Miethaie zu Fischstäbchen
»Ich hätte mir nie träumen lassen, dass uns die Wohnungsnot in Köln noch einmal so einholen würde«, sagt Innenstadtbürgermeister Andreas Hupke (Grüne), wenige Tage, bevor in Köln am 6. April rund 3000 Menschen gegen den »Mietenwahnsinn« auf die Straße gehen. Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und die Initiative »Recht auf Stadt« hatten dazu aufgerufen. Es war die bisher größte Demonstration in NRW für mehr bezahlbare Wohnungen.
Köln hat ebenso wie andere Großstädte in Deutschland mit steigenden Mieten und zu knappem Wohnraum zu kämpfen. Nicht nur Geringverdiener, auch weite Teile der Mittelschicht können sich eine Wohnung in der Stadt kaum noch leisten. Andreas Hupke sieht ein Problem in der Zweckentfremdung von Wohnungen: »Airbnb hat fast die komplette Innenstadt bevölkert.« Zudem würden Eigentümer wegen angeblichen Eigenbedarfs kündigen, wobei die Wohnungen dann teuer saniert und oftmals zum doppelten Preis wieder auf den Markt kämen.
Hupke und die Demo-Veranstalter klagen, dass die Politik zu wenig für den Mieterschutz unternehme — und dass seit Jahren zu wenig erschwingliche Wohnungen gebaut werden. Nur noch sieben Prozent der Wohnungen in Köln sind öffentlich gefördert, obwohl etwa jeder zweite Kölner Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein hätte. Und die Zahl der Sozialwohnungen sinkt weiter. Dabei hat die Kölner Politik in den vergangenen Jahren schon einiges versucht, um deren Zahl zu erhöhen. Das kooperative Baulandmodell etwa schreibt seit 2014 Bauherren vor, dass sie bei größeren Neubauprojekten 30 Prozent als öffentlich geförderte Wohnungen ausweisen müssen. Doch häufig gibt es Ausnahmen von dieser Regelung, zudem reicht die Quote nicht mehr, findet Franz-Xaver Corneth, Vorsitzender des Kölner Mietervereins. »Wir brauchen inzwischen 50 Prozent. Jedes Jahr müssen in Köln 2000 neue Sozialwohnungen entstehen, um die Wohnungsnot spürbar zu lindern.«
Auch in Köln stehen viele Aktivisten dem Begehren einer Berliner Initiative mit Sympathie gegenüber, große Wohnungsbaugesellschaften wie Deutsche Wohnen oder Vonovia zu enteignen. Selbst der Vorsitzende des Kölner Mietervereins Franz-Xaver Corneth hat Verständnis dafür, »dass die Menschen in Berlin Enteignungen fordern«. Hierbei handle es sich nicht um eine linke, sondern eine christlich-soziale Idee, sagt Corneth, der auch im Bundesvorstand der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) sitzt. »Vergesellschaftungen gegen Entschädigung — dieser Gedanke stand auch mal im Programm der CDU.« Angemessen sei das aber nur, wenn ein Markt aus den Fugen geraten sei wie in Berlin. In Köln sei das nicht der Fall. »Aber wir sind auf dem Weg dahin.«
Die Stadt selbst meldete Ende März, dass im vergangenen Jahr fast 4.000 neue Wohnungen fertiggestellt worden seien. Das sei »das zweitbeste Ergebnis seit 18 Jahren«. Im Kölner Wohnbündnis haben Stadt, Wohnungswirtschaft und Wohnungsverbände vereinbart, dass jährlich 6.000 Wohnungen gebaut werden sollen. Die neue Statistik zeige, dass man sich »eine realistische Zielmarke« vorgenommen habe, so OB Henriette Reker. Wenige Wochen später verweist die Stadt jedoch auf eine Untersuchung des Gutachterausschusses für Grundstückswerte, einem von der Stadt unabhängigen Gremium, wonach der Grundstücksmarkt in Köln leergefegt sei. Kann also gar nicht mehr gebaut werden, weil die Flächen fehlen? »Unsinn«, sagt Corneth vom Mieterverein. In Rondorf-West, Porz-Wahn oder auch Mülheim gebe es Dutzende Hektar Grundstücke. »Sie haben nur keine Baureife. Hier ist das schnelle Handeln der Verwaltung gefragt.«
Auch Jochen Ott, ehemaliger Kölner SPD-Chef und stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Landtag, sagt: »Köln hat genug Flächen. Die Politik muss endlich liefern.« Die Forderung nach Enteignungen hält er für ein Ablenkungsmanöver. »Diese Diskussion kann den Politikern von CDU und Grünen nur recht sein, weil dann weniger von ihren Versäumnissen gesprochen wird.«
Ott lässt an der Wohnungspolitik unter Ex-OB Fritz Schramma (CDU) kein gutes Haar. Sozialer Wohnungsbau habe bei den Konservativen als asozial gegolten, zum Teil tue er das heute noch. Zudem seien geplante Bauprojekte häufig am Veto der Politik gescheitert — wenn nicht von der CDU, dann von den Grünen. Im Grünzug West in Weiden etwa habe ein Investor 500 Wohnungen bauen wollen, so Ott. »Aber das wollte die CDU ihren Wählern in Lindenthal nicht zumuten.« Die Grünen wiederum argumentierten mit Umweltschutz, obwohl doch dort ein Gartencenter stehe und die Fläche ohnehin versiegelt sei.
Im Grüngürtel in der Nähe des Fernsehturms will ein Investor ab 2020 ein neues Hochhaus errichten, das »Parkview Cologne«. Öffentlich geförderte Wohnungen wird es darin aber nicht geben, für diese wird stattdessen ein Nebengebäude errichtet. Laut Landesbauordnung wird der Bau von Sozialwohnungen nur in maximal siebengeschossigen Häusern gefördert. »Wenn gewisse Menschen das Wort Hochhaus hören, denken sie sofort, man will Chorweiler wieder aufbauen«, so Ott. Es werde immer so viel von gemischten Quartieren geredet. »Aber in Wahrheit ist Mischung gar nicht gewollt.«