Das ist Bahnsinn!
Hurra, wir bauen eine U-Bahn!
Leute, nehmt die Beine in die Hand
Hurra, wir bauen eine U-Bahn!
Räumt die Häuser leer und zieht aufs Land!
Unten machen wir krawumm
oben fall’n die Häuser um
So lautet uns’re Planungsstratgie
Paveier, »Hurra, wir bauen eine U-Bahn« (2011)
Sorgsam frisiert und gekleidet steht Hans Rau zwischen den Vitrinen im Auktionshaus David an der Cäcilienstraße. Biedermeier-Schmuck und zartes Meißner Porzellan stehen zur Ansicht. Die Glasschränke vibrieren, nebenan wird Beton verfüllt. Seit dreieinhalb Jahren trotzt Rau dem Inferno der Großbaustelle, doch bald ist es geschafft. Die Fassade des neuen Hotels steht bereits. »Wir sind leidgeprüft«, sagt Rau. Doch was in Zukunft vor seiner Ladentür geschehen könnte, beunruhigt selbst ihn. Wenn es nach dem Willen der Stadtverwaltung geht, wird dort eine U-Bahn gebaut. Gerade haben die Veranstaltungen zur Bürgerbeteiligung begonnen. Das wäre eine Baustelle mit ganz anderen Dimensionen.
Die Schienen auf der Ost-West-Achse sind verstopft. Mit 1, 7 und 9 teilen sich drei Linien die Strecke zwischen Deutzer Brücke und Neumarkt, zu Spitzenzeiten ergibt das 60 Züge pro Stunde — fast ein Drittel des gesamten Kölner Stadtbahnverkehrs. Bereits jetzt fahren die Stadtbahnen im Minutentakt am Auktionshaus vorbei. Mehr geht nicht. Dennoch sind die Bahnen zu Stoßzeiten völlig überfüllt.
Köln wächst weiter
Und es wird noch schlimmer, denn Köln wächst. Das Landesamt für Statistik sagt für 2040 den Höhepunkt mit 1,2 Mio. Einwohnern voraus. Außerdem hat das rasant wachsende Köln ambitionierte Ziele: Nach dem Strategiepapier »Mobil 2025« sollen sich künftig zwei Drittel der Menschen in Köln im »Umweltverbund« bewegen, also ohne Auto. Derzeit liegt Köln bei knapp 60 Prozent. Den größten Anteil soll der Öffentliche Personen-Nahverkehr (ÖPNV) ausmachen, er soll von 22 auf 28 Prozent gesteigert werden. Auch um das zu schaffen, sei der Ausbau der Ost-West-Achse unumgänglich, und zwar als möglichst langer U-Bahn-Tunnel. So sehen es Stadtverwaltung und KVB.
Bei diesen Plänen wird Hans Rau unwohl. Er muss daran denken, was er kurz nach Eröffnung des Auktionshauses vor neun Jahren sah. Es war der 3. März 2009, als die Rettungswagen mit heulenden Sirenen an seiner Tür vorbeirasten. Sie fuhren zum Waidmarkt, wo bei den U-Bahn-Bauarbeiten auf der Nord-Süd-Strecke das Stadtarchiv eingestürzt war. Zwei junge Männer kamen ums Leben, das Archivmaterial versank im Boden. Fünf Menschen, die am U-Bahnbau beteiligt waren, stehen zurzeit vor Gericht. So lange die Schuld nicht geklärt ist, ruhen die Bauarbeiten. Ursprünglich wollte man 2010 fertig sein, doch vor 2026 wird die Nord-Süd-Bahn nicht fahren.
Aber da droht bereits das nächste Desaster. Denn die im April begonnene Bürgerbeteiligung zur Ost-West-Achse erweckt den Eindruck, die Verwaltung wolle sich den U-Bahnbau bloß absegnen lassen. Auf den Infoveran-staltungen und Stadtspaziergängen hört man ständig, nur ein Tunnel durch die Innenstadt könne das Verkehrschaos auflösen. Nach dem jahrelang nichts passiert ist, drückt die Stadt nun aufs Tempo. Schon im Herbst soll der Rat entscheiden.
Lange Vorgeschichte
Bereits zu Beginn der 90er Jahre erwog die Stadt einen U-Bahn-Bau auf der Ost-West-Achse, stellte die Pläne aber zugunsten der Nord-Süd-Bahn zurück. In den Nullerjahren zeichnete sich jedoch immer deutlicher ab, dass die Achse an ihre Grenzen stößt. Die Lösung soll der Einsatz sogenannter Langzüge von 90 Metern auf der Linie 1 sein. Darin können 50 Prozent mehr Menschen fahren als mit den üblichen 60-Meter-Bahnen. Doch dafür müssten die fast 40 Haltestellen auf der Linie vergrößert werden — -zwischen Heumarkt und Moltkestraße wäre das sehr -aufwändig, zumindest oberirdisch. Erstmals nach dem Archiveinsturz denkt man in der Politik wieder über eine U-Bahn nach.
Auch im Städtebaulichen Masterplan des Architekturbüros von Albert Speer aus dem Jahr 2008 wird eine unterirdische Lösung für die Ost-West-Achse vorgeschlagen — als langfristiges Ziel, dann allerdings sogar mit Tunnel unter dem Rhein. »Ein Regiebuch für die Stadt« wurde der Masterplan anfangs euphorisch genannt. Er weist auf eine städtebauliche Misere an Heumarkt, Neumarkt und Rudolfplatz hin, die vor allem dem Autoverkehr geschuldet ist. Bei der Neugestaltung der Ost-West-Achse gehe es deshalb nicht nur darum, den Verkehr effizienter zu machen, sondern auch die Innenstadt menschenfreundlicher. Die Stadt nennt die Neugestaltung der Ost-West-Achse deshalb nicht nur ein Verkehrsprojekt — sondern auch ein Stadtentwicklungsprojekt.
Jetzt aber, zehn Jahre nach dem Masterplan, wird vor allem über Verkehr gesprochen. Das liegt auch daran, dass es seit Jahresbeginn 2017 ein neues Dezernat gibt, nämlich für »Mobilität und Verkehrsinfrastruktur«. An die Spitze wählte der Rat Andrea Blome, die zuvor als Verkehrsmanagerin der Stadt Düsseldorf den dortigen Bau der Wehrhahn-Linie mitverantwortet hatte. Der 3,4 Kilometer lange U-Bahn-Tunnel blieb im Zeitplan, der Bau verlief ohne Störungen. Allerdings wurde Anfang dieses Jahres bekannt, dass die Endabrechnung für den 2016 fertiggestellten Tunnel wohl um einen zweistelligen Millionen-Betrag höher ausfallen wird als geplant. Blome verweist bei öffentlichen Auftritten dennoch gebetsmühlenartig auf ihre Expertise im U-Bahn-Bau. Ihre Kritiker im Rathaus sehen das als Beleg dafür, dass sie vor allem nach Köln geholt worden sei, um die Stadt mit einer neuen U-Bahn zu unterkellern.
Fünf Varianten
Kurz nach ihrem Amtsantritt stellte Blome die Ergebnisse einer 2011 in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie zum Ausbau der Ost-West-Achse vor. Die Verwaltung schlug daraufhin fünf Varianten vor: eine oberirdische und vier unterirdische. Alle gehen am Heumarkt in den Boden. Der kürzeste Tunnel würde bereits vor dem Neumarkt wieder an die Oberfläche kommen, ein längerer bis kurz vor den Rudolfplatz führen. Die langen Varianten gingen bis hinter die Innere Kanalstraße an Melaten (siehe Grafik S. 28). Die Kosten für den längsten Tunnel schätzt die Stadt auf 1,05 Mrd. Euro, während ein oberirdischer Ausbau der Ost-West-Achse mit 250 Mio. Euro veranschlagt wird.
Fördermittel von rund 90 Prozent der Kosten gäbe es nur für die oberirdische Lösung und die Tunnel, die schon vor Neumarkt oder Rudolfplatz enden. Ausschlaggebend ist der sogenannte Nutzen-Kosten--Faktor. Nur Infrastrukturprojekte, die mehr volkswirtschaftlichen Nutzen bringen als sie kosten, werden bezuschusst.
Nachdem die KVB-Broschüre mit den fünf Varianten gedruckt und zur Bürgerbeteiligung geladen worden war, machte die SPD mit einem weiteren Vorschlag Furore. Die SPD denkt groß: Die Linien 1 und 9, die aus Kalk kommen, sollen unterirdisch bleiben und unter dem Rhein hindurch bis zum Melatenfriedhof fahren. Die Linie 7 aus Porz bliebe oberirdisch und könnte in höherem Takt fahren. Sie querte die Deutzer Brücke und würde hinter dem Neumarkt auf die Strecke der jetzigen Linie 9 einschwenken — durchs Mauritiusviertel über den Zülpicher Platz nach Sülz. Bevor der Rheintunnel fertiggestellt wäre, sollen die Linien zudem oberirdisch so bald wie möglich für den Betrieb von Langzügen ausgebaut werden.
Diese Zwei-Ebenen-Lösung sei nötig, weil anderenfalls die Ost-West-U-Bahn ihre Kapazitätsgrenze schon längst wieder erreicht habe, wenn sie fertig sei, sagt Andreas -Pöttgen, verkehrspolitischer Sprecher der SPD. Denn die Stadt hatte als möglichen Baubeginn für eine oberirdische Lösung das Jahr 2027 genannt, für eine U-Bahn gar das Jahr 2031. Unter der Erde würde eine Bahn nicht vor Ende der 2030er Jahre fahren — frühestens. »Die Probleme -müssen aber jetzt gelöst werden«, sagt Pöttgen. Er gibt zu, dass der Vorschlag nach den derzeitigen Standards nicht förderfähig sei. »Aber er ist sinnvoll. Deshalb müssen jetzt die Gespräche mit den Fördergebern intensiviert werden. Hier sehe ich auch die Oberbürgermeisterin gefordert.« Unterdessen will die Kölner SPD ihre Kontakte in die schwarz-rote Bundesregierung spielen lassen.
Gute Zeiten für Großprojekte
Die hat im Koalitionsvertrag Mittel für den Ausbau des ÖPNV massiv erhöht. Über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz wird in den kommenden Jahre jeweils eine Milliarde Euro ausgeschüttet, dreimal so viel wie bisher. Zudem soll der Mobilitätsfonds, der den Kommunen auf den »Dieselgipfeln« im vergangenen Jahr eigentlich als einmalige Soforthilfe angekündigt worden war, verstetigt werden. Auch das wäre noch einmal eine Milliarde Euro pro Jahr.
Bei solchen Signalen vom Bund macht es wenig, dass der neue ÖPNV-Bedarfsplan, eine Art Wunschzettel der Kommunen für ihre Nahverkehrsprojekte und der größte Fördertopf in NRW, nicht vor 2020 fertig wird. Auch hier kann Köln mit Geld für die Ost-West-Achse rechnen.
Dass Bund und Land sich so großzügig geben, hat mehrere Gründe: Die Großstädte wachsen zu schnell, der Verkehr kollabiert. Außerdem hat sich der Bund wegen der überschrittenen Grenzwerte bei der Luftverschmutzung, vor allem durch das Dieselabgas Stickoxid, eine millionenschwere Klage vor dem Europäischen Gerichtshof eingehandelt.
»Die Zeiten für Großprojekte im Nahverkehr sind so günstig wie nie zuvor«, sagt Monika Roß-Belkner, Verkehrspolitikerin der CDU-Ratsfraktion. Ein Satz, der bei Kölner Verkehrspolitikern und in der Stadtverwaltung dieser Tage immer wieder fällt. »Wir sollten jetzt Gas geben, um wichtige Fördergelder nach Köln zu holen«, so Roß-Belkner.
»Es tun sich gerade Tore auf, was die Fördermittel betrifft«, sagt Ralph Sterck, Fraktionschef der FDP. In der Ratssitzung am 3. Mai will er mit einem Antrag sowohl den Rheintunnel-Vorschlag der SPD als auch weitere größere U-Bahn-Tunnel prüfen lassen. Sterck denkt etwa an einen zusätzlichen unterirdischen Abzweig am Aachener Weiher, der unter der Dürener Straße in Lindenthal weiterführt und erst vor dem Gürtel wieder auftaucht. »Dann wäre man von dort blitzschnell am Neumarkt«, sagt Sterck.
Der SPD ist mit dem Vorschlag, zunächst die Linien oberirdisch auszubauen und anschließend den Mega-Tunnel von Deutz unter dem Rhein und der Innenstadt hindurch bis Melaten zu graben, ein Coup gelungen. Verkehrsdezernentin und KVB fühlen sich aber überrumpelt: Hier will jemand noch mehr U-Bahn als sie! Und die fünf Varianten, über die gerade fleißig in der Bürgerbeteiligung diskutiert wird, sind schon jetzt Makulatur. Wer redet noch davon, nur bis Rudolfplatz zu graben? Wer für einen U-Bahn-Tunnel ist, kann hinter den SPD-Vorschlag nicht zurück, ohne den Rheintunnel zumindest prüfen zu lassen. Und wer einen oberirdischen Ausbau will, für den eröffnet der Vorschlag die Chance, auf Zeit zu spielen: in der Hoffnung, dass es bei der oberirdischen Verbesserung bleiben könnte, weil die Stimmung sich noch gegen einen U-Bahn-Tunnel wendet.
Die Idee von einem Rheintunnel für den ÖPNV geistert seit Jahrzehnten durch Köln. Zuletzt hatte die Bezirksvertretung Porz Mitte 2017 auf Antrag der SPD einen Rheintunnel unter der Deutzer Brücke gefordert. Die CDU in den rechtsrheinischen Bezirken will sogar alle Rheinbrücken untertunneln, beginnend mit der Deutzer Brücke. Auch die Linien 3 und 4 sollen den Rhein an der Severinsbrücke unterqueren und als U-Bahn bis zur Steigerwaldsiedlung fahren. Mehr U-Bahn ginge kaum.
Zerbricht Schwarz-Grün an der U-Bahn?
Derweil wird der SPD-Vorschlag für das Bündnis von CDU und Grünen im Rat zur Zerreißprobe, zumal man verkehrspolitisch ohnehin nicht viel gemein hat. Die CDU will unter die Erde gehen. Wenn die Fördergelder reichten, solle die U-Bahn erst hinter dem Rudolfplatz auftauchen. »Dann muss man überlegen, ob die Stadt noch Gelder beisteuert, wenn man den Tunnel sinnvoll verlängern kann«, sagt Monika Roß-Belkner (CDU).
Mit den Grünen ist das nicht zu machen. »Ein langer U-Bahn-Tunnel hat bei uns keine Fürsprecher«, sagt Lino Hammer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. Der Großteil der Fraktion sei für eine oberirdische Lösung, selbst der kurze Tunnel, der noch vor dem Neumarkt wieder endet, habe wenige Befürworter. Einen Beschluss der Fraktion zur Ost-West-Achse gibt es zwar noch nicht. Doch zu Weiberfastnacht kamen Grüne kostümiert als oberirdische Ost-West-Straßenbahn zum Feiern ins Rathaus. Ein Tunnel löse die drängenden Verkehrsprobleme nicht. Der Bau dauere zu lange; außerdem werde dem Auto an der Oberfläche dann weiterhin der Vorrang gegeben. »Wir haben ein Problem zwischen Stadtbahn und Autos — und die Konsequenz soll sein, dass wir die Stadtbahn unter die Erde legen? Das leuchtet mir nicht ein«, sagt Hammer. »Ich sehe kein Problem darin, den Autoverkehr auf der Achse auf eine Spur in jede Richtung zu reduzieren.« Dann brauche man auch keinen U-Bahn-Tunnel, um den Verkehr auf der Achse zu stärken. In Richtung SPD teilen die Grünen aus: Sie drücke sich »vor einer Positionierung, indem sie sich mit wolkigen Visionen versucht, die aber faktisch unrealistisch sind«, sagt Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank.
Einen Beitrag zur Verkehrswende kann Christoph Schmidt vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) in den derzeitigen Plänen der Stadt nicht erkennen. Er gibt zu bedenken, dass knapp 50 Prozent mehr Menschen aufs Fahrrad umsteigen müssten, um die Ziele im Kölner Verkehr zu erreichen. Ein Konzept für den Radverkehr gebe es beim Ausbau der Ost-West-Achse aber nicht.
Michael Weisenstein von der Linken befürchtet, dass das Mega-Projekt so viele Ressourcen binde, dass andere wichtige ÖPNV-Projekte, die weniger den technischen Ehrgeiz der Dezernentin wecken, hintangestellt würden. Weisenstein denkt an die Verlängerung der Linie 7 zu den geplanten Wohngebieten in Zündorf-Süd, eine Stadtbahnverbindung von Mülheim über Kalk nach Porz, aber auch die Verlängerung der Gürtel-Linie 13 in den Süden. Gerade hat Andrea Blome im Verkehrsausschuss ihre »Roadmap« vorgelegt, diskutiert wurde das Papier nicht. Weisensteins Forderungen rangieren dort weit hinten, die Anbindung von Widdersdorf oder Neubrück ist bis auf Weiteres ausgesetzt. Priorität hat die Ost-West-Achse.
Die beiden triftigsten Gründe, die Ost-West-Achse oberirdisch zu belassen und dort zu verbessern, sind für Weisenstein Kosten und Bauzeit. »Es ist die einzige schnelle Lösung der aktuellen Probleme«, sagt Weisenstein. »Wenn wir jetzt eine U-Bahn bauen, geben wir rund eine Milliarde mehr aus, als wenn wir oben blieben — und müssen zehn Jahre länger warten.«
Mehr Platz für Fußgänger — oder für Autos?
Eigentlich sind U-Bahnen dazu da, weit auseinanderliegende Haltestellen miteinander zu verbinden. Von dort wird dann jeweils der Verkehr »feinverteilt«, wie Planer sagen, nämlich auf Straßenbahnen oder Busse. Auf dem zentralen Teil der Ost-West-Achse hätte die U-Bahn bloß den Zweck, oberirdisch Platz zu schaffen — für Fußgänger und Radfahrer oder aber auch für noch mehr Autos, wie Kritiker manchem Politiker unterstellen.
Die FDP-Fraktion steht im Ruf, die Interessen der Autofahrer am engagiertesten zu vertreten. Wenn FDP-Ratspolitikern das Auto verleidet werden soll, fühlen sie sich gegängelt. Aber Fraktionschef Sterck sagt: »Solche Befürchtungen sind Quatsch! An der Ost-West-Achse soll oben nicht mehr Autoverkehr hin, sondern Platz für -Fußgänger, breite Fahrradwege, und wir pflanzen neue -Baumreihen.«
Trotzdem: Oben wird der Verkehr tosen, ob nun -motorisiert oder auf dem Fahrrad. Doch die Planer setzen in ihren Skizzen lässige Skater und gut gelaunte Kinder
auf monströse Tunnelmünder und Betonflächen am -Heumarkt. Autos werden als blasse Schemen gezeigt, als bewegten sie sich lautlos über die Fahrbahn. Doch auch, wenn es so käme wie auf den computergenerierten -Idyllen: Eine U-Bahn hat immer auch grundsätzliche Nachteile. Der Weg in den Untergrund und wieder hinauf nimmt mehr Zeit in Anspruch, als oberirdisch in eine Straßen-bahn ein- und auszusteigen. Und schon jetzt hat die KVB ein massives Problem: Rolltreppen sind immer wieder kaputt, die Fahrstühle auch, sie sind zu klein, -liegen ungünstig und sind dreckig. Dass man unter der Erde nichts vom städtischen Leben mitbekommt, ist da noch das geringste Manko. Trotzdem sitzen 80 Prozent der KVB-Kunden in der Stadtbahn, Busse nutzt nur etwa jeder Fünfte. Wer kennt in Köln schon das Busnetz? SPD und Linke waren zuletzt mit Vorschlägen für Busspuren vorgeprescht, um das Verkehrschaos schneller zu bewäl-tigen als mit langwierigen U-Bahn-Projekten. Die Linke etwa schlägt eine Busspur über die Zoobrücke vor.
Wäre das auch eine schnelle Lösung für die überlastete -Ost-West-Achse?
Die Stadtbahn, ein Kölner Flickwerk
Einen systematischen U-Bahn-Bau gab es in Köln nie. Nach dem Krieg war das ehemals dichte Straßenbahnnetz großenteils zerstört, vor allem fehlte eine Nord-Süd-Verbindung durch die Innenstadt. Hinzu kam, dass Köln Anfang der 60er Jahre durch das Leitbild der »Auto-gerechten Stadt« ein Verkehrschaos schuf. Man entschied sich dann, einen Innenstadttunnel zu bauen, der die Straßen-bahnstrecken ergänzen sollte. Die vorhandenen Straßenbahnwagen konnte man so weiterhin nutzen. -Dieses »Unterpflasterstraßenbahn« genannte Prinzip — heute als »Kölner Mischsystem« bekannt — setzte man nach Bedarf fort: Auf stark verstopften Straßen kam die Bahn einfach unter die Erde. Deshalb fährt die Stadtbahn heute mal unterirdisch, dann wieder oberirdisch und auf fünf Kilometern sogar auf einer Hochbahntrasse.
Ein Ziel für den Ausbau des Gesamtnetzes wie etwa in Berlin oder München gibt es in Köln nicht. Der Tunnelmund vor dem Barbarossaplatz ist ein Provisorium — seit dem Jahr 1970. Wird diese Tradition mit der Ost-West-Achse nun fortgesetzt?
Archiveinsturz ist nicht aufgearbeitet
Bürgermeister im Bezirk Innenstadt ist seit vielen Jahren der Grünen-Politiker Andreas Hupke. Wenn er über die Ost-West-Achse spricht, tue er das aber nicht als Vertreter seiner Partei, sondern als Bewohner, der hier seit 44 Jahren lebt. »Ich liebe die Innenstadt, sie ist meine Herzkammer«, sagt er. Diese Herzkammer soll nun zur Großbaustelle werden. Hupke vermisst eine Verkehrsplanung, die den Autoverkehr langfristig aus der Innenstadt heraushält. Er will die Anwohner zum Gespräch einladen. »Man darf nicht unterschätzen, was die Menschen hier durchgemacht haben.« Hupke war schon Innenstadt-Bürgermeister, als das Stadtarchiv einstürzte. »Das ist keine zehn Jahre her«, sagt er. »Wieso soll das jetzt alles einfacher und besser gehen?« Die Umstände, wie es zur Katastrophe am Waidmarkt 2009 kommen konnte, hat die Stadt bisher nicht aufgearbeitet. Es gibt die Auseinandersetzung vor Gericht zwischen der Stadt und KVB einerseits und den ausführenden Baufirmen, der Arge Süd, andererseits. Aber es gibt keine Analyse, weshalb vor der Katastrophe immer wieder Probleme kleingeredet oder ignoriert worden waren.
Der Bürger wollte es ja so
Doch Verkehrsdezernentin und KVB-Chef bemühen sich, Optimismus zu verbreiten. Bei der Auftaktveranstaltung zur Bürgerbeteiligung Mitte März im Rathaus betonen sie, das Mobilitäts-Chaos sei ohne einen möglichst langen Ost-West-Tunnel nicht zu lösen. Blome erwähnt wieder einmal ihren erfolgreichen Düsseldorfer U-Bahn-Bau. KVB-Chef Fenske erzählt dem Publikum, seine Frau habe ihn dazu überredet, für eine U-Bahn zu werben: Er dürfe den Bürgern sein fachliches Know-how nicht vorenthalten.
FDP-Fraktionschef Ralph Sterck hat an solchen Meinungsäußerungen nichts auszusetzen. »Gut, dass sie sich festlegen und für dieses wichtige Projekt werben«, sagt er. »Dürfen die beiden keine Meinung haben?« Das sehen längst nicht alle so: Jörg Frank, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Rat, sagt: »Das Verhalten des KVB-Chefs ist eine übergriffige Beeinflussung.«
Es gibt auch grundsätzliche Kritik an der Bürgerbeteiligung. Denn auch nach Beginn der Veranstaltungen ist unklar, wie das Verfahren konkrete Ergebnisse bringen soll. Doch schon Ende Juni sollen Erkenntnisse vorliegen, bei einer öffentlichen »Auswertungskonferenz« im Rathaus. Eine »Beteiligungspille« nennt Thomas Schmeckpeper von der Wählergruppe GUT das Verfahren. Falls es zu »Bauverzögerungen, Kostenexplosionen oder wackelnden Kirchtürmen« komme, so Schmeckpeper in einer Erklärung, »wird man sagen können: Wir alle wollten es ja so!«
Mega-Eingriff ins römische Köln
Aber nicht nur Politiker und verkehrspolitische Aktivisten treibt die Debatte um. »Sie können sich denken, dass wir die Diskussion um die Ost-West-Achse sehr genau verfolgen«, sagt Marcus Trier, Direktor des Römisch-Germanischen Museums und Leiter der städtischen Bodendenkmalpflege. Die U-Bahn würde durch das Zentrum des römischen und mittelalterlichen Kölns führen. Schon beim Bau der Nord-Süd-Bahn war Trier für die Grabungen verantwortlich. Sie gelten als Jahrhundertprojekt, »nur vergleichbar mit der U-Bahn-Archäologie von Athen, London und Neapel«. Nun steht wohl das nächste Jahrhundertprojekt bevor. Trier rechnet vor: »Selbst bei der kleinen Tunnellösung zwischen Heumarkt und Neumarkt hätten wir bei offener Bauweise, einem 20 Meter breiten Graben und durchschnittlich sechs Meter tiefen archäologischen Schichten 120.000 Kubikmeter Erdreich zu untersuchen.« Schon bei der kürzesten U-Bahn wären die Aufgaben damit so groß wie bei der Nord-Süd-Bahn. »Ein Mega-Eingriff«, sagt Marcus Trier.
Bevor sie mit dem Graben beginnen, erstellen die Archäologen so genannte Pflichtenbücher. Darin tragen sie alles Wissen über die Strecke zusammen, sei es von einzelnen Grabungen oder historischen Quellen. »Wir wissen dann recht gut, was uns auf der Strecke erwartet.« Bei der Nord-Süd-Bahn seien ihre Einschätzungen zu 90 Prozent bestätigt worden.
Archäologische Überraschungen
Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Es gab zehn Prozent Überraschungen. Doch was würde es für den U-Bahn-Bau heißen, wenn die Archäologen einen Sensationsfund machten und ein zweites Dionysos-Mosaik entdeckten? »Vor Überraschungen ist man nie gefeit«, sagt Trier. »Aber es gibt immer Möglichkeiten, die Funde zugänglich zu machen.« So habe man das Fragment einer Tempelanlage im Aufgang zur U-Bahn-Haltestelle Heumarkt integriert. Und das römische Hafentor, das genau in der Tunnelachse am Kurt-Hackenberg-Platz lag, soll künftig von der neuen Historischen Mitte oder dem generalsanierten Römisch-Germanischen Museum aus in einem unterirdischen Raum zugänglich gemacht werden.
Dass spektakuläre Funde nicht ausbleiben werden, ist klar. »Die gesamte Trasse ist hochrelevant. Angefangen vom römischen Hafengebiet auf Höhe des Heumarkts über die großen Tempelbauten und die große römische Thermen-anlage bei St. Cäcilien bis zum Neumarkt«,
sagt Trier.
Marcus Trier scheint schicksalhaft mit dem Kölner U-Bahnbau verbunden zu sein. Im Jahr 1962, genau am Tag seiner Geburt, fiel der Ratsbeschluss zum Bau des ersten Kölner U-Bahntunnels. 1968 wurde die Strecke zwischen Dom und Friesenplatz, ein Jahr später der Abschnitt Appellhofplatz-Barbarossaplatz eröffnet. Mit lästigen -Dingen wie Archäologie hielt man sich damals nicht weiter auf, mindestens 95 Prozent des Bodenmaterials wurde einfach weggekippt. Denkmalschutzgesetze, wie wir sie heute kennen, gab es nicht. »Der ganze östliche Neumarkt, die U-Bahnstation und die Neumarktpassage — das wurde einfach weggeholzt«, so Trier. Trotz dieser Verwüstung liegt unter dem Neumarkt noch immer das wichtigste Bodendenkmal überhaupt, »die größte, nicht überbaute zusammenhängende Fläche der römischen Stadt in vorzüglicher Erhaltung.« Deswegen lösen die U-Bahnpläne bei Trier gemischte Gefühle aus. Natürlich freue er sich auf den Erkenntnisgewinn, gleichzeitig aber wolle und müsse er der Nachwelt so viel wie möglich unangetastet über-geben. »Graben bedeutet letztlich immer eine dokumentierte Zerstörung.«
Erst, wenn Tunnel-Länge und Bauweise klar sind und die Archäologen ihre Pflichtenbücher angelegt haben, lässt sich einschätzen, ob die Grabungen drei, fünf oder mehr Jahre in Anspruch nehmen. Wer aber dafür zu zahlen hätte, sei klar, sagt Trier: »Der Verursacher«, sprich: die KVB. »Wer bauen will, muss auch die Kosten für die archäologische Rettungsgrabung bezahlen.«
Nicht alle Menschen entlang der Strecke macht die künftige Großbaustelle Sorgen. An der Cäcilienstraße hält sich seit vielen Jahren eine robuste Kölschkneipe, trotz unwirtlicher Lage. »Bei d’r Tant« gibt es Schlagermusik, Halven Hahn und Heringsstipp nach Hausfrauenart. Das Kölsch schmeckt den Gästen auch an den Tischen vor der Tür, wo sich ihr Zigarettenqualm mit den Autoabgasen mischt. Sie würde wohl auch eine Baugrube nicht stören. Was die Wirtin von den Plänen für eine U-Bahn vor ihrer Kneipe hält? Sie zuckt die Achseln. »Bis die damit anfangen, lebe ich eh nicht mehr.«