Wenigstens hier wächst Gras über die Sache: Vorgarten der Stadtwerke-Zentrale am Parkgürtel, Foto: Manfred Wegner

»Da gibt es blanke Wut«

Frank Deja von »Köln kann auch anders« will mit einer Unterschriftenaktion den Stadtwerke-Klüngel aufklären

 

Herr Deja, Ihre Bürgerbewegung »Köln kann auch anders« hat einen Einwohnerantrag zum Stadtwerke-Klüngel gestellt. Jetzt sammeln Sie Unterschriften. Wie läuft‘s?

Zäher als befürchtet. Unterschriftenlisten ausdrucken, von Hand unterschreiben und einschicken — das ist für viele Menschen eine Hemmschwelle. Wir haben 1400 Unterschriften, benötigen aber 8000.

 

 

Welche Reaktionen bekommen Sie? 

Wir sind teilweise entsetzt. Da gibt es blanke Wut: »Alle Ratspolitiker sind Verbrecher, alle in einen Sack und draufhauen.« Von solchen Leuten wollen wir keine Unterschriften, denen nehme ich den Kugelschreiber weg! Aber Martin Börschel, Bernd Petelkau und Jörg Frank haben der Stimmung, dass man Politikern als gewählten Vertretern nicht trauen kann, ungeheuren Vorschub geleistet. Das ist die eigentliche Katastrophe.

 

 

Wie bewerten Sie die Aufklärungsarbeit der Parteien?

Offensichtlich tut sich zumindest bei den Grünen etwas. Bei CDU und SPD erstaunlicherweise nicht. Die Geschichte soll unter kölscher Folklore abgehakt und über den Sommer vergessen werden.

 

 

Haben Sie auch mit Henriette Reker gesprochen?

Wir haben sie auf dem Edelweißpiraten-Festival gefragt, ob unsere Aktion störend sei. Sie sagte: »Nein, auf keinen Fall«. Ich denke, dass Frau Reker im Moment demontiert wird. Die SPD verhält sich ihr gegenüber wie die Republikaner gegenüber Obama: Arme verschränken und sehen, wie die das vor die Wand fährt, anstatt mit Kritik etwas beizutragen. Man kann keine Bereitschaft zum konstruktiven Parteienstreit mehr erkennen. Das finde ich schlimm.

 

Sie glauben, dass OB Reker den Deal aufklären kann und will. Aber Reker weigert sich doch, über Gespräche mit Martin Börschel Auskunft zu geben.

Ich bin nicht überzeugt, dass sie alles daran setzen wird, um aufzuklären. Ich finde es aber richtig, sie dazu aufzufordern. Ob sie vorher etwas wusste, ist für die Aufklärung und Aufarbeitung irrelevant. Reker hat die Notbremse gezogen und den Deal verhindert — wahrscheinlich um den Preis ihrer Karriere, denn die CDU wird Reker bei der OB-Wahl 2020 wohl nicht mehr mittragen. Das war ein erstaunlicher Schritt und ist unterstützenswert.

 

 

Jetzt ist Harald Kraus zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Stadtwerke gewählt worden. Er war als Arbeitnehmervertreter auch am Deal beteiligt.

Das ist ein verheerendes Signal. Ich bin überrascht, dass sich Arbeitnehmervertreter zum Instrument der SPD-Politik machen lassen. Der Aufsichtsrat ist ein autonomes Gremium, aber er setzt sich über einen Ratsbeschluss hinweg. Das berührt noch einen anderen Punkt: Die städtischen Betriebe sollen der Daseinsvorsorge dienen. Das Beteiligungsmanagement, die Steuerung der kommunalen Betriebe, gehört ins Rathaus und in den Rat.

 

 

Die Parteien haben die Posten bei den Stadtwerken unter sich aufgeteilt. Halten Sie das für anrüchig?

Ja, wir reden von Posten, die an wichtigen Entscheidungen für die Stadt beteiligt sind. Was passiert, wenn man solche Posten nicht nach Qualifikation besetzt, haben wir beim Archiveinsturz erfahren. 

 

 

Aber dahinter steckt ja die Vorstellung, dass Management nach objektiven Standards funktionieren und frei von parteipolitischen Interessen sein kann.

Ich glaube nicht an objektive Management-Weisheiten. In der Wirtschaft wird auch strategisch geplant. Ich finde es nicht störend, dass die CDU vielleicht eine andere Vorstellung hat als die Grünen, welche Rolle die KVB für die Verkehrswende spielen könnte. Das muss man aber zum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion machen. Man muss fragen: »Was wollen wir?« Köln krankt daran, dass diese Frage seit Adenauer weder gestellt noch beantwortet wurde.