Bildschirmoase

Der Kölner S-Bahn-Ring soll zum Park werden.



In Köln wird viel geträumt und wenig gehandelt »Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen«, hat Deutschlands ­ewiger Kanzler Helmut Schmidt einmal gesagt. Das ist selbstverständlich ein schlechter Rat. Dafür muss man nicht einmal mein grundsätzliches Misstrauen gegen Mentholzigarettenraucher ­teilen. Denn wer Visionen hat, dem kann nicht beim Arzt, sondern viel besser bei einem anderen Spezialisten für bildgebende Verfahren geholfen werden: dem Computergrafiker.

 


So hat es zumindest der Kölner Architekt Paul Böhm erfolgreich praktiziert. Große, bunte Bilder, sogenannte Renderings, der ­Kölner S-Bahn-Gleise sind dabei entstanden. Wo heute Gleis­schotter und leere Kaffeebecher die Szenerie prägen, flanieren Menschen über großzügige Wiesenflächen, umgeben von blatt­gewaltigem Baumwerk und verzückt umherfliegenden Vögeln:
ein Arkadien von der Hohenzollernbrücke bis zum Hansaring, in Szene gesetzt auf den Seiten des »Kölner Stadt-Anzeigers«.

 


Aber wo sind die Züge, die heute quietschend über die Gleise am Eigelstein schleifen? Böhm hat sie unter die Erde verlegt, in einen mindestens drei Kilometer langen Tunnel, der von Deutz bis zum Mediapark reicht. Der Hauptbahnhof, der damit seine Sekundärfunktion als Zugverkehrsknotenpunkt an einen neuen Hauptbahnhof im Rechtsrheinischen verliert, kann seine Primärfunktion als ­Einkaufszentrum weiter ausüben, allerdings unter der Erde und angereichert um »Kunst und Kultur«.  Angeblich kann OB Reker den Plänen »viel abgewinnen«. Sie habe die Pläne schon bei der Deutschen Bahn vorgestellt. Die sei skeptisch, hört man, aber vielleicht ändert sie ja ihre ­Meinung noch: die Umsetzung soll 20 bis 30 Jahre dauern. »Das werde ich nicht mehr erleben«, sagt Architekt Paul Böhm.  

 


Das Gefühl kenne ich — von einem anderen Projekt, bei dem Stadt und Deutsche Bahn zusammen etwas planen. An der Nordseite der Hohenzollernbrücke soll eine Rampe für Fahrradfahrer entstehen. Bislang muss man am Hauptbahnhof absteigen und eine Art Regen­rinne herunterschieben. 2016 hat der Verkehrsausschuss den Umbau beschlossen, bis heute ist keine Schraube dafür auch nur einen Zentimeter gedreht worden. Der Grund: Stadt und Bahn ­werden sich nicht einig.

 


Aber so ist das halt mit den Visionen. Manche träumen von grünen Oasen auf S-Bahn-Gleisen. Der Rest hält es für einen Traum, wenn man bei der Rheinquerung nicht vom Rad steigen müsste.