Sehnsucht nach Sehnsucht
»Imitation of Life« wäre auch ein passender Titel für Christian Petzolds achten Langfilm gewesen. Denn seine Figuren bewegen sich wie Untote durch eine entvölkerte Welt, die unendlich weit von deren wahren Bedürfnissen entfernt scheint.
Spielregeln der kalten Welt
Da ist zum einen Yella (Hoss), die nach ihrer gescheiterten Ehe und der Pleite der Firma ihres Ex-Mannes auf der Suche nach einem neuen Job in den Westen geht. Den findet sie bei dem jungen Geschäftsmann Philipp (Striesow), der sich im Auftrag einer Risiko-Kapital-Gesellschaft in andere Unternehmen einkauft. Als seine Assistentin lernt Yella schnell die Spielregeln dieser kalten, auf Profit ausgerichteten Welt kennen. Doch im Gegensatz zu Philipp verinnerlicht sie diese nicht, fehlt es ihr an Gespür für die Grenzen des Spiels – das zeigt sich, als sie einen Verhandlungspartner auf so schamlose Weise unter Druck setzt, wie Philipp das nie getan hätte. Immer noch ihrem früheren Leben und den Gefühlen zu ihrem Ex-Mann verhaftet, imitiert sie die neuen Verhaltensmuster lediglich, in der Hoffnung, dass sich so ihre Sehnsucht nach sozialem Aufstieg erfüllt.
Bei Philipp verhält es sich genau umgekehrt: Die Spielregeln der New Economy sind ihm zur eigentlichen Natur geworden. Stets agiert er strategisch und kalkuliert – und kontrolliert seine Gefühle so sehr, dass sie, wenn überhaupt, unvermittelt aus ihm hervorbrechen. Sein professionelles Misstrauen verwehrt ihm einen unverstellten Zugang zu seinen Emotionen.
Imitierte Liebe
Als er und Yella sich näher kommen, imitiert Philipp seinerseits die Rituale und Gesten von Verliebten, so wie Yella zuvor die der Geschäftsleute. Wenn er ihr seine Liebe gesteht, klingt das mehr wie ein Zitat, das er irgendwo aufgeschnappt hat, und weniger, als würde er es wirklich so meinen. Dennoch drückt sich darin eine Sehnsucht aus. Nach dem, was man Liebe nennt, und von dem Philipp hofft, dass es existiert, auch wenn er nur eine diffuse Vorstellung davon zu haben scheint. So bewegen sich die beiden Figuren die meiste Zeit gegenläufig zueinander, ohne die Möglichkeit echter Nähe. Das einzig Echte – und das, was sie miteinander verbindet – ist das Gefühl der Sehnsucht.
Folgerichtig hält Petzold das Geschehen, wie schon in seinen früheren Filmen in einem eigenartigen Schwebezustand. Eine Stimmung, die er diesmal durch leitmotivisch wiederkehrende Irritationsmomente noch erweitert – hin zur hyperrealistischen Atmosphäre eines Traums.
Yella D 07, R: Christian Petzold, D: Nina Hoss, Devid Striesow, Hinnerk Schönemann, 88 Min. Start: 13.9.