da die Domkirche 27,5 Mio. übernimmt, entfallen auf die Stadt nur 116,3 Mio. Euro. Allerdings werden Termin- und Kostenrisiken genannt: Die Gefahren durch Baupreisschwankungen und Nachtragsforderungen gelten als hoch. Und die Verlegung von Gas-, Fernwärme- und anderer Versorgungsleitungen gilt als stark risikobehaftet.

 

Wenn derzeit Politiker in Köln die Skepsis überkommt, dann bei Kostenkalkulationen von Bauprojekten. »Ich halte die Zahlen für unzuverlässig«, moniert Michael Weisen-stein von der Linken im Rat. Er vermisst in der Kalkulation die Sanierungskosten des Zeughauses, die ja auch bei einem Neubau des Stadtmuseums an der Historischen Mitte anfallen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Stadt einen Nachnutzer findet, der diese Kosten übernimmt, dürfte angesichts der Größenordnung gering sein. Weisenstein findet außerdem, dass sich die Stadt zu viele Prestige-bauten aufhalse, anstatt das »Brot-und-Butter-Geschäft« zu erledigen: Wohnungen, Schulen, Kitas – und nicht die Historische Mitte oder eine Ost-West-U-Bahn mit Rheinquerung, so Weisenstein. »Die Bevölkerung hat kein Verständnis für neue Großprojekte.« 

 

Die Grünen sind von der Historischen Mitte dagegen weitgehend überzeugt. Zwar meldet Fraktionschefin Kirsten Jahn noch Beratungsbedarf bei einer GbR von Stadt und Kirche sowie bei den Kosten an; so erwartet sie, dass »aufgrund der regen Bautätigkeit die Kosten eher nach oben gehen«. Jedoch ist Jahn städtebaulich von dem Entwurf rundum überzeugt: »Die neue Bebauung würde sich sehr gut einfügen und zu einer weiteren wichtigen Aufwertung des Domumfeldes führen«, sagt sie. »Köln würde die unwürdige Situation an der Straße Am Hof auflösen und eine neue tolle Adresse zum Dom hin sowie zum Kurt-Hackenberg-Platz schaffen.« 

 

Doch städtebaulich sind Zweifel angebracht. Die beiden Blöcke der Historischen Mitte mögen durch die Überarbeitung aufgelockerter wirken. Ob der gerade erst umgestaltete Kurt-Hackenberg-Platz und die Straße Am Hof diese Massivität vertragen, bleibt die Frage. Noch problematischer ist Volker Staabs Überarbeitung des neuen -kleinen Platzes zwischen Kurienhaus, RGM und Stadt-museum, den die Wettbewerbsjury 2016 überschwänglich lobte. In der neuen Version wird dieser Platz weitgehend zerstört: Der bisher maßvolle Ausschnitt im Boden, der einen Blick auf die tiefer liegende alte römische Hafenstraße erlaubt, vergrößert sich erheblich. Keines der drei Gebäude verfügt noch über einen repräsentativen Eingang, und von Aufenthaltsqualität kann man kaum -sprechen. Der miss-ratene Roncalliplatz erhält damit ein nicht minder miss-ratenes Pendant vor der Historischen Mitte. Schließlich wird die in einer Anlage der Ratsvorlage gelobte »Clusterbildung« der Museen in der Altstadt von der Politik unkritisch hingenommen. Doch Wiens Museums-quartier und Frankfurts Museumsufer lassen sich nicht mit der Kölner Altstadt vergleichen. Analysen zu Besucher-strömen, Aufenthaltsqualität oder Verweildauer fehlen. Aber was aufs Gleis gesetzt ist, lässt sich eben schwer aufhalten. Die Historische Mitte wird kommen, so sicher wie das Amen in der Hohen Domkirche.