»Das ist unkölsch«
Die Idee zum Bau einer zentralen Moschee für Köln gab es bereits Mitte der 80er Jahre, als sich mehrere Vereine um Grundstücke vor allem im Kölner Norden bemühten. Doch weder konnte die Stadtverwaltung solche Grundstücke finden noch wurden sich die verschiedenen Vereine einig oder waren imstande, den Bau zu finanzieren. Die Diskussion zog sich mehr als 15 Jahre hin — bis der Dachverband Ditib 2002 anbot, als alleiniger Trägerverein auf eigenem Grundstück in Ehrenfeld zu bauen. Standortprüfung, Konzeption, Verkehrsproblematik — die notwendigen, aber oft zähen Untersuchungen folgten. 2005 gab es dann einen internationalen Architektenwettbewerb für die Kölner Zentralmoschee. Ich war damals Oberbürgermeister und saß im Preisgericht, als am 3. März 2006 die Tarnnummer 1017 als Sieger hervorging. Es war eine Sensation: Paul Böhm gewann, ein Kölner Architekt, dessen Familie sich vor allem durch viele christlich-sakrale Bauten einen Namen gemacht hatte. Ein neuartiges, großes und modernes Kultur- und Religionszentrum sollte entstehen. Es gab Proteste der rechtsextremen Bewegung Pro Köln, ein Bürgerbegehren und Unterschriftenaktionen. Auch in der CDU gab es heftige Widerstände. Die Ditib stellte die Entwurfspläne mehrmals der Öffentlichkeit vor, die Verwaltung lud die Öffentlichkeit 2007 ebenfalls zur Beteiligung an der Bauleitplanung ein. Ende 2009 schließlich wurde der Grundstein gelegt. Mein Nachfolger Jürgen Roters (SPD) nahm mit mir und Vertretern der Ditib den ersten Spatenstich vor.
Die Querelen während der Bauzeit übergehe ich hier — in Köln dauert manches Bauvorhaben noch viel länger. Das Ergebnis aber ist ein hervorragendes, extravagantes und aussagekräftiges Bauwerk, das nicht nur ein Symbol für einen modernen, europäischen Islam sein könnte, sondern auch eine Plattform für den Dialog von Kulturen und Religionen in unserer Stadt. Das hat der Architekt durch die äußere Form und die innere Gestalt ausführen wollen, das hat die Bauherrin Ditib, die seit 2007 einen Beirat mit Vertretern aus Politik, Kirchen, Gesellschaft und Architektur einberufen hat, auch immer so artikuliert und versprochen: Man sehe sich als Wegbereiter zu besserer Integration, man sei offen für alle Muslime, für alle anderen Religionen und für den Dialog in der Gesellschaft. Nachdem die Moschee Mitte 2017 vollständig in Betrieb war, wurde immer wieder ein Termin für eine offizielle Eröffnung gesucht. Der Beirat drängte. Er hatte zahlreiche programmatische Überlegungen angestellt, wie die Kölner und speziell die Ehrenfelder Bevölkerung das Ereignis mitgestalten könnte. Die Antwort der Ditib blieb aus, und das ist noch höflich umschrieben. Bis sich aus heiterem Himmel der Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ankündigte. Die Dinge überschlugen sich offenkundig. Die Informationen an den Beirat, die ohnehin äußerst mager ausfielen, und zur Stadtspitze tröpfelten: informell, vage, viel zu spät bis gar nicht. Die Kommunikation war höchst unprofessionell.
So kam es dann zu einer internen AKP-Veranstaltung ohne Oberbürgermeisterin Reker, ohne Stadtgesellschaft, ohne Beirat. An diesem 29. September 2018 zeigte sich, dass von der immer beschworenen politischen Neutralität der Ditib (»keine Politik in der Moschee«) keine Rede sein kann. Die Ditib hängt an der Nabelschnur der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet und damit des Präsidenten Erdoğan. Die großartige Kölner Moschee wurde zur Parteizentrale degradiert. Das haben die Oberbürgermeisterin, der Architekt, der Beirat und all die Kölner, die diese Moschee inzwischen auch als ihre Moschee angenommen hatten, nicht verdient. Diese Eröffnung war das Gegenteil von Integration. Eine riesige Chance für ein integratives Miteinander ist vertan. Diese Spaltung, auch zwischen den hier lebenden türkischstämmigen Bürgern, ist ein böser Rückschritt. Das ist unkölsch! Aber kölsch ist meine Hoffnung, dass dieses hervorragende Bauwerk und sein Geist — die Philosophie der friedlichen Weltoffenheit — Präsidenten und Vorstände überleben wird! Ich biete, wenn das gewünscht wird, auch weiterhin meine Gesprächsbereitschaft an. Und viele türkische und kölsche Freunde unterstützen mich dabei!
Fritz Schramma, 71, war von 2000 bis 2009 Kölner Oberbürgermeister. Der CDU-Politiker hat sich von Beginn an für den Bau einer Kölner Zentralmoschee eingesetzt. Er ist auch Moderator des Mo--schee-Beirats, aus dem jedoch prominente Mitglieder wie Hannelore -Bartscherer (Ex-Vorsitzende des Katholikenausschusses), Brigitta von Bülow (Grüne) und Gabriele Hammelrath
(SPD) kurz vor der Eröffnung austraten, weil sie sich ebenso wie Oberbürger-meisterin Henriette Reker von der Ditib düpiert fühlten.