James Tiptree jr.: »Helligkeit fällt vom Himmel«

Die amerikanische Autorin Alice Sheldon lebte fast genau von Anfang bis Ende jenes »kurzen 20. Jahrhunderts«, das für den Historiker Eric Hobsbawm von Beginn des Ersten Weltkriegs bis zum Ende des Kalten Kriegs dauerte. Sheldon ging als Kind mit ihren Eltern auf Großwildsafari in Afrika, später arbeitete sie für den US-Geheimdienst. Bekannt wurde sie in den 60er Jahren als Science-Fiction-Autor — unter dem Pseudonym James Tiptree jr. In unzähligen Short Storys und zwei Romanen verarbeitete Tiptree Erfahrungen mit Geschlechterrollen und Kolonialgeschichte. »Helligkeit fällt vom Himmel« bildet den Abschluss der deutschsprachigen Werkausgabe. Tiptree verfrachtet ein Ensemble zwielichtiger Figuren auf den Planeten Damiem, wo sie einem Naturschauspiel beiwohnen, das von alten Verbrechen der Menschheit zeugt. Auch die engelhaften Bewohner Damiems wurden einst von menschlicher Gier bedroht. Ihre Gefühlssekrete lassen sich zu einem überirdisch schmeckenden Likör destillieren: Sternentränen, eine teure Delikatesse. Tiptree macht aus dieser Konstellation ein Vexierspiel um prekäre Identitäten, Ausbeutungsverhältnisse, historische Schuldfragen, Liebe und Sex. Ein Abenteuer aus einer anderen Zeit und anderen Welt, das vermeintlichen Wahrheiten im Hier und Heute auf den Grund geht.

 

Septime Verlag, 528 S., 24,90 €