»Schicht! Arbeitsreportagen für die Endzeit«

Vor zehn Jahren war er da: Der Hype um die neue Pop-Literatur, von der keiner so recht wusste, was sie mit der anderen, der klassischen Popliteratur, wie sie sich zwischen den späten 60ern und den frühen 80ern artikulierte, verband. Sicher, hier wie da ging es irgendwie um Gegenwart, den Verzicht auf klassische Plots und eine übersteigerte Subjektivität – aber sonst? Johannes Ullmaier, Germanist, Autor und Lektor bei Suhrkamp, hat seinerzeit mit »Von ACID nach ADLON« (Ventil Verlag) die unterschiedlichen Pop-Literaturen umfassend vorgestellt.

Als Herausgeber hat Ullmaier nun »Arbeitsreportagen für die Endzeit« versammelt, und man muss sagen, der Mann hat einen guten Riecher. Denn heute will niemand mehr etwas von »Royal Tristesse« und »Soloalbum« wissen, dagegen ist selbst im Feuilleton die Rede von Arbeit. Von Mindestlöhnen, Outsourcing, Zeitarbeit, Streiks neuen Typs, Lebensarbeitszeitkonten.

Der Reader »Schicht!« ist gänzlich pop-frei, die wenigsten der hier versammelten Autoren lassen sich mit Popliteratur in Zusammenhang bringen. Aber es gibt eine interessante Parallele: So wie der Kreis um Benjamin von Stuckrad-Barre sich allenfalls ganz allgemein in Zusammenhang mit den pop-affinen Autoren des März-Verlags bringen ließ, so darf man von den Originalbeiträgen aus »Schicht!« keine Neuauflage der sozialkritischen, von »1968« inspirierten Literatur aus der »Welt der Arbeit« erwarten. Was genau hat Bernd Caillouxs Gespräch mit einem Zukunftsmanager des VW-Konzerns mit Arbeit zu tun? Gabriele Goettles Besuch bei einem Aussteiger-Bauern? Dietmar Daths Science-Fiction-Story über ­einen Naturwissenschaftler als Partisan? Wilhelm Genazinos Bettler-Phänomenologie? Thomas Kapielskis Leiden am Kunstprofessoren-Beamtentum?

Da werden Tätigkeiten beschrieben, die natürlich als »Arbeit« durchgehen, irgendwie. Aber mit der tatsächlichen Arbeit, die immer noch millionenfach in Büros und Fabriken geleistet wird, hat das nichts zu tun (was Ullmaier in seinem charmanten Vorspann auch einräumt). Was das Buch lesenswert macht, ist nicht sein vermeintliches Zentralthema, es sind die hervorragenden Autoren. Cailloux, Goettle, Schröder oder Dath – machen Spaß, liest man gerne, will man mehr von!

Info
Buch: Johannes Ullmaier (Hrsg.), »Schicht! Arbeitsreportagen für die Endzeit«, 417S., 12 €, Suhrkamp,
Frankfurt/M. 2007
Lesung: Lange Lesenacht mit
Bernd Cailloux, Dietmar Dath,
Felix Ensslin, Georg Klein,
Harriet Köhler, Thomas Raab:
Fr 25.1., Altes Pfandhaus,
Kartäuserwall 20, 20 Uhr