Privatisieren für den Stadthaushalt?
Mit der Ablehnung des Bürgerbegehrens gegen den Verkauf der städtischen Anteile an den Wohnungsbaugesellschaften GAG und Grubo durch eine knappe CDU/FDP/Republikaner-Mehrheit am 20. Dezember, hat der Streit im Kölner Rat einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Genau genommen lässt sich ein Bürgerbegehren allerdings gar nicht ablehnen, sondern nur formal beanstanden – gemäß des schulrhetorischen Kniffs, im Notfall die Zulässigkeit zu bezweifeln. Genau das ist auf Grundlage eines Gutachtens von Fritz Ossenbühl, einem bekannten Plebiszit-Gegner, geschehen. Ossenbühl macht fünf Punkte aus, in denen das Begehren gegen Vorschriften verstoße. Zentral ist die These, die in der Bürgerbefragung enthaltene Unterstellung, »Eigentum an den Mietwohnungen der GAG und Grubo GmbH« werde veräußert, sei irreführend, da juristisch gesehen nur Anteile an den beiden Gesellschaften veräußert würden. Mit dem Argument, dass dies für die 68.779 UnterzeichnerInnen (davon 55.015 als gültig anerkannte) dasselbe sei, stand die Opposition alleine.
Bürgerbegehren als Gefahr?
Das von der SPD bestellte Gegengutachten von Harald Hofmann gelangt Punkt für Punkt zum gegenteiligen Ergebnis. Die Entscheidung lässt sich also wohl nicht einfach von der politischen auf die juristische Ebene verlagern, denn ausschlaggebend sind auch hier die Prämissen. Für Ossenbühl stellen plebiszitäre Elemente eine Gefahr dar, ein »Einfallstor für demagogisch-manipulative Eingriffe in den Willensbildungsprozess«. Diese Sicht, bis zur Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft vor drei Jahren auch Konsens in der CDU, ist mit Blick auf die Weimarer Republik nicht einmal abwegig. Die große Zahl derjenigen, die hier unterzeichnet haben, stellt aber wohl kaum eine radikale Minderheit dar. SPD-Ratsherr Martin Börschel hält den Ratsbeschluss denn auch für »eindeutig rechtswidrig«.
Privatisieren für den Stadthaushalt
Ein weiteres Argument der CDU für den Verkauf ist die ansonsten fehlende Deckung des Stadthaushalts. Daher betonen auch die Grünen neben Sparvorschlägen (z.B. Nord-Süd-Fahrt-Deckelung verschieben), dass sie sich nicht grundsätzlich gegen Vermögensverzehr sperren. Bei der Privatisierung von städtischen Restaurants etwa sei der politische Gestaltungsspielraum kaum betroffen. Jedoch nehmen sie CDU- Fraktionschef Rolf Bietmann nicht ab, dass der Zustand der GAG-Wohnungen deren Verkauf erzwingt. »Das wirtschaftliche Potenzial zur Sanierung ist sehr wohl da«, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Barbara Moritz. Gegen die »Verscherbelung des Tafelsilbers« spricht sich auch Börschel aus, zumal schon weitere Privatisierungen (z.B. von Kliniken) geplant seien. Für ihn ist eine Konsolidierung nur über strukturelle Einsparungen möglich. Die CDU hält ihm jedoch eine lange Liste von Wohnungsverkäufen entgegen, die derzeit in SPD-regierten Kommunen stattfinden.
Der Streit geht vor Gericht
Ein Consulter soll nun die Verkaufsabwicklung übernehmen. Dafür ist am 20. Dezember eine außerplanmäßige Ausgabe von sechs Millionen Mark gebilligt worden. Gegen die Entscheidung des Rates, welche sich auf ein nicht neutrales Gutachten stütze, und gegen ihre Folgen haben die drei Initiatoren des Begehrens (zwei davon übrigens CDU-Mitglieder) Widerspruch eingelegt. Der Rat hat zudem seinerseits einen Formfehler begangen, da die Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens kein rechtliches Gehör erhielten. Über den Widerspruch muss der Rat selbst in der nächsten Sitzung am 31. Januar befinden. Eine neutrale Instanz stellt erst das Verwaltungsgericht dar: auch dort werde eine Klage eingereicht, erklärt der Geschäftsführer des Mietervereins, Hans Jürgen Oldiges.
Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen wie der SPD, Barbara Moritz und Norbert Rüther, haben flankierend den Regierungspräsidenten um eine Stellungnahme gebeten. Dieser darf allerdings einer gerichtlichen Entscheidung nicht vorgreifen. Moritz ist jedoch zuversichtlich, dass es schnell genug zu einem Verfahren kommt, bevor vollendete Tatsachen geschaffen sind. Erst bei einem Sieg vor Gericht steht der Bürgerentscheid an.
Die Bewohner der rund 42.500 betroffenen Wohnungen und ihre alarmierten Mieterräte können nur hoffen, dass bei einem Verkauf der ohnehin kaum über Normalniveau liegende Katalog an Schutzklauseln (etwa das Vorkaufsrecht) nicht weiter einschrumpft – wie es die FDP gerne hätte. Einen signifikanten Anstieg des Mietspiegels halten die Verkaufsgegner für sicher. Dass dann die oft schon heute durch Wohngeld finanzierten Wohnungen bedeutend mehr öffentliche Gelder verzehren, stellt Bietmanns schöne Rechnung langfristig in Frage. Alle Oppositionsparteien wollen nun »politisch aktiv« werden – was auch immer sie bisher waren. Die beschworenen Demonstrationen fielen allerdings eher kümmerlich aus, in den Worten des FDP-Fraktionsvorsitzenden Ralph Sterck: »Alles Pipikram«.