Catwalk für Normalos
»Eigentlich widersteht die Stadtrevue gern mal den Modetrends. Da wirkt es vielleicht etwas merkwürdig, dass sie seit elf Jahren das Fashion-Festival Le Bloc veranstaltet. Und das auch noch direkt vor der Haustür, mitten im Belgischen Viertel. Vermutlich wirken wir wie die letzten Überbleibsel einer Zeit, in der man hier noch keine Kaltmieten von 14 Euro pro Quadratmeter verlangen konnte. Mein eigener Modestil wäre wohl mit Normcore am besten beschrieben: mittelprächtig sitzende Jeans, schluffige T-Shirts und Sneakers von der Stange.
Das Schöne an Le Bloc ist aber, dass ich damit überhaupt nicht auffalle. Denn was die Stadtrevue zusammen mit den vielen Boutiquen und Modedesignern rund um den Brüsseler Platz als Fashion-Festival konzipiert, hat sich zu einer großen Nachbarschaftsparty entwickelt. Die Straßen im Belgischen Viertel zeigen sich von ihrer besten Seite: Sie sind autofrei. Deshalb kann man dort DJ-Sets und Breakdance-Wettbewerbe veranstalten oder einfach auf dem Bürgersteig sitzen und Eis essen.
Mode anschauen kann man auch, schließlich zeigen die Designer*innen aus dem Belgischen Viertel ihre neuen Kollektionen in ihren Boutiquen. Und auch an die klassischen Fashion-Events hat das Organisationsteam gedacht, etwa den Catwalk auf dem Schulhof an der Antwerpener Straße. Aber wo die Modebranche sofort ihrer eigenen Toleranz applaudiert, sobald ein Model mal keine Idealmaße hat, war die Vielfalt von Körperformen bei Le Bloc von Anfang an Programm.
Und diese Vielfalt zeigt sich auch bei den Besucher*innen. Das Festival ist kein Ort für Angeber*innen, sondern für Leute, die Lust am Stil haben. Wer am Le-Bloc-Samstag durch das Belgische Viertel geht, entdeckt diese Lust in vielen Formen. Es gibt diejenigen, die Mode als Identitätsentwurf begreifen und in Drag über die Straßen flanieren. Es gibt die wohlsituierten Distinktionsbewussten, die ihr Einkommen in limitierte Designerkleidung investieren, und diejenigen, die mehr Zeit als Geld haben und diese am liebsten damit verbringen, nach möglichst kostengünstigen Vintage-Klamotten zu stöbern. Und alle gehen irgendwann zum Designer-Markt ins Parkhaus, um dort noch das besondere Accessoire für ihr Outfit zu finden — selbst ich. Wenn am 1. Juni jemand mit ausgebeulter Jeans und ausgewaschenem T-Shirt im Belgischen Viertel rumsteht, kann man die Person ruhig ansprechen. Sie könnte eine von uns sein.«
Sa 1.6., Belgisches Viertel, ab 12 Uhr