Nicht fair gehandelt
Die Kleidung von Politikerinnen ist ein leidliches Thema. Mittlerweile wird aber auch über die Anziehsachen von Henriette Reker gesprochen. Die Oberbürgermeisterin besuchte im Juli das Autonome Zentrum (AZ) Köln und kaufte ein T-Shirt mit dem Schriftzug »AZ bleibt«. Das Mottoshirt wird wohl längst tief im Kleiderschrank verschwunden sein, das dazugehörige Statement wird Reker aber mit sich herumtragen müssen.
Am Jahresende läuft die Vereinbarung zwischen der Stadt und dem Verein »Kultur in Kalk« aus, nach der das AZ die Räumlichkeiten des ehemaligen Kanal-bauamts an der Luxemburger Straße nutzen kann. In den Planungen zur Verlängerung des Grüngürtels und der Parkstadt Süd ist das Gebäude jedoch nicht vorge-sehen. Auf der AZ-Homepage zählt ein Countdown zum »Tag X« -herunter, dem Tag einer möglichen Räumung.
Reker wurde nicht im AZ vorstellig, um sich für einen Hula-Hoop-Kurs anzumelden oder ihr Fahrrad zu reparieren. Sie nahm mit ihrem Besuch die Moderation des Konflikts wieder auf. »In einer Stadt wie Köln muss Raum für ein Autonomes Zentrum sein«, sagte sie. Damit wiederholte sie den Status Quo einer Debatte, die schleppend verläuft: Grundsätzlich spricht sich außer der AfD keine Partei in der Kölner Politik gegen das AZ aus. Reker will sich »für die Realisierung an einem Alternativ-standort einsetzen«. Die Grünen gelten als Fürsprecher des AZ, ohne sich aber für einen Verbleib am jetzigen Ort stark zu machen. Die CDU erklärt, man werde Reker unterstützen, wenn sie sich für einen neuen Standort einsetzen möchte. Noch fehlt aber die Antwort auf die Frage, wo dieser alternative Raum sein soll, den Stadt und Politik beschwören.
Das AZ will an der Luxemburger Straße bleiben. Mehrfach kritisierte man die »Hinhaltetaktik« der Stadt, im Mai war man deshalb zwischenzeitlich aus den Verhandlungen zur Standortfrage ausgestiegen. AZ-Vertreter Kim Wolność bezeichnet die Gespräche nach wie vor als schwierig: »Wir sind entspannt, aber in unseren Strukturen wächst der Unmut.« Die Stadt bot dem AZ etwa ausrangierte Schulcontainer an, ohne einen Standort zu nennen. Zwischenzeitlich war auch ein altes Fort in Buchheim im Gespräch. Weil die Zeit knapp wird, ist es denkbar, dass die Stadt dem AZ anbietet, länger an der Luxemburger Straße bleiben zu können. Beim AZ hält man von einer er-neuten Zwischennutzung aber nichts.
Die Stadt möchte eine Lösung im Dialog finden, auch weil das AZ nach wie vor viele Menschen mobilisieren kann. Das zeigte etwa eine Tanzdemo im Mai mit über tausend Teilnehmern. Die Parade war auch ein Muskelspiel: Seht her, wir könnten, wenn wir müssten! Bilder von zivilem Ungehorsam oder einer gewaltsamen Räumung des AZ will die Stadt am liebsten verhindern. Dafür vergisst Henriette Reker auch schon mal, dass Mottoshirts eher so Neunziger sind.