Mein persönlicher Weltraum

Im neuen Kolumba-Museum haben zwischen Weltstars auch

Kölner Künstler Platz: Monika Bartholomés »Kosmos Persona­lis« ist jetzt erstmals zu sehen

Die Arbeit lädt ein zur stillen Kontemplation, aber auch ein Museumsbesuch am beliebten Sonntag hat seinen Reiz. Nachmittags füllt die typische Mischung aus vereinten Kleinfamilien, angereistem Fachpublikum und kulturbeflissenen älteren Damen die Räume, und die Kaffee-und-Kuchen-Laune macht unvorsichtig. Deshalb kann man Gespräche belauschen wie das der beiden Damen, die etwas schwer atmend die lange enge Treppe im Zumthorbau hochgestiegen sind, im ersten Stock ­einen Blick auf den holzgeschnitzten Schmerzens­mann vor den »Cros­ses« von Andy Warhol geworfen haben und dann rechts abgebogen sind in ein kleines Kabinett. Jetzt stehen sie vor 185 kleinen Bilderrahmen: »Verstehst Du das Käthe? Hier steht »Zwiesprache«, und dann ist da das Foto von dem Kind, gut, aber hier oben, jetzt guck doch mal, ein Autositz!« Empörter: »Ver­stehe ich nicht, unter welchem Gesichtspunkt das zusammengestellt ist.« Die ­Freun­­din kann auch nicht helfen, und vermutlich hilft hier sowieso nicht ­re­den, sondern sehen, sehen, sehen.

Monika Bartholomé hätte vermutlich Freude an den Gesprächen, die ihr »Kosmos Personalis« auslöst. Die 1950 am Niederrhein geborene Künstlerin hat sich bewusst entschieden, die 185 Einzelstücke in der Präsentation nicht mit Jahreszahlen, Orts- oder Quellenangaben zu versehen. Was man erklärt bekommt, kann man nicht selber entdecken. Eigene Ent­deckungen sind produktiver, weil sie sich verbinden mit eigener Erfahrung, eigenen Bildern, Erinnerungen, Gedanken. Wie bei den beiden Mittdreißi­gern, die durch ihre Retro-Brillen auf eine reduzierte Schwarz-weiß-Zeichnung schauen: »Könnte auch ein Plattencover von Brian Eno sein.« Jeder geht in diesem Bilderuniversum seinen Assoziationen nach. Richtig spannend wird es erst, wenn man sich darauf einlässt, dem Blick der Künstlerin zu folgen und einsteigt in eine fremde, aber nicht hermetische Welt.

»Kosmos Personalis« besteht aus Arbeiten und Fundstücken aus fast fünfzig Jahren: Fotos, Zeitungsausschnitte, Kopien, Tusche-, Tempera- und Bleistiftzeichnungen, Aquarelle, bemalte Objekte und Textzeilen. Jedes Teil ist individuell gerahmt, gehängt in losen Reihen und Gruppen füllt das visuelle Archiv gut 18 Meter Wand. »1957-2002« lautet die einzige Jahresangabe – 1957, da muss Bartholomé sieben Jahre alt gewesen sein (welches Stück mag das sein?), und 2002 entdeckten die Kuratoren von Kolumba bei einem Atelierbesuch den »Kosmos Personalis«. Im gleichen Jahr wanderte er nach dem Ankauf ins Museumsdepot.

Jetzt hängt die Arbeit in der Eröffnungsausstellung, und Bartholomé erzählt. »Für mich steht Kosmos Personalis stellvertretend für die Sehweise eines Menschen. Alles was ich wahrnehme – nicht nur sehe –, verbinde ich mit dem, was schon in mir ist. Mein Blick fällt ja auf das, was sich mit etwas verknüpfen kann.« Es geht bei der hier ausgestellten »persönlichen Welt« nicht um biografischen Exhibitionismus, eher ist es eine Studie über Wahrnehmung. Darüber, wie sich Beziehungen herstellen, wie sich Dinge verknüpfen, wenn unser Blick plötzlich auf etwas Bestimmtes fällt, wie sich aus solchen Wahr­nehmungen für uns Wirklichkeit konstituiert. Mit »Kosmos Personalis« hat Bartholomé eine künstlerische Form gefunden, die diesem Prozess entspricht: Eine asso­ziative Ordnung von Nähe und Ferne und Verwandtschaft, ein Ne­beneinander, in dem Vergangenes und Gegenwärtiges präsent ist.

Schließlich entdeckt man Bezüge, thematische und formale Korrespondenzen, kunsthistori­sche Anspielungen. Da ist etwa die Gruppe von Rückenansichten – das schwarz-weiß-Foto von einem Mann am Meer, der Blick in eine Stierkampfarena, als stünden wir hinter dem Rücken des Torrero –, ein Rückgriff auf eine beliebte Methode der Romantik. Wer sich in Bartholomés Werk auskennt, hat Vorteile: Er entdeckt auf Fotos die Tänzerin Nadia Kevan, mit der sie seit 1987 Performances entwickelt hat; ihre installativen »Raumzeichnun­gen«; die winzigen »Stillen Anwesenden«, die in vergangenen Ausstellungen als schwarze Miniskulptu­ren Räume besiedelten, und immer so fort. Wie in jedem Kosmos gibt es auch in Bartholomés Weltraum kein Anfang und Ende.

Dass diese Arbeit jetzt in Kolumba hängt, ist aus mehreren Gründen ein Glück. Nicht nur die Präsentation in dem Kabinett – zusammen mit Arbeiten von Leiko Ikemura – ist gelungen, im Gesamtkontext des Museums ist es eine starke Aussage: Hier beharrt jemand auf seinem ganz persönlichen Dasein, verteidigt seine Wahrnehmungsweise und Existenz gegen alle Zurichtungen. Zudem erinnert es daran, dass Kolumba auch systematisch immer wieder Werke von Kölner Künstlern ankauft, und zwar gleich ganze Konvolute: von Monika Bartholomé bis heute gut 500 Werke, aber auch Stephan Baumkötter, Peter Tollens, Marcel Odenbach, Birgit Antoni oder Dorothee Joachim sind in der Sammlung vertreten. Zuletzt ist es ein Glück für die Künstlerin: »Ich fühle mich an dem Ort wohl. Weil es um Kunst geht. Für mich geht es da in erster Linie um Kunst, und nicht um Religion, oder Wirt­schaft, oder Kunstmarkt.«


Kolumba, Kolumbastr. 4, tägl. 12-17 Uhr, dienstags geschlossen.