köln in der revolte
Paris, Prag, Berkeley: Das sind die Metropolen, die man gemeinhin mit der Revolte von 1968 assoziiert. Aber Köln? Fand der soziale Aufruhr hier nicht später statt? Etwa 1973 beim spontanen Streik der Ford-Arbeiter? Oder Anfang der 80er, als Köln ein Zentrum der Hausbesetzer war, eine Bewegung, die in der Besetzung des Stollwerck-Geländes gipfelte?
Der Eindruck täuscht: Diese späteren Ereignisse sind nicht ohne den 68er-Aufbruch zu denken. Auch in Köln knallte es, wurde die Uni besetzt, kam es zu Straßenschlachten. Die geworfenen Steine zogen Kreise: Viele heute noch aktive Initiativen und Projekte haben in der Revolte ihren Ursprung – sei es die Sozialistische Selbsthilfe Köln (SSK), sei es die 1976 ins Leben gerufene StadtRevue.
Es stimmt schon, an der Kölner Universität gab es keine Professoren, die ihre Studenten so zu fesseln vermochten und darüber zu Stichwortgebern der Revolte wurden, wie das in Frankfurt bei Theodor W. Adorno oder Jürgen Habermas der Fall war. Trotzdem entwickelte sich in Köln eine originäre Protestbewegung: An den KVB-Demos beteiligten sich normale Bürger, die Kunst- und Musikszene rebellierte und schuf sich in Happenings und wilden Konzerten ihre eigene Basis, und die streikenden Ford-Arbeiter benötigten auch keine intellektuellen Vorsinger.
Aber bei allen Besonderheiten: Die Geschichten, die die Teilnehmer unseres Gespräches erzählen – von spontaner Politisierung, bizarren künstlerischen Experimenten und vergeblichem Ringen um die richtige Organisierung –, sie hätten sich auch in Rom, Kopenhagen oder Tokyo zutragen können. 1968 war ein globaler Aufbruch, und Köln ein Mosaikstein. Nicht mehr, nicht weniger. Was übrigbleibt, auch davon zeugt unser Gespräch, sind einzelne Geschichten.