Erntereif oder Altlast? Zucchini im Flora e.V., Foto: Dörthe Boxberg

Alles neu macht das Blei

Nach dem Spielplatz am Rathenauplatz sind jetzt Kleingärten in Nippes von Altlasten betroffen

 

Ein kühler Sommerwind lässt die Blätter der Bäume in der Gartenkolonie Flora e.V. in Nippes rascheln. Wer heute kommt, um die letzten Himbeeren zu ernten, sollte sich einen warmen Pullover mitnehmen. Und die Beeren dann erst einmal zur Seite legen? Zwischen Oktober 2018 und April 2019 hat die Stadt in einem Gebiet des Kleingartenvereins Bodenproben entnommen. Das Ergebnis: In insgesamt sechs Gärten sind die Grenzwerte für Blei und dem krebserregenden Stoff Benzo(a)pyren, der etwa in Teer enthalten ist, überschritten.

 


Solche Bodenkontaminationen rühren von früheren Gruben, die Betriebe oder Fabriken zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Schutt auffüllten. Laut dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz ist Nordrhein-Westfalen als eine der ältesten deutschen Industrieregionen »in besonderem Maße« von solchen Altlasten betroffen. Auch die Stadt Köln führt seit 1985 ein Kataster, in dem rund 760 Altlasten und altlastenverdächtige Flächen im gesamten Stadtgebiet registriert sind. Zuletzt wurden im April diesen Jahres Grenzwertüberschreitungen von Blei auf den Spielplätzen am Rathenauplatz festgestellt.

 


»Als Quelle für das Kataster dienen historische Karten«, sagt Heidi Kube vom städtischen Grünflächenamt. Im Kleingartenverein Flora e.V. habe etwa eine frühere Grube, die auf einer Karte von 1895 verzeichnet sei, auf eine altlastenverdächtige Fläche hingewiesen — auch, weil sie auf dem geographischem Material, das um 1900 angefertigt wurden, nicht mehr vermerkt gewesen sei. Zudem hat die Stadt in den Neunziger Jahren eine historische Adressbuchrecherche betrieben, um bis dahin unbekannte ehemalige Betriebe und Fabriken ausfindig zu machen und deren Gebiete im Verdachtsfall zu prüfen. Saniert würden dann zunächst »sensible Flächen«, sagt Heidi Kube, etwa Kindergärten, Spielplätze und eben Kleingartenanlagen.

 


»Die Stadt hat sich von Anfang an sehr transparent gezeigt«, sagt Daniel Grothe, Vorsitzender von Flora e.V. in Nippes. Auf einer Veranstaltung Ende April seien die betroffenen Pächter umfassend informiert worden, zudem würden ab dem 29. Juli weitere Bodenproben entnommen werden, um auch die Gärten im Umfeld auf Altlasten zu untersuchen. »Eine reine Vorsichtsmaßnahme«, sagt Heidi Kube. Bislang deute nichts darauf hin, dass weitere Altlasten vorhandenseien. Ob der Boden der betroffenen Gärten dann ausgetauscht werden müsse, dazu will sich die Stadt bislang nicht äußern. »Eine genaue Einzelfallprüfung«, sagt Kube, stehe noch aus.

 


Doch die Stadt rät zur Vorsicht: Gemüse solle man in den betroffenen Gärten nur noch in Hochbeeten anpflanzen und den Hautkontakt mit der Erde vermeiden. »Von Seiten des Gesundheitsamtes wurde uns versichert, dass dies bloß Empfehlungen sind«, sagt Daniel Grothe vom Flora e.V. Denn sowohl Blei als auch Benzo(a)pyren seien schwer wasserlöslich. Eine Kontaminierung etwa von Wurzelgemüse sei höchst unwahrscheinlich.

 


Auch auf dem Rathenauplatz ist man nach der Unruhe der vergangenen Monate zum Gärtnern übergegangen. Die Schilder, die hier bis vor kurzem noch die beiden Spielplätze auswiesen, wurden entfernt. Der Platz wurde stattdessen seit April als »erster essbarer Platz« der Stadt ausgezeichnet. Eine Initiative pflanzte zwei Apfelbäume und 15 Beerensträucher. Doch Klaus Adrian, Vorsitzender der Bürgervereinigung Rathenauplatz, ist skeptisch: »Die Stadt hätte uns früher und umfassender über die Folgen der Bodenverunreinigung informieren müssen.« Ab wann Kinder hier wieder im Sand buddeln könnten, bleibt unklar.