Der lange Weg zur Klima-City

Das Geschäft mit dem Kölner Ökostrom

 

Ökostrom ist im Aufwind. Auf diesen Satz können sich Politik, Anbieter und Konsumenten einigen. Aber was genau ist Ökostrom? Wieso gibt es »guten« und »schlechten«? Folgt die kommunale Politik in Köln wirklich ihren vollmundigen Versprechen, durch eine konsequente Energiepolitik zum Klimaschutz beizutragen? Hinter der Oberfläche des Öko-Hypes konkurrieren Anbieter und mauern Politiker, während die Konsumenten im Dschungel der Tarife die Übersicht zu verlieren drohen. Ralph Ahrens und Volker M. Leprich haben einen Strom erzeugenden Bauernhof, Öko-Qualitätslabels und die Kölner Klimapolitik unter die Lupe genommen.


Der lange Weg zur Klima-City
In Köln bleibt der große Wurf für Klimaschutz aus. Ralph Ahrens über verhinderte Projekte,
Selbstversorger in Sülz und zögerliche Bewegungen der Politik

Klimaschutz ist in! In den politischen Zentralen Berlin und Brüssel reden alle vom Klima – und in der Domstadt? »Klimapolitik ist in Köln ein Stiefkind«, stellt Gerd Brust nach zwanzig Jahren aktiver Energie- und Klimapolitik fest. Der Ingenieur ist Ratsmitglied der Grünen und Kleinunternehmer. Im Keller eines Altbaus in Sülz betreibt er ein kleines Heizkraftwerk. Es verbrennt Erdgas und erzeugt Strom und Wärme. Das Gas liefert der kommunale Energieversorger Rheinenergie. Brusts Kraftwerk nutzt den fossilen Rohstoff effizient: 87 Prozent der eingesetzten Energie wird in Elektrizität und Nutzwärme umgewandelt. Das sei sehr viel: »Selbst modernste Braunkohlekraftwerke kommen nur auf 43 Prozent«, betont Brust. Er nutzt die Energie für seine eigene Familie und verkauft sie an die anderen Parteien im Haus.
Privates Engagement gibt es. Doch der Kölner Rat hat sich lange Zeit nur wenig dafür interessiert, Kohlendioxid (CO2) einzusparen. Dabei sollte sich Köln aktiv um ein besseres Klima kümmern. Immerhin war die Stadt 1992 Gründungsmitglied des »Klimabündnisses europäischer Städte«. Das Bündnis vereinbarte 2006 ein sehr ehrgeiziges Ziel: alle fünf Jahre den Ausstoß an Treibhausgasen um zehn Prozent zu senken. Wird dieses Ziel ernst genommen, würde 2030 vom Kölner Stadtgebiet aus nur noch halb soviel CO2 in die Luft steigen wie heute. Doch statt mutig voranzugehen, wurden Projekte verhindert. So wollte im Kölner Norden ein Bürger bei Roggendorf mehrere Windturbinen aufstellen. Dem Kölner Rat habe kurz vor der Kommunalwahl 2004 aufgrund aufgebrachter ­Bürger aber der Mut gefehlt, diesen Standort durchzusetzen, erinnert sich Brust. Stattdessen hat der Rat ein Gelände bei Marsdorf – östlich vom Gut Horbell und westlich vom Grüngürtel – für Windenergie ausgewiesen. Dort werden sich aber keine Windräder drehen, glaubt Burst, »denn die Windverhältnisse im Kölner Norden sind viel besser«.
Früher einmal hat die Kölner Politik weit vorausgeschaut: 1961 gab die Stadt den Startschuss für die Versorgung von Teilen des Kölner Nordens mit Fernwärme aus dem damaligen Merkenicher Kraftwerk. Bei Fernwärme wird die Abwärme aus der Verbrennung genutzt. Man spricht von Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) – das, was Gerd Brusts Heizkraftwerk im kleinen Maßstab auch tut. Die Fernwärmeversorgung wurde schrittweise erweitert: Die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke AG (GEW) bauten Anfang der 70er Jahre im Niehler Hafen ein Heizkraftwerk mit einer KWK-Anlage. Es versorgte die Kölner Innenstadt mit Fernwärme. Dieses Kraftwerk wurde 2005 durch ein modernes Gas- und Dampf­turbinenkraftwerk ersetzt. Allein dadurch wurden die Emissionen von CO2 jährlich um 100.000 bis 150.000 Tonnen gesenkt. »In Köln ist die Kraft-Wärme-Kopplung und der Einsatz der Fernwärme die wichtigste Stellschraube für Emissionseinsparung«, erklärt Roland Pareik, Energiefachmann der »Köln­agenda«.
Rohstoffe effizient nutzen und erneuer­bare Energien ausbauen – das ist das Motto der Rheinenergie. Sie will in den nächsten Jahren rund 25 Millionen Euro investieren, um das Fernwärmenetz zu erweitern und Biogasanlagen zu errichten. »2010 wollen wir ein Prozent unseres Stroms über Biomasse erzeugen«, erklärt Christoph Preuß, Pressesprecher der Rheinenergie. Das kommunale Unternehmen ist selbstständig und gehört zu einem Fünftel RWE und über die GEW zu achtzig Prozent der Stadt Köln.
Und auch die Kölner Politik bewegt sich – langsam: 2003 änderten die Grünen und die CDU mit einen Ratsantrag die Satzung der Gebäudewirtschaft der Stadt Köln in einem entscheidenden Punkt. Seitdem muss die Gebäudewirtschaft den Energieverbrauch aller 660 Gebäude im städtischen Besitz minimieren. Der Energiezustand dieser Gebäude soll regelmäßig auf Herz und Nieren geprüft und jährlich die drei bis fünf größten Energieschleudern saniert werden. Es gehe aber nur schleppend voran, klagt Brust. »Man bräuchte mehr Leute in der Verwaltung, denen Klimaschutz am Herzen liegt.« Noch immer ist für etliche Gebäude unermittelt, wieviel Energie sie verschwenden. Andererseits sollen dieses Jahr drei Projekte tatsächlich energetisch saniert – also vor allem wärmegedämmt – werden. Ein Beispiel ist das Bürgeramt Porz. Zwanzig Jahre Energiepolitik haben Brust gelehrt: Kommunaler Klimaschutz ist ein zähes Geschäft!
Aber er kann auch auf einige Erfolge verweisen. Seit 2004 gibt es Energieleitlinien: Neue städtische Gebäude müssen dreißig Pro­zent weniger Energie verbrauchen als gesetzlich vorgeschrieben. Verkauft die Stadt heute ein Grundstück zur Bebauung, muss der Bauherr nachweisen, dass das Gebäude vierzig Prozent weniger Energie verbraucht als der Standard. Seit April muss ein Viertel des Stroms, den städtische Gebäude verbrauchen, aus erneuerbaren Energien stammen und ein weiteres Viertel aus KWK – der Deutsche Bun­­destag stellt seine Stromversorgung ab Septem­ber vollständig auf Ökostrom um, die Stadt Bonn tut dies bereits seit Anfang des Jahres. Doch es kann in Köln nur besser werden. Denn das Kölner Umweltamt ist dabei, »erste grundlegende Überlegungen für ein ge­eigne­tes CO2-Minderungskonzept« zu erstellen.
Es gibt also viele kleine Mosaiksteine. Die reichen aber nicht, um aus Köln eine vorzeigbare Klima-City zu machen. Das Zehn-Prozent-Reduktionsziel bis 2011 zu erreichen, sei praktisch unmöglich, meint Brust. Einerseits schützt eine höhere Energieausbeute bei der Stromerzeugung und eine bessere Wärme­dämmung das Klima, andererseits leben wir in einer Konsumgesellschaft. Generell gilt, je mehr konsumiert wird, desto mehr CO2 wird emittiert. »Allein der zunehmende Flugverkehr macht alles kaputt, was woanders an Fort­schritt erreichbar ist«, so Brust. Und auch wer in einem Energieeffizienzhaus wohnt, kann das Klima belasten: Wer etwa alle Fenster ­öffnet und ständig Computer, Küchengeräte und Fernseher laufen hat, bleibt ein Energieverschwender.