Kampfplatz Kunst
»Köln schaut nicht nur, Köln entscheidet«, so beschrieb im vergangenen Jahr Lutz Becker, der jahrelang mit Sabine Oelze den »Schnittraum« leitete, die besondere Qualität der Kunststadt. Er entschied sich 2007 als Galerie-Gründer vor allem des Publikums wegen für Köln: Nirgendwo sei man kritischer, nirgendwo sei aber auch das Niveau besser.
Die Mutter aller Messen
Zwischen den Künstlern, den Museen und Institutionen, den Verlagen und Zeitschriften und – nicht zuletzt – dem Kunsthandel hatte sich über mehr als vierzig Jahre eine Szene entwickelt, die es Mitte der Achtziger mit New York aufnehmen konnte. Eine Weltstadt der Kunst, in der sich eine bedeutende Sammlerszene jeden internationalen Trend liefern lässt. Die Galerien zeigten alles, was weltweit angesagt war – und einmal im Jahr reisten alle an: Zur Art Cologne, dem traditionellen Herbst-Termin der Szene, der »Mutter aller Messen«. Vor 42 Jahren gegründet, war sie Modell für alle Nachfolger von Basel bis New York, Chicago und Paris – oder in jüngster Zeit Berlin, London und Miami oder Schanghai.
Kölns Stärke war die Diskussion – die Schwäche eine Kultur der Streitbarkeit. Man kämpfte um Messekojen und Platzierungen wie um Grenzverschiebungen zerfallender Staatenbündnisse: Die Art Cologne war Jahrzehnte so etwas wie ein Schlachtfeld, auf dem die aus aller Welt angereisten Kombattanten ihre Avantgarden aufmarschieren ließen, Werte verteidigten, Einflussbereiche absteckten. Für das Publikum waren die paar tausend Quadratmeter in den Deutzer Messehallen der ideale Ort, sich einen Überblick zu verschaffen. Und weil das Angebot so komplett war, von der klassischen Moderne über Nachkriegskunst bis zu den Zeitgenossen, wurde die Art Cologne zum Spiegelbild einer äußerst kritischen Szene, die ihre Unzufriedenheit gerne aus Anlass des Kunstmarktes formulierte: Unpassende Preise oder unausgewogenes Angebot, man warf es der Art Cologne vor, genauso wie eine schlechte Jurierung oder die unübersichtliche Größe der Messe mit bis zu 250 Ausstellern.
Konkurrenz durch die Hauptstadt
Mitte der 90er Jahre wurde die neue Hauptstadt, Berlin, nicht nur für Künstler (die dort günstiger wohnen und arbeiten als im Rheinland), sondern auch für den Handel attraktiver (schon weil internationale Besucher gerne in die Metropole reisen). Jahr für Jahr entschieden sich mehr Galeristen für einen Umzug an die Spree. Vor zehn Jahren gründeten vor allem Kölner Galerien dort das »artforum«, eine Messe für junge Kunst, die als Veranstaltung zwar nie die Bedeutung der Kölner Traditionsmesse erreichen konnte, als Auftakt der Herbstsaison jedoch viel Aufmerksamkeit erhielt. Als dann im Londoner Regent’s Park mit der Frieze vor fünf Jahren eine glamouröse Konkurrenz heranwuchs, sah die Mutter aller Messen am Rhein mit einem Mal aus wie eine alte Tante, die jedes Jahr weniger Besuch erhält: Jedes mal fehlte einer mehr, vor allem die junge Kunst, die plötzlich international angesagt war wie nie zuvor.
An der Art Cologne ließ sich der schleichende Bedeutungsverlust der Kunststadt Köln ablesen – so stand sie auch stellvertretend im Zentrum der Kritik. Der zur Rettung einberufene künstlerische Direktor, Gérard Goodrow, agierte kraftlos – verzettelte sich in Sonderschauen oder mit dem Ableger »Art Cologne Mallorca« und vorsichtigen Modernisierungen, räumte zuletzt aber sogar den angestammten Ort und Termin. Statt in den (an den Fernsehsender RTL verkauften) Rheinhallen feierte er 2007 im April im unattraktiven Mittelbau der Messe Vernissage.
Forderung nach Neugestaltung trotz Szene-Initiativen
Während die Stadt nur wenig unternahm, um den Standort zu stärken, waren es vor allem Initiativen aus der Szene, die international Interesse erregten: Der »Open Space«, eine Schau inmitten der Art Cologne, auf der international renommierte Galerien kostengünstige Einzelpräsentationen inszenieren, oder 2007 die »Koelnshow2« der European Kunsthalle, einer über die Galerien verteilten Ausstellung junger internationaler Kunst. Dennoch blieb die Messe Epizentrum der Erschütterungen und Erosionen der Kölner Kunstszene – sogar Verleger Walther König warf ihrem Direktor vor den Standort Köln zu beschädigen.
Im vergangenen Herbst spitze sich die Lage zu: Zehn führende Kölner Galeristen – darunter Sprüth, Capitain, Christian Nagel, Luis Campana, Linn Lühn, BQ und Daniel Buchholz – kündigten an, sie würden auf der Art Cologne keinen Stand buchen, sollte die Messe sich nicht drastisch verändern. Zum Forderungskatalog gehörte ein neues Erscheinungsbild, ein Umzug in attraktivere Hallen, die Abschaffung der Sonderschauen, erhöhtes Engagement der Messe.
Suche nach kompetentem Leiter
Unausgesprochen ging es auch um die Personalie Gérard Goodrow. Die Koelnmesse moderiert seither die Krise, cancelte im Februar ihren mallorquinischen Ableger, trennte sich Anfang 2008 vom künstlerischen Leiter. Seit Monaten wird nun ein Nachfolger gesucht, der ein tragfähiges Konzept entwickeln soll – dass seither zwei Konkurrenten aufgaben, die nur ein Jahr alte düsseldorf contemporary und die zuletzt dramatisch verjüngte art frankfurt fokussiert die Aufmerksamkeit wieder auf die Situation der Kunstmessen.
Unterdessen verlagern derzeit wichtige Galerien wie Monika Sprüth ihren Standort nach Berlin, Capitain wird dort einen Showroom eröffnen, auch Buchholz und Luis Campana dementieren Überlegungen über Dependancen nicht. Aurel Scheibler ist schon dort, wie auch André Buchmann, Jörg Johnen und Raphael Jablonka. »Wenn mir ein Künstler sagt, er möchte in Berlin ausstellen, dann miete ich lieber einen Laden an, als ihn zu verlieren«, sagt eine Kölner Galeristin, die wie viele Kollegen im Moment lieber nicht genannt sein möchte. Vor allem die hoch gehandelte junge Kunst kann es sich leisten, Bedingungen zu stellen. So ist es nur eine Frage der Zeit, wann die inzwischen so zahlreich an der Spree vertretene deutsche Galeristen-Elite sich dazu entschließt, lieber in Berlin eine Messe groß zu machen. Die Beinahe-Übernahme des artforums durch den Verlag Gruner & Jahr hätte in diesem Frühjahr fast ein Anlass dazu sein können – bis es so weit ist, haben die Berliner mit dem »Gallery-Weekend« erstmal ein Ereignis erfunden, zu dem die internationale Sammlerschar anreist.
Chance durch rheinische Provinzialität
Dennoch gibt es eine – gar nicht so junge – neue Generation von Gründern, die das Kölner Galerien-Faltblatt verzeichnen kann, wie Lutz Becker, Marietta Clages, Julia Garnatz oder Caren Jones & Ursula Truebenbach. Sie haben sich bewusst nicht nur für Köln, sondern auch gegen Berlin entschieden: Philipp Figge und Philipp von Rosen (»Wir wären in Berlin die 252ste Galerie«) und Christian Lethert (»Ich wäre in Berlin die 1000ste Galerie«) schätzen im zentral gelegenen Köln auch das rheinische Sammler-Umfeld, das bis in die Niederlande, nach Belgien und Frankreich reicht. »Wir müssen nur unsere Sammler davon abhalten, jedes Wochenende nach Berlin zu fahren«, sagen Figge von Rosen.
Sie alle sehen die Situation durchaus als Chance wahrgenommen zu werden – etwas Neues zu entwickeln, was dem Potenzial des Rheinlands gerecht wird. »Vielleicht liegt in dieser hochkarätigen Provinzialität eine Chance«, so sagt einer. Köln ist nicht mehr ein Hauptkampfplatz der Kunst – es bleibt aber ein hervorragendes Terrain.
Kölner Kunstwoche
Art Cologne 2008
16.-20.4., Messehallen Deutz, Halle 4+5,
tägl. 12-20 Uhr, Vernissage 15.4., 17-21 Uhr.
Alle Termine und Sonderschauen: www.artcologne.de.
tease artfair #2
17.-20.4., Rhein-Triadem am Hauptbahnhof, Konrad-Adenauer-Ufer 3, tägl. 14-22 Uhr, Vernissage 16.4., 18 Uhr. Die zum zweiten Mal stattfindende Parallel-Messe zur Art Cologne versteht sich als Plattform für junge zeitgenössische Kunst. In über 80 Räumen auf insgesamt 5.000 Quadratmetern präsentiert sie Künstler in Einzelschauen. Info: www.tease-online.de
Art City Cologne: Parallel zu den Messen gibt es ein breites Kulturprogramm in der ganzen Stadt,
das Programmheft liegt an allen Orten aus.
Gemeinsame Eröffnungen der Kölner Galerien zur Art Cologne: 16.4., 17-20 Uhr, www.koeln-galerien.de