Relaunch, now?
Der Streit war überfällig und also zu begrüßen. Kölns Theaterszene, die städtische wie die Freie – das beweist jeder suchende Blick in ein ordentliches Feuilleton oder Fachmagazin – ist überregional seit langem so gut wie inexistent. Woran liegt das? Nicht zuletzt ist es eine Frage der Strukturen. So herrscht zum Beispiel großer Mangel an nationalen und internationalen Gastspielen auf anerkanntem Niveau. Gerade was die Freie Szene angeht, belegt das der Blick auf andere Städte: Frankfurt hat den Mousonturm, Berlin die Sophiensäle, Düsseldorf das Forum Freies Theater, um nur einige Gastspielinstitutionen mit überregionaler Ausstrahlung zu nennen. Es ist offensichtlich, dass in Köln eine solche Spielstätte fehlt, ebenso wie der zugehörige ästhetische Diskurs.
Barbara Büscher ist Mitglied des neu gewählten Theaterbeirats. Neben dem Gastspielmangel ist für sie auffällig, dass gewisse Publikumsgruppen in Köln nur versprengt existieren. Auch hier sieht sie Nachholbedarf: »Wenn ich daran denke, was sich in der Galerienszene tut in Köln, etwa April in Parking Meters oder Schnitt – da gibt es Personengruppen, die sich nicht nur für Bildende Kunst im engeren Sinne interessieren, sondern auch für Performance. Ich denke, hier könnte man ein anderes Publikum gewinnen«, sagt die Theater- und Medienwissenschaftlerin.
Damit wären einige Punkte aus dem
Miserenkatalog benannt. Der gewichtigste aber fehlt: das Rathaus. Die Fördersummen, die diese Stadt für das freie Theater bereithält, sind armselig: Im Haushaltsjahr 2001 waren es 1,03 Millionen Euro. Dass dies ein lachhafter Betrag ist, führt der Städtevergleich vor Augen. Kommunen, die nur halb so groß sind wie Köln, hielten bereits 1999 ein Vielfaches an Mitteln bereit: Frankfurt am Main bezuschusste seine Freien Theater mit rund 4,5 Millionen und Stuttgart die seinen sogar mit rund 6,4 Millionen Euro. Grund genug also, vor allen anderen die Politik zu befragen, wie lange sie noch gedenkt, die Theaterarbeit in der allzu gern »Kunstmetropole« genannten Stadt mit Füßen zu treten.
Bei so viel Misere war Kur von Nöten. Mit dem neuen Förderkonzept wollen Politik und Verwaltung die strauchelnde Freie Szene strukturell und künstlerisch reanimieren. Dass auch in den Theatern selbst seit längerem Unzufriedenheit herrscht, bewies zuletzt eine Befragung, die das Kulturamt durchführte. Viele MacherInnen forderten eine Neuordnung der Förderkriterien für die Vergabe der beiden städtischen Mittelpakete »Bezuschussung von Betriebskosten« – über sie entschied bisher der Rat – und »Förderung einzelner Projekte«, die der Theaterbeirat empfehlen konnte. Neben neuen Kriterien verlangten weite Teile der Szene die Bildung eines unabhängigen Gremiums an Stelle des alten Beirats. Verständlich für Gisela Deckart, Theaterreferentin im Kulturamt und Mitglied im neuen wie im alten Beirat, schließlich »hat die Theaterkonferenz über Jahre immer die gleichen Leute in den Beirat gewählt«. Die Kölner Theaterkonferenz (TK) ist die Interessenvertretung der meisten Theater der Stadt.
Wie die Therapie durchzuführen sei, darum dreht sich jetzt die Debatte. Im Vergleich zu anderen Städten ist die Kölner Szene mit ihren rund 60 Theatern und Gruppen kleinteilig und vielfältig. Joe Knipp, Vorsitzender der TK, hält diese Struktur für schützenswert: »Die Theaterszene hier hat sich organisch entwickelt, und mit solchen Entwicklungen muss sensibel umgegangen werden. Solange wir kein Geld haben, müssen wir dafür sorgen, dass nicht einige den Todesstoß versetzt bekommen«, kommentiert Knipp die bevorstehenden Änderungen. Doch die Entwicklung der Szene wurde durch die besondere Methodik der alten Förderung erst möglich: Theaterhäuser mit eigener Spielstätte, denen ein Mal Betriebskostenzuschüsse bewilligt wurden (und nur solchen, nicht den Freien Gruppen standen diese zu), erhielten die Förderung auch in den folgenden Jahren – ohne weitere Überprüfung der künstlerischen Leistung oder Platzauslastung, wie Gisela Deckart bestätigt. Hinzu kommt, dass der Beirat sich zum Teil aus Vertretern der bezuschussten Häuser zusammen setzte, die wiederum als Gastspielorte für bestimmte Gruppen fungierten. Es gab also keine unabhängige Mittelvergabe.
Auf Basis dieser Gemengelage (und notorischer Personalprobleme) entwickelte sich eine Szene, die sich auf einem miserablen, aber garantierten finanziellen Niveau irgendwie durch ihre gute und weniger gute Theaterarbeit wursteln musste. Das neue Förderkonzept, vom Rat im Grundsatz bereits verabschiedet, setzt nun auf Steuerung durch Qualitätskriterien und will eine Förderung anhand kulturpolitischer Leitlinien etablieren. Dass diese Maßnahme auch viel mit Außenwirkung à la »Köln-Profil« zu tun hat, ändert nichts an ihrer inhaltlichen Richtigkeit. Ein wichtiger Bestandteil ist die Konzentration der Mittel: Ab sofort soll es um Spitzenförderung gehen – und zwar anhand formalästhetischer Kriterien im Rahmen einer Förderungsgarantie von bis zu 4 Jahren.
Ebenso zentral ist die Neubestallung des Theaterbeirats. Die neue Jury besteht wie bislang aus sieben Mitgliedern, allerdings wurden vier davon vom Kulturamt benannt, nur die restlichen drei seitens der Kölner Theater. Vier der Neuen bringen außerdem einen externen Blick mit, neben Barbara Büscher zum Beispiel auch Jürgen Fischer, Projektleiter des Theaterfestivals Ruhr. Der Jury unterliegt jetzt sowohl die Empfehlung dessen, was bisher Betriebskostenförderung hieß, als auch die Förderung einzelner Projekte . Für diese stehen 25 Prozent des Gesamtetats von 1,03 Millionen Euro zur Verfügung, 75 Prozent gehen an zehn ausgewählte Theaterhäuser und freie Gruppen aufgrund ihrer langfristigen künstlerischen und wirtschaftlichen Konzeptionen. Ab sofort genießen also auch Freie Gruppen eine langfristige Förderung – eine sinnvolle Entscheidung, wenn man sich ansieht, wer in Köln Theater nach überregional anerkannten Maßstäben macht.
Während die Beschlüsse zur Projektförderung noch ausstehen, hat der Beirat über die Konzeptionsförderung im Dezember entschieden: Nur noch sechs Häuser sollen Gelder erhalten (Ömmes&Oimel in der Comedia, Freies Werkstatt Theater, Studiobühne, Keller- und Bauturm-Theater und Arkadas als Gastspielstätte mit ethnischem Schwerpunkt), aber eben auch vier Freie Gruppen (Angie Hiesl, c.t.201, In-Teata, Rose-Theegarten-Ensemble). Diese Auswahl scheint unter Berücksichtigung der finanziellen Beschränkung und des Auftrags der Veränderung ausgewogen und sinnvoll – was die Einbeziehung bestehender Strukturen und die Auswahl nach Qualitätsstandards betrifft. Trotzdem sollten bestimmte Entscheidungen einer Diskussion offen bleiben. Etwa die umstrittene Empfehlung an Bauturm und Keller, eine Fusion ihrer Häuser zu prüfen. Auch die TK und das Horizont Theater haben das Votum bereits heftig kritisiert. Beim Horizont missbilligt man die »Auswahl eines einzigen Kinder- und Jugendtheaters«, obwohl der Beirat die Förderung dieser Sparte zum Schwerpunkt erklärt hat. Und Joe Knipp glaubt, dass »es mehr als zehn gute Theater in Köln gibt. Der Beirat kann ja seinen eigenen Kriterien nicht treu bleiben. Im Konzept steht: Innovation ja, Imitation von Stadtheater nein. Die Liste ist in dieser Hinsicht aber inkonsequent. Ich möchte da gar keine Namen nennen. Vielmehr ist eine Grundsatzentscheidung nötig: Das Förderkonzept ist angesichts des fehlenden Geldes absurd geworden und muss zumindest ausgesetzt werden.« Für die Jurorin Barbara Büscher hingegen kann das Votum »nur ein Anfang sein, weil der Projektförderungsetat viel zu niedrig ist, um das zu leisten, was wir wollten, nämlich Neuartiges fördern. Sollte jetzt auch noch die von der Stadt geplante 25-prozentige Kürzung des Etats erfolgen, wird der Beirat wie angekündigt zurück treten.«
Viel ist jetzt von »Dilemma« die Rede. Der Beirat wird auf Grund des Sparkurses der Stadt notwendig zum Exekutor. Diese Radikalität der Reform kann der TK als Vertretung der Kölner Theater nicht schmecken. Fest steht aber, dass das Freie Theater in Köln wählen muss: weiter wie bisher – oder Reform. Die Weichen sind gestellt.
Die Verabschiedung des Beiratsvotums im Kulturausschuss war für den 22. Januar terminiert, nach Redaktionschluss der StadtRevue. Weitere Entscheidungen hängen von den Haushaltsbeschlüssen im Frühjahr ab.