D’r Zoch pferd weiter
Für ein Verbot von Pferden im Rosenmontagszug gibt es keine politische Mehrheit. Das mussten sowohl die drei Tierschutzvereine feststellen, die sich an den Beschwerdeausschuss des Rates gewandt hatten, als auch die Grünen, die einen Kompromiss vorschlugen. Sie wollten Kutschen verbieten, die Zahl der Pferde auf höchstens 250 halbieren und die Auflagen für Reiter im Zug erhöhen, etwa ein absolutes Alkoholverbot einführen. Doch nur drei der Ausschussmitglieder schlossen sich dem an. »Wir haben uns eine blutige Nase geholt«, sagt der Grünen-Politiker und Tierarzt Ralf Unna. Auf weitere politische Vorstöße werde seine Fraktion verzichten — vorerst. Unna fürchtet, dass ein »Umdenken erst mit dem nächsten Unfall« einsetze.
Nach dem schweren Unfall beim diesjährigen Rosenmontagszug, bei dem zwei Kutschpferde durchgingen und vier Menschen schwer verletzt wurden, streiten Karnevalisten, Tierschützer und Politiker über ein Verbot von Pferden. Doch weder der Stress, den tausende betrunkene Jecken, laute Musik und Gedränge für die Fluchttiere bedeuten, noch die Gefahr, die tonnenschwere Pferdegespanne für Zuschauer und Teilnehmer darstellen, vermochten die Haltung der Verantwortlichen zu ändern.
Zwar ist fraglich, inwiefern ein solches Verbot politisch umzusetzen wäre. Das Ordnungsamt prüft das Sicherheitskonzept des Veranstalters und nimmt laut Stadt eine Rechtseinschätzung vor, die nicht von politischen Beschlüssen abhängt. Auch kann der Beschwerdeausschuss lediglich Empfehlungen an andere politische Gremien ab-geben. Doch das Interesse der Bürger an der Sitzung Mitte September war riesig. Karnevalisten und Tierschützer nutzten sie gleicher-maßen, um ihre Position öffentlichkeitswirksam darzustellen.
Die Tierschützer sahen Verstöße gegen das Tierschutzgesetz, die Stadtverwaltung jedoch keinen weiteren Handlungsbedarf. Kontrollen der »Wesensstabilität« der einzelnen Tiere, Blutproben auf verbotene Beruhigungsmittel sowie Vorgaben zum Einsatz der Pferde seien erst jüngst verschärft worden, hieß es. Claus Kronaus, Geschäftsführer von »Ärzte gegen Tierversuche«, argumentierte als einer der Petenten auch mit dem Sicherheitsrisiko für die Menschen und führte Zahlen der Tierschutzorganisation Peta zu Unfällen mit Kutschen an. Eine Mitstreiterin verlas den bis dahin unbekannten Bericht einer anonymen Augenzeugin des Unfalls im Februar. Mit ihren zwei kleinen Kindern und anderen Zuschauern floh sie demnach in Panik vor den durchgehenden Pferden. Sie hatten den Umzug von der Tribüne aus verfolgt, in die die Kutschpferde prallten.
Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees und zuvor zwölf Jahre lang Zugleiter, hielt die Gegen-rede. Er konzentrierte sich auf die tierschutzrechtlichen Aspekte und verwies auf Bemühungen der vergangenen Jahre, die Belastung der Tiere zu verringern. Die Karnevalisten zeigten sich bereit, die Auflagen für den nächsten Rosenmontagszug weiter zu verschärfen.
Kuckelkorn wiederholte ansonsten die Position des Festkomitees. Aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gehe hervor, ein »Wurfgeschoss« aus dem Publikum sei Ursache des Unfall im diesjährigen Zug gewesen. Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer nennt das auf Nachfrage eine »etwas einseitige Auswertung« der Aussagen. Andere Zeugen hätten versichert, im Moment vor dem Durchgehen der Pferde keinen Wurf gesehen zu haben. Auch waren die Pferde den Ermittlungen zufolge geeignet, die Kutsche technisch einwandfrei, und der Kutscher habe sich keinen Fehler zuschulden kommen lassen — ein »Unglücksfall«, so Bremer. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden eingestellt.
Einer der Verletzten, Schulleiter eines Gymnasiums, hatte sich im Sommer öffentlich für ein Verbot von Kutschen ausgesprochen. In Düsseldorf haben die Karnevalisten genau das als Reaktion auf den Kölner Unfall beschlossen. Die Kölner halten das Risiko dagegen für zumutbar. Hundertprozentige Sicherheit gebe es auch ohne Kutschen nicht, so die Verwaltung. Laut SPD werde bereits alles Menschenmögliche unternommen. Die CDU verwies auf den Weltkulturerbe-Status des Kölner Karnevals.
Kuckelkorn hielt den Vergleich mit Düsseldorf für unzulässig. Der Kölner Zug sei wesentlich größer. Kuckelkorn mutmaßte, die Karnevalisten der Nachbarstadt seien zu einer »impulsiven« Entscheidung gedrängt worden. »Das ist in keiner Weise richtig«, widerspricht Hans-Jürgen Tüllmann, Geschäftsführer des Comitees Düsseldorfer Carneval. Alle Gesellschaften hätten sich für das Verbot ausgesprochen. »Kutschen und Pferde sind einfach eine Belastung«, sagt Tüllmann. Er sei nach jedem Zug froh, wenn nichts passiert sei. »Unter dem Sicherheitskonzept steht meine Unterschrift, und ich will nicht für den ersten Toten verantwortlich sein«, sagt Tüllmann. Auch er meint, dass der Unfall in Köln noch viel schlimmer hätte enden können.