Konkurrenz um lukrative Krankheiten

Die Ratsmehrheit will die städtischen Kliniken privatisieren

»Diagnosebezogene Fallpauschalen« heißt das »Zauberwort«, mit dem der Gesetzgeber das Gesundheitswesen ab 2003 oder 2004 reformieren will: Die neue Hüfte im Severinsklösterchen soll dann genauso viel kosten wie die im Eduardus-Krankenhaus, während bisher jede Klinik individuelle Pflegesätze abrechnet. Die Folgen: Eine Klinik, die kostengünstig operiert und pflegt – beispielsweise mit niedrigen Personalkosten oder kurzer Verweildauer – macht mehr Gewinn als eine, die sich um Patienten kümmert, die einen hohen Pflegeaufwand erfordern, wie etwa Aids-Kranke. Krankenhäuser, so die Vorhersagen, werden sich stärker spezialisieren. Wie auf jedem anderen ökonomischen Markt wird es ein Gerangel um »lukrative« Krankheiten geben. Eine schwierige Situation, insbesondere für die kommunalen Kliniken, die einen umfassenden Auftrag zur Daseinsvorsorge haben. »Die Städte haben natürlich Angst,« bemerkt der Kölner Gewerkschaftssekretär Rolf Winterboer (Ver.di), »dass das, was ›sich nicht lohnt‹, als Versorgungsauftrag an ihnen hängen bleibt.«

CDU und FDP:»Zukunftssicherung durch Privatisierung«

CDU und FDP sehen nur in einer Privatisierung oder zumindest einer Beteiligung privater Investoren eine Chance für die städtischen Kölner Klinken – dies jedenfalls ist die offizielle Begründung für ein im Rat beschlossenes Gutachten zur »Zukunftssicherung der städtischen Kliniken und einer wohnortnahen stationären Versorgung in Köln«. Christa Becker, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, hingegen hält die Privatisierung für den falschen Weg: »Die städtischen Kliniken bieten hervorragende Dienstleistungen im Gesundheitsbereich, die sich mit jedem privaten Anbieter sowohl von der Qualität als auch vom Preis her messen können.« Becker meint zudem, dass ein Arbeitsauftrag an ein Gutachten über die Zukunft speziell der öffentlichen Versorgung nicht nur Finanzierungsfragen beantworten sollte: »Wir wollen zusätzlich die Sicherung einer qualitäts- und patientenorientierten Versorgung der Kölner Bevölkerung, unabhängig vom Versichertenstatus, geprüft wissen. Außerdem erwarten wir Angebote zur Schließung der sich abzeichnenden Versorgungslücke, die durch eine weitere Reduzierung der Verweildauer insbesondere für ältere Patientinnen und Patienten entstehen wird.«

»Private Kliniken sind nicht per se effektiver.«

Auf einem Krankenhaus-Symposium der Kölner SPD erhielt Becker Unterstützung für ihre Position von Johannes Kramer, Geschäftsführer der städtischen Kliniken Bielefeld. »Gutes Wirtschaften«, so Kramer, »ist trägerunabhängig.« Er wandte sich gegen die verbreitete Meinung, privat geführte Kliniken seien per se effizienter. Aber: Kein privates Krankenhaus könne gezwungen werden, den § 218 anzuwenden; kein privates Haus mache, wie die Städtischen Kliniken Bielefeld, eine Aktion zur Behandlung genitalverstümmelter Mädchen mit. Ein weiteres Beispiel Kramers: »Aus betriebswirtschaftlichen Gründen müsste ich die Augenklinik schließen, tue ich aber nicht, weil die Stadt Verantwortung dafür hat, dass Patienten nicht nach Münster oder Hannover fahren müssen.«
Die »Verbetriebswirtschaftlichung« des Krankenhaussektors sei schon zu beobachten, berichtet Gewerkschafter Rolf Winterboer: »Nach unseren Erfahrungen bedeutet Privatisierung Stellenabbau in der Pflege, Ausgründung und Privatisierung einzelner Bereiche. Und: Kliniken, die nicht von Kommunen oder Ländern getragen werden, zahlen weniger als nach dem Flächentarifvertrag des öffentlichen Dienstes vorgesehen.« Winterboer bringt die Position der Gewerkschaft auf eine griffige Formel: »Gesundheit braucht gesunde Arbeitsbedingungen«. Ver.di hat jetzt eine Kampagne gestartet, in Köln vereinen sich Personal- und Betriebsräte, Vertrauensleute und KollegenInnen zu einer »Krankenhauskonferenz«.
CDU-Fraktionschef Rolf Bietmann glaubt, für eine veränderte Rechtsform der Krankenanstalten im Rat »eine breite Mehrheit« zu bekommen: »Möglicherweise auch für eine private Kapitalbeteiligung.« Wie breit die sein wird, wird sich zeigen. Für den SPD-Vorsitzenden Jochen Ott steht fest: »Wir stimmen Privatisierungen nicht zu.« Arif Ünal, gesundheitspolitischer Sprecher der Ratsgrünen, den anderen möglichen Partnern für eine breite Mehrheit, ist zwar, wie Bietmann auch, überzeugt, dass die wirtschaftliche Situation der Kliniken sich verschlechtern wird: »Wir wollen deshalb eine detaillierte und ideologiefreie Analyse wirtschaftlicher und regionaler Fakten.« Die Grünen wollen aber auch, dass »mehrere Alternativen zu einem möglichen Verkauf« vorgelegt werden.