Schwarzlicht
Eine Schießerei, ein Kuss, eine Kampfsportchoreografie – es gibt Momente in den Werken der Unterhaltungskultur, die so brillant inszeniert sind, dass sie zum eigenen Kunstwerk im Kunstwerk werden. Einen solchen Moment auf abendfüllender Länge zu entfalten, das ist die große Kunst, die Jean-Patrick Manchette (zusammen mit Jean-Pierre Bastid) 1971 in dem jetzt erstmals auf Deutsch veröffentlichten Roman »Lass die Kadaver bräunen!« gelang.
Das Buch ist die Überraschung des Jahres 2007. Drei oder vier Gangster haben nach einem Überfall in einem französischen Weiler Unterschlupf gefunden, der längst von seinen eigentlichen Bewohnern verlassen wurde und jetzt als Künstlerkolonie dient. Eigentlich müssten sie da nur abwarten, bis die Wogen sich geglättet haben, aber durch Zufall erscheinen zwei Flics, und damit nimmt die Geschichte, der konzentrierte Augenblick, seinen Lauf. Zu ungefähr 95 Prozent besteht dieses Buch nämlich aus einem verwinkelten, sorgsam inzenierten Showdown – der schließlich in dem Titel gebenden Satz mündet »Laßt die Kadaver bräunen!«
Das ist Action pur, satte Unterhaltung, und überrascht auch aus literaturhistorischen Gründen: Jean-Patrick Manchette gilt als der Erfinder des »Neo-Polar«, des modernen französischen Polizeiromans, der zeitgemäße Geschichten mit einer politisch engagierten bis radikalen Haltungen verbindet. Von solch revolutionärem Gestus ist in Manchettes erstmals übersetztem Debüt nicht viel zu spüren, im Gegenteil: der Roman ist Geschichte gewordene Kunst. Ihm geht es ganz postmodern zuallererst um die Form, ums Spiel mit den eigenen Schreibbedingungen. Die Herkunft des Neo-Polar liegt in der Form begründet: Man hat es bei Autoren wie Pouy, Pennac und Pelletier ja irgendwie schon geahnt, jetzt gibt es den Beweis.