Völlig losgelöst
Es ist nur ein gutes Jahr her, da träumte Oberbürgermeisterin Henriette Reker laut von einer neuen, »echten« Seilbahn über dem Rhein. Sie sollte die Altstadt mit der Messe verbinden. Vor drei Monaten wagten die Freien Wähler aus Rodenkirchen den nächsten Vorstoß: Auch zwischen Porz und Rodenkirchen sollen Gondeln über den Rhein schweben. Seilbahnen sind halt eine betörende Idee. Einfach hinwegschweben über verstopfte Straßen, überfüllte Züge und handtuchbreite Radwege, und dabei noch schön auf Rhein und Dom runtergucken.
Doch der Antrag in Rodenkirchen ging nicht durch, und auch von der Messe-Seilbahn war nicht mehr viel die Rede. Aber vielleicht hatten Reker und die Freien Wähler auch nur zu klein gedacht. Es geht ja um Verkehr in einer neuen Sphäre, da kriegt man mit kleinen Pups-Strecken keinen überzeugt. Jetzt aber kommt der große Wurf. Die Ratsgruppe GUT, ehemals Deine Freunde, hat Pläne für eine 33,5 Kilometer lange Seilbahn mit 21 Stationen gemacht, die im Zickzack über den Rhein führt und von Porz bis zum Fühlinger See reicht. Mit dem »Rheinpendel« sollen 15 neue Verbindungen über den Fluss entstehen, bis zu 300.000 Passagiere am Tag damit fahren.
Thomas Schmeckpeper, Verkehrsreferent von GUT, sieht die neue Mega-Seilbahn als »Herzstück der Kölner Verkehrswende«. Denn alle sonstigen Pläne für mehr Busse und Bahnen in Köln hätten ja ein Problem: »An den Nadelöhren am Rhein ändert sich nichts.« Eine Seilbahn als Massentransportmittel könnte hier quasi als Luftbrücke dienen. Im 30-Sekunden-Takt sollen dann bis zu 30 Menschen in eine Gondel steigen. -Radfahrer sollen ihr Rad mit in die Gondel nehmen, den Fluss überqueren und auf der anderen Seite weiterfahren, Autofahrer am Bonner Verteiler aus- und in die Seilbahn einsteigen.
Und dass es in Köln schon eine Seilbahn zwischen Zoo und Rheinpark gibt, die aber nach einem Notfall mit spektakulärer Rettungsaktion seit 2017 stillsteht? »Die fährt ja mit einer 60 Jahre alten Technologie«, sagt Schmeckpeper. Mit neuster Technik könne so was nicht mehr passieren. Man werde die Idee der Ratsgruppe »mit großer Ernsthaftigkeit prüfen«, sagt Rekers Sprecher Alexander Vogel.
Wahrscheinlich scharren die großen Seilbahnhersteller aus dem Alpenraum bereits mit den Hufen. Ihr klassisches Geschäft in den Skigebieten schmilzt mit dem Klimawandel dahin, weshalb sie sich nur zu gerne auf Seilbahnen als Nahverkehrsmittel in Großstädten verlegen würden. Tatsächlich kamen sie hier zuletzt immer häufiger zum Zuge, vor allem in Lateinamerika wurden Seilbahnen für den Massentransport gebaut. Im bolivianischen La Paz oder in Medellín in Kolumbien etwa, also in dicht besiedelten und staugeplagten Städten, wo zudem das Geld fehlt. Im Vergleich zum Bau von Straßen- oder gar U-Bahnen sind Seilbahnen unschlagbar billig, man braucht lediglich Platz für die Pfeiler, und die Bauzeit ist kurz. Würde doch passen, wenn hierzulande Köln mit dem Bau einer Seilbahn voranginge. Schließlich nennt man uns die südamerikanischste Stadt Deutschlands.