Die Rückkehr des Raums

Robert Zemeckis’ »Die Legende von Beowulf« soll das Kino im runderneuerten 3D-Format revolutionieren – ein Rückblick auf hundert Jahre räumliches Sehen

Die Wunderkinder des New Hollywood haben das Kino Ende der 70er Jahre bereits einmal umgekrempelt, nun wollen sie es im reifen Alter aus der Krise in eine glorreiche Zukunft führen. Die erste Revolution zettelten George Lucas und Steven Spielberg mit dem Blockbuster-Kino an. Die zweite soll mit dem runderneuerten dreidimensionalen Film die Wiedergeburt einer im Grunde bereits als Jahrmarktsattraktion abgehakten Technik bringen.

Während Spielberg noch auf ein Patent wartet, das die ­Spezialbrillen entbehrlich macht, lässt Lucas seine »Krieg der Sterne«-Hexalogie bereits für digitale Dop­pelprojektoren und Shutterbrillen konvertieren. Allerdings gibt es in Deutschland gerade ­ein­­mal 25 Kinos, die moderne 3D-Filme zeigen können, dazu gehört die Black Box im Kölner Cinedom. Der Testlauf der Re­volution wird deshalb in Ame­rika stattfinden, wo der Zau­ber­­lehr­ling Robert Zemeckis (»Forrest Gump«) zeitgleich zum Deutschland-Start das Fantasy-Abenteuer »Die Legende von Beo­wulf« ­herausbringt – und zwar so­wohl in zwei als auch in drei Dimen­sionen.

Selbst in seiner Blütezeit haftete dem 3D-Film etwas Anrüchiges an

Sonderlich vermisst wur­de das räumliche Sehen in der Filmgeschichte bislang zwar nicht, aber es gab stets Versuche, es als neuen Standard zu etablieren. Bereits am ersten 3D-Patent des ­britischen Filmpioniers William Friese-Greene (von ca. 1895) lassen sich die bis heute gültigen Probleme des dreidimensionalen Sehens im Kino ablesen: Dieselbe Handlung muss zwei Mal auf die Leinwand projiziert werden, und der Zuschauer benötigt eine die Augen überlistende Sehhilfe.

Filmproduzenten und Kinobetreiber waren sich deshalb schnell darüber einig, dass 3D zu teuer, zu umständlich und zu ­störungsanfällig ist. An dieser Einschätzung hatte sich im Grunde auch ein halbes Jahrhundert später nichts geändert, doch zu Beginn der 50er Jahre suchte Hollywood händeringend nach einer Antwort auf den Siegeszug des Fernsehens – und fand sie im räumlichen Sehen.

Die Jahre 1952-1955 gel­ten heute als die goldene Ära des 3D-Films. In diesem knappen Zeitraum brachten die großen Studios für etwa fünfzig Filme auch stereoskopische Versionen heraus, wobei sich die auf bo­den­ständige Attraktionen spezialisier­ten Studios besonders hervorta­ten. Aufwändige Ausstattungs­stücke wie das MGM-Musical »Kiss Me Kate« oder der John Wayne-Western »Hondo« blieben eher die Ausnahme, Vincent Price-Vehikel (»House of Wax«, »Son of Sindbad«) und Monsterfilme (»It Came from Outer Space«, »Creature from the Black Lagoon«) die Regel. Selbst in seiner Blütezeit haftete dem 3D-Film stets etwas Anrüchiges an – wie einem Schausteller, der in den Tempeln der Kunst einen Flohzirkus installiert. Kein Wunder, dass Alfred Hitchcock seine Geldgeber in »Dial M for Murder« mit ein paar schönen 3D-Effekten bei Laune hielt und das räumliche Sehen ansonsten eher sabotierte denn beförderte.

Das rasche Ende der gol­denen Zeit kam dann allerdings nicht in Form einer in Richtung Publikum geworfenen Torte (die drei Stooges hatten sich in drei­dimensionalem Slapstick versucht), sondern weil Hollywood mit dem Breitwandformat einen anderen Lebensretter gefunden hatte. Cinemascope ließ sich einfacher produzieren und vorführen als 3D, war auch in ästhetischer Hinsicht weitaus weniger problematisch und gewann das zum Fernsehen abgewanderte Publikum wieder zurück.

Hoffnung, dass die Leinwand lebendig wird

So verzweifelt die Studios zur 3D-Technik gegriffen hatten, so schnell ließen sie diese wieder fallen. Erst in den 70er Jahren erlebte das stereoskopische Kino wieder eine kleine Renaissance, und dieses Mal war gerade die subversive Jahrmarktsattrak­tion gefragt. Paul Morissey brachte 3D mit »Andy Warhols Frankenstein« in die Factory, den bis heute erfolgreichsten Raumfilm drehte jedoch Alf Silliman Jr. mit der Sexkomödie »The Stewar­des­ses«. Der Name des Regisseurs ist dabei so vielsagend wie die Wer­be­strategie: Die Produzenten hefteten sich ein selbstverliehenes X-Rated (»Nur für Erwachsene«) als Orden ans Revers und schmollten entsprechend, als die offizielle Aufsichtsbehörde den Film auch für Jugendliche freigab.

Die immer wieder aufs Neue genährte Hoffnung, dass die Leinwand mit 3D endlich lebendig wird, hat bislang oft ge­trogen. Das war zuletzt auch in Robert Rodriguez’ Kinderfilm »Die Abenteuer von Shark Boy und Lava Girl« nicht anders – ­allerdings setzte Rodriguez aus Kostengründen noch auf die alte Polarisationstechnik mit verschiedenfarbigen Farbfolien auf der Zuschauernase. Die wenigen schönen Effekte sind beinahe so farbstichig wie vor fünfzig Jahren und werden dramaturgisch ähnlich eingesetzt wie der Farbrausch im klassischen Musical: als Übergang in die Welt der Träume.

Der neuen 3D-Koalition um Lucas, Spielberg, Zemeckis und James Cameron geht es aber gerade um den durchgehend realistischen Eindruck auf der Leinwand. Das nötige Gewusst-wie ist ihnen dank enormer technischer Fortschritte zuzutrauen, die Frage ist, was sie uns darüber hinaus zu erzählen haben.


Die Legende von Beowulf (Beowulf) USA,
R: Robert Zemeckis, D: Ray Winstone, Crispin Glover, Angelina Jolie. Start: 15.11.