Für eine sichere Geburt: Iris Hahn, Foto: Marcel Wurm

»Unter Wehen weggeschickt«

Die Frauenärztin Iris Hahn über Engpässe in Kölner Kreißsälen, unterbezahlte Hebammen und unnötige Tests in der Schwangerschaft

Frau Hahn, Sie sprechen von geburtshilflichen Engpässen in Köln. Können Frauen hier nicht mehr sicher gebären?

 


Panikmache ist nicht angebracht. Die meisten Frauen können in der Klinik ihrer Wahl entbinden. Aber wir haben eindeutig zu wenig Hebammen in der Geburtshilfe, bei gleichzeitig stark steigenden Geburtenzahlen. Das führt dazu, dass viele Frauen unter der Geburt längere Zeit alleingelassen werden, weil die Hebamme mehrere Geburten gleichzeitig betreuen muss. Oder sie werden gar nicht erst aufgenommen, sondern unter Wehen in ein anderes Krankenhaus geschickt — einfach, weil keine Hebamme für die Nachtschicht da ist.   

 

 

Aber dort werden sie dann versorgt?

 


Schon, aber die Verunsicherung ist groß. Noch größer ist das Problem bei Frühgeburten. Da werden Frauen aus Köln auch nach Leverkusen, Düren oder Münster geschickt, weil die Abteilungen für Neu- und Frühgeborenenmedizin unterbesetzt sind. Da muss sich dringend etwas ändern, weil es auch wegen der Reproduktionsmedizin immer mehr Mehrlingsgeburten und damit mehr Frühchen gibt.

 

 

Die Zahl der Hebammen in Köln ist insgesamt gestiegen. Nur arbeitet der größere Teil nicht in der Geburtshilfe, sondern in der Vor- und Nachsorge. Warum ist die Arbeit im Kreißsaal so unattraktiv?

 


Es ist ein Knochenjob, und die Kinder werden eben auch nachts und am Wochenende geboren. Eine solche Arbeit muss besser honoriert werden als die Vor- und Nachsorge, die die Hebammen sich besser einteilen können. Auch die Pauschalen für natürliche Geburten müssen angehoben werden. So eine Geburt kann ja zehn Stunden oder länger dauern, honoriert wird sie aber genauso wie eine zweistündige. Auch in der Vor- und Nachsorge übersteigt aber die Nachfrage das Angebot. 

 

 

Viele Frauen finden nur schwer eine Hebamme, die sie im Wochenbett betreut. Ja, es sei denn, sie kümmern sich schon in der fünften Schwangerschaftswoche darum.

 

Das tun aber nur die gut informierten Frauen, die anderen haben dann Pech gehabt. Aber das sind oft diejenigen, die eine Nachsorge und Unterstützung beim Umgang mit dem Neugeborenen besonders nötig hätten. 

 

 

Während der Schwangerschaft werden Frauen dagegen gut betreut, einige eher überversorgt. Wie kommt es zu diesem Missverhältnis?

 

 

Da müssen Gynäkologinnen und Hebammen besser zusammenarbeiten. Es ist sinnlos, wenn Frauen vor der Geburt zehnmal von der Ärztin und dann noch zehnmal von der Hebamme untersucht werden. Diese Doppeluntersuchungen gilt es zu vermeiden. Besonders von ärztlicher Seite werden Ultraschalluntersuchungen gemacht bis zum Abwinken. Jede Menge Tests werden angeboten — auch, weil die Labors Geld verdienen wollen. Schwangerschaft und Geburt werden so unnötig pathologisiert. Statt-dessen sollte es mehr Beratung und psychosoziale Betreuung der Frauen geben, mit dem Ziel einer natürlichen Geburt. Aber das wiederum wird nicht genügend honoriert. 

 

 

Sie haben Politiker aus dem Kölner Gesundheitsausschuss um Hilfe gebeten. Für ein anderes Vergütungssystem in der Schwangerschaftsvorsorge und Geburtshilfe können sie nicht viel tun.

 


Ja, es muss bundesweit etwas geschehen, und das tut es auch: Die Bundesregierung hat die Gesundheit rund um die Geburt zum »Nationalen Gesundheitsziel« erklärt und damit eingestanden, dass hier deutlicher Handlungsbedarf besteht. Auch das Landesministerium hat eine Projektgruppe zur Weiterentwicklung der Geburtshilfe ins Leben gerufen. Aber man kann das Thema auch in Köln stärker in den Fokus rücken, etwa eine Kampagne zur Aufwertung des Hebammenberufs starten. Man muss verhindern, dass weitere geburtshilfliche Stationen geschlossen werden so wie kürzlich im St. Vinzenz-Hospital in Nippes. Köln ist als Kinderfreundliche Kommune zertifiziert, da sollte man doch etwas dafür tun, um die Situation der Geburtshilfe zu verbessern!

 

 

 

Dr. Iris Hahn ist Fachärztin für Geburtshilfe sowie Frauenheilkunde und setzt sich mit dem Kölner »Qualitätszirkel Frauengerechte Gynäkologie« für eine bessere Geburtshilfe in Köln ein