Du Mont, ich Journalismus
Die Nachricht, dass die Eigentümer der DuMont-Mediengruppe den Verkauf ihrer regionalen Zeitungen planen, erfuhren deren Redakteure und Mitarbeiter mitten an Karneval aus der Zeitung. Aber nicht aus den eigenen Blättern wie Kölner Stadt-Anzeiger oder Express, Mitteldeutsche Zeitung, Berliner Zeitung oder der Hamburger Morgenpost. Sondern aus allen anderen. Während man sich die Mitarbeiter in den DuMont-Redaktionen entsprechend fassungslos vorstellen muss, schrieben die Kollegen der Konkurrenz ihr Unverständnis ob des Gebarens am Rhein auf: »Der Stellenwert des Journalismus ist vielen Medienhäusern scheißegal«, titelte die taz. Von einem »Kahlschlag« schrieb der Tagesspiegel, vom »Kölner Ausverkauf« die Süddeutsche, und die FAZ von einem »verlegerischen Offenbarungseid«. Was passiert ist: Der Aufsichtsrat von DuMont erwägt einen Verkauf seiner Regionalzeitungen und hat die Münchner Finanzgesellschaft Goetz-partners bis Mitte des Jahres mit der Akquise potenzieller Käufer beauftragt. Kommen Verkäufe zustande, muss das nicht das Ende der betroffenen Blätter bedeuten und auch nicht den Jobverlust der Beschäftigten. Dennoch spricht aus jedem Artikel zum Thema das blanke Entsetzen: Von Köln gehe ein fatales Signal aus. Es wird nicht weniger befürchtet als das Ende der Tageszeitung, wie wir sie kannten. Und eine weitere Erosion der Demokratie. Das klingt im ersten Moment dramatisch. Doch nicht zuletzt der wirtschaftlich noch ungefährdete Spiegel verweist anlässlich der Kölner Ereignisse auf Untersuchungen, die zeigen, dass Korruption und radikale politische Kräfte es dort leichter haben, wo es keinen nennenswerten Journalismus mehr gibt — Überschrift des Leitartikels zu DuMont: »Pressedämmerung«. Vor diesem Hintergrund wirkt die eilig nachgeschobene Erklärung der DuMont-Erben und Aufsichtsratsvorsitzenden Isabelle Neven DuMont und Christian DuMont Schütte besonders gleichgültig: Man prüfe derzeit lediglich »alle strategischen Optionen — ergebnisoffen und aus einer Position unternehmerischen Verantwortungsbewusstseins«. Man bedaure, dass »Irritationen« entstanden seien. Bedauern statt Dementi. Oder auch: »Bullshit-Bingo«, wie die taz diesen Business-Phrasen-Auflauf nannte.
Möglicherweise ist die mittlerweile zwölfte DuMont-Generation, die das Verlagshaus führt, einfach erschöpft und aufgerieben zwischen digitaler Zukunft und einer Vergangenheit, die zu lange geprägt war durch den Alleinherrscher Alfred Neven DuMont, der keine Korrektive in seinem Umfeld zuließ und beratungsresistent am Ende den Überblick und viel Geld mit verlustreichen Einkäufen wie dem der Frankfurter Rundschau 2006 und der Berliner Zeitung 2009 verlor. Und der viel Zeit verstreichen ließ mit einer unglücklichen Erbfolgeregelung: Neven DuMont setzte zunächst auf seinen dafür weniger begabten Sohn Konstantin, den er dann 2010 unter possenhaften Umständen des großen Verlags-hauses an der Amsterdamer Straße verwies. Eine kölsche Tragödie für den vor vier Jahren gestorbenen Patriarchen, der Schauspieler hatte werden wollen und dem sein langjähriger Aufsichtsrat Hans-Werner Kilz noch in seiner Trauerrede »despotische Züge« attestierte.
In den vergangenen zehn Jahren verloren die DuMontschen Blätter 43,5 Prozent der bezahlten Auflage, der Express schrumpfte sogar um 57,1 Prozent. Im gleichen Zeitraum verloren die anderen deutschen Zeitungen im Durchschnitt 36,2 Prozent. Angesichts dieser Zahlen müssten die DuMont-Erben annähernd auf Ramschniveau verkaufen, um fortan Geld auf ihren anderen Geschäftsfeldern zu verdienen. Noch weist die Homepage drei Geschäftsfelder aus: Regionalmedien, Business Information und Marketing Technology. Wenn das erstgenannte Feld aufgegeben wird, wäre das eine historische Zäsur: Es wäre das erste Mal in der Geschichte des Verlegertums in Deutschland, dass sich ein Verlag von seinem Kerngeschäft trennt. DuMont habe Karneval sehr ausgelassen gefeiert, berichten Mitarbeiter, das Unternehmen habe sich nicht lumpen lassen und noch üppiger als sonst aufgetischt. Als Familienunternehmen mit jahrhundertealter verlegerischer Tradition vielleicht ein letztes Mahl.