Das war 2018 in Köln
17.3. – Tunnelblick auf der Ost-West-Achse
Kölns Verkehrsdezernentin Andrea Blome nennt sie »die Aorta des Kölner Stadtbahnnetzes«. Täglich pumpen die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) mehr als 90.000 Fahrgäste in den Linien 1, 7 und 9 über die Ost-West-Achse. Der Strecke droht der Kollaps. Deshalb sollen auf ihr künftig längere Züge fahren. Die Frage ist nur: Über oder unter der Erde? Im März startete eine maue Bürgerbeteiligung, die diese Frage nicht beantwortete. Die Stadt hatte sich längst festgelegt: Blome bezeichnet sich als »U-Bahn-Fan«, Noch-KVB-Chef Jürgen Fenske ist auch einer. Die Entscheidung, ob Köln erstmals seit dem Archiveinsturz am Waidmarkt einen U-Bahn-Tunnel buddelt, fällt aber ohnehin der Kölner Stadtrat. Hier sind sich vor allem die Bündnispartner Grüne
und CDU nicht einig.
Text: Jan Lüke
17.4. – Der Stadtwerke-Klüngel fliegt auf
Es sollte ein Coup werden, aber am Ende gab es nur Verlierer. Martin Börschel, ehemaliger Fraktionschef der SPD, sollte einen neu zu schaffenden Posten als Stadtwerke-Konzernchef erhalten — darauf hatten sich SPD, CDU, Grüne und Arbeitnehmervertreter insgeheim verständigt. Aber OB Henriette Reker bekam Wind von dem Deal und legte ihr Veto ein. Börschel verlor erst seinen Posten als Aufsichtsratschef der Stadtwerke und erklärte dann seinen Verzicht auf all seine politischen Ämter. CDU-Chef Bernd Petelkau und Grünen-Fraktionsvorsitzende Kirsten Jahn zogen sich aus dem Stadtwerke-Aufsichtsrat zurück und Jörg Frank (Grüne) verlor neben dem Aufsichtsratsmandat auch seinen Job als grüner Fraktionsgeschäftsführer. Als Wiedergutmachung wollten CDU und Grüne OB Reker zur neuen Vorsitzenden des Stadtwerke-Aufsichtsrats machen, scheiterten aber am Widerspruch von SPD und Arbeitnehmern. Vorsitzender ist jetzt Ex-NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD), ein Kompromisskandidat. Resultat: Niemand hat bekommen, was er oder sie wollte, das Vertrauen der Kölner in die Politik hat gelitten und Köln wurde seinem Ruf als Klüngelhauptstadt mal wieder gerecht.
Text: Christian Werthschulte
24.4. – Hawaii ohne Toast
2018 brachte der Kölner Gastronomie einen Aufschwung mit vielen interessanten Neueröffnungen. In der gehobenen Gastronomie hat sich eine neue Generation mit neuen Ideen schnell den Zuspruch der Hipster verschafft. Tischdecken runter, lässige Ansprache statt Etikette — so soll der Weg für gutes Essen in geselliger Atmosphäre frei werden. Streetfood verkörpert genau das, und auch die neue Spitzenküche findet hier Inspirationen. Im April eröffnete Sterne-Koch Mirko Gaul aus dem Taku im Excelsior Hotel Ernst nebenan den ersten Kölner Poké-Laden. Bald darauf boten bereits erste Ketten das hawaiianische Streetfood an — wenn auch nicht mit der aromatischen Tiefe und handwerklichen Sorgfalt. Dieser Trend passt nicht zu den anderen großen Trends wie Regionalität oder gar Veganismus, das macht ihn so interessant. 2019 werden wir weiter Mischmasch essen, doch nach Hawaii werden andere Regionen die Schüsseln füllen. Kalifornien ist ja gerade schwer angesagt.
Text: Bernd Wilberg
14.7. – Am Ebertplatz sprudelt’s wieder
Es ist das Comeback des Jahres. Gerade einmal zwölf Monate ist es her, da galt der Ebertplatz noch als No-Go-Zone aus Beton, die Stadtdirektor Stephan Keller am liebsten zugemauert hätte. Heute wird im Scheinwerferlicht Schlittschuh gefahren und der Brunnen strahlt jeden Abend in Katholisch-Violett. Möglich gemacht hat dies eine Initiative der Grünen, die gemeinsam mit den Kunsträumen in der Ebertplatz-Passage ein Kulturprogramm für die einmalige Architektur des Platzes erdacht haben. Der wichtigste Punkt: Die »Wasserkinetische Skulptur« sollte wieder sprudeln. Das tat sie im Juli dann auch. Der Ebertplatz wurde zum Hangout für Kinder, die im Wasser spielten, und für Erwachsene, die im Brausen der Fontänen ihr Feierabendbier genossen. Das Highlight: Bei der Eröffnung tanzen Goths, Kunst-Hipster und die Gäste der afrikanischen Kneipen gemeinsam. Das Lowlight: Die Polizei kontrolliert hier weiterhin zuerst schwarze Menschen.
Text: Christian Werthschulte
1.8. – Auf dem Roncalliplatz wird gesungen
Der ewige Widerspruch: Köln will Event-Stadt sein und viele Touristen in die Innenstadt locken, möchte dort aber auch ein gediegenes Umfeld für hochpreisige Wohnquartiere schaffen. Als besonders störend werden Konzerte unter freiem Himmel empfunden. Kein Open-Air-Programm — ob auf dem Hans-Böckler-Platz, dem Neptunplatz in Ehrenfeld oder im Jugendpark — konnte sich dauerhaft etablieren. 2018 gab es aber eine Überraschung: Es fanden wieder Konzerte auf dem Roncalliplatz statt. Das Kunststück, dafür eine Genehmigung zu bekommen, gelang dem Bonner Veranstalter Ernst Ludwig Hartz (»Kunst!Rasen Bonn«). Das Programm — Patti Smith, Van Morrison und Joan Baez — konnte sich sehen lassen, der Publikumszuspruch war überwältigend. Klagen? Aufregung? Mahnende Worte angesichts eines weiteren Event-Schubs? Nichts Nennenswertes. 2019 geht die Open-Air-Reihe u.a. mit Chilly Gonzales in die zweite Runde. Nur eine letzte Überraschung gelang Hartz nicht: Charles Aznavour war bereits zu angeschlagen, um am 4. August sein Kölner Abschiedskonzert zu geben.
Text: Felix Klopotek
6.10. – Hambi bleibt, die Dörfer auch?
Der Braunkohle wegen haben in den vergangenen 70 Jahren im Rheinischen Revier zehntausende Menschen ihre Heimat verloren, ohne dass sich die Öffentlichkeit groß dafür interessiert hätte. Das zumindest hat sich 2018 geändert. Im September ließ die Landesregierung den von Umweltaktivisten besetzten Hambacher Forst räumen und löste damit den größten Polizeieinsatz in der Geschichte NRWs aus. Am 5. Oktober entschied ein Gericht, dass RWE den Wald vorerst nicht roden darf. Einen Tag später demonstrierten dort bis zu 50.000 Menschen gegen die Braunkohle. Der Widerstand gegen den klimaschädlichsten aller Energieträger bekommt Auftrieb — doch wie ernst Deutschland es mit dem Ausstieg meint, ist offen. Am 2. Februar will die Kohlekommission ihre Ergebnisse vorlegen. Derweil werden sieben weitere Dörfer von der Landkarte getilgt.
Text: Anne Meyer
15.10. – Das Dezernenten-karussell dreht sich weiter
Mitte Oktober hat Harald Rau die Wahl zum Oberbürgermeister in Offenburg verloren. Der Kölner Sozial- und Umweltdezernent hatte sich in der 60.000-Einwohner-Stadt in Baden-Württemberg um das Amt beworben und kehrte als geschwächter Dezernent zurück. Immerhin blieb Köln damit die nächste Personalrochade im Stadtvorstand erspart. Irgendwie muss die Arbeit an der Spitze der Kölner Verwaltung abschreckend sein: 2017 war Baudezernent Franz-Josef Höing nach Hamburg gewechselt. Sein Nachfolger Markus Greitemann kann ausgerechnet im bedeutsamen Wohnungsbau kaum Erfahrungen aufweisen. Anfang Dezember ist Kämmerin Gabriele Klug aus dem Amt geschieden, auf sie folgte Dörte Diemert. Und schon bald steht der nächste Wechsel an: Bildungsdezernentin Agnes Klein geht auf eigenen Wunsch am 1. Februar vorzeitig in den Ruhestand.
Text: Jan Lüke
23.10. – Das Wasser von Kölle es flach
Der Rhein, in Köln so oft besungen, ist zum Problem geworden. Nicht nur, dass man im Süden eine neue Brücke plant, um ihn zu überbrücken — es ist auch kein Verlass mehr darauf, dass er genug Wasser führt. Nach der extremen Dürre des Sommers betrug der Kölner Pegel Ende Oktober nur noch 67 Zentimeter — neuer Rekord. Zwar wurde die Schifffahrt nicht eingestellt, doch können die Frachter nur noch ein Drittel oder die Hälfte ihrer Kapazität nutzen. Auch in und um Köln mussten Industriebetriebe die Produktion herunterfahren. Bislang ist die Politik ratlos, schließlich will man den LKW-Verkehr nicht nur auf die Schiene, sondern auch auf den Rhein verlagern. Der aber ist in Zeiten des Klimawandels keine verlässliche Verkehrsverbindung mehr, zumal man davon ausgehen kann, dass Wetterextreme wie die Dürre dieses Jahres häufiger vorkommen werden.
Text: Bernd Wilberg