Das schöne Leben

Das Leben derer, die als Teilzeit- oder Vollzeitbohemiens und Angehörige des so genannten Kulturprekariats (was für ein hässliches Wort) in der Großstadt vor sich hinwurschteln, ist seit je eines ihrer Lieblingsthemen. Als Grün­de­rin der Lassie Singers, Sängerin, Texterin und Gitarristin der Band Britta und umtriebige Clubgängerin weiß Christiane Rösinger, von welchem Milieu sie spricht. Sie selbst gehört seit den 80er Jahren zu eben jener Westberliner Subkulturszene, die den Hedonismus eines ausschweifenden Nacht­lebens mit einem ge­sell­schafts­kritischen Bewusstsein und lakonischem Humor verbindet.

Nicht ohne Grund stammt von ihr der treffende Begriff der »Ausgehgesellschaft«. Spät aufstehen, lustige Sachen erleben und »manch­mal auch gar nichts«, und möglichst nicht ins Bett. Doch das war nicht immer so.
Im ersten Teil ihres autobio­grafi­schen Debütromans »Das schöne Leben« erzählt Rösinger von ihrer Kindheit und Jugend in der tristen katholisch-süddeutschen Provinz. Mit liebevollem Blick zurück berichtet sie etwa vom elterlichen »Sparwahn«, vom »Kuchenfundamentalismus« und anderen schwäbischen Eigen­arten: »Die zu betreuenden Gräber auf dem Friedhof glichen den Ausstellungsbeeten der Landesgartenschau.« Kein Zweifel: Die Frau hat dort gelebt.
So werden dem Leser zwei zunächst unvereinbar scheinende Parallelwelten vor Augen geführt: Mit derselben Detailtreue, mit der sie Episoden vom skurrilen Kleinbürgerwahnsinn ihres badi­schen Heimatdorfs erzählt, schil­dert Rösinger den Berliner Alltag einer älter werdenden armen Poetin und abgeklärten »Ausgehspezialistin«, die in der taz launige Kolumen schreibt.

Rösinger hat eine Art Berliner Gegenstück zu Rocko Schamonis »Dorfpunks« verfasst. Auch in ­ihrem Debütroman herrscht der zwischen Gelassenheit, melancholischem Humor und heiterer Resignation schwankende und vollkommen pathosfreie Erzählton, den man aus ihren Glossen kennt. Und das ist schön. Und manchmal sehr komisch: »Gerade im Sommer kam in Berlin ein fast mediterranes Lebensgefühl auf, wenn sich benachbarte Alkoholikerinnen aus den Fenstern ein liebevolles ›Halt’s Maul, du blöde Votze!‹ zuriefen.«


Info

Buch: Christiane Rösinger: Das schöne Leben. S. Fischer Verlag, 205 S., 8,95 Euro.
Lesung: 15.5., Gebäude 9,
Einlass 20 Uhr


Verlosung

Christiane Rösinger
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