»Chancen werden vertan«
StadtRevue: Herr Schmitz, warum muss der BDA immer meckern? Ist in der Kölner Stadtplanung gar nichts gut?
Stefan Schmitz: Der BDA ist quasi der natürliche Widerpart zu Politik und Verwaltung. (lacht) Es gibt tatsächlich vieles, das in unseren Augen anders sein muss, um gute Ergebnisse beim Städtebau zu erzielen. Für größere städtebauliche Aufgaben ist ein Wettbewerb immer das richtige Mittel. Aber man muss auch wissen, was man will, das ist Aufgabe der Politik. Dabei geht es zunächst gar nicht um Architektur, sondern um die Vorstellung vom Charakter eines Ortes und seiner Nutzung. Wenn man das nicht weiß, dann nützen auch keine Hearings, Wettbewerbe, Workshops oder dergleichen.
Viele Wettbewerbsergebnisse werden gar nicht umgesetzt.
Die müssen auch nicht sofort umgesetzt werden. Aber sie müssen die Grundlage für den weiteren Entscheidungs- und Planungsprozess sein. In Köln ist es leider sehr oft so, dass die Architekten und Städteplaner als Gewinner des Wettbewerbs später gar nicht mehr dabei sind. Und dann kommt ein Investor, will ein Einkaufszentrum bauen und sagt: Der Entwurf passt mir nicht, aber ich will euch das Grundstück abkaufen – und schon wird ganz anders gedacht und geplant.
So wie in Kalk mit den Köln Arcaden?
Ja, das ist städtebaulich vollkommen misslungen. Das Neubaugebiet samt Wissenschaftszentrum und Wohnungsbau wird durch das Einkaufszentrum komplett abgeschottet und ist von der Kalker Hauptstraße nur durch das Einkaufszentrum entlang von Parkpaletten erreichbar.
Die Entscheidung fiel vor dem Amtsantritt des jetzigen Baudezernenten Bernd Streitberger und auch unter einer anderen politischen Konstellation im Stadtrat. Was sind denn derzeit Ihre Sorgen?
Wo fang ich an? Zum Beispiel der Wettbewerb zum Opernquartier: Eigentlich hätte man vorher diesen wichtigen Ort städtebaulich untersuchen müssen. Stattdessen wird direkt ein Hochbauwettbewerb gemacht! Und der wird in erster Linie von den Bühnen der Stadt Köln bestimmt. Die haben ihre eigenen Interessen – und jetzt kommen Produktionsstätte, Lager und Werkstatt samt Sattelschlepperanfahrten mitten in die Stadt! Ich habe meine Zweifel, ob das alles so sein muss. Dieser Ort ist so wertvoll, dass andere Nutzungen für die Stadt vielleicht besser und auch zur Finanzierung des Ganzen geeigneter gewesen wären. All das ist nicht berücksichtigt worden. Ich befürchte, dass die Chance, den Ort städtebaulich in Ordnung zu bringen und den Offenbachplatz besser an die Fußgängerzone anzubinden, vertan wird.
Ein aktueller Streitpunkt ist auch der Breslauer Platz: Der Gewinnerentwurf eines Wettbewerbs von 1992 verschwand in der Schublade. Baudezernent Streitberger hat dann 2006 einen neuen Entwurf vorgelegt, der ganz anders aussieht: Priorität ist es, das Kunibertsviertel wieder stärker anzubinden.
Ja, das ist die Idee einer »kritischen Rekonstruktion«, also dass man Stadt weiterbaut. Dem aber alles unterzuordnen, halte ich an diesem Ort nicht unbedingt für den richtigen Weg.
Im April ist nun ein neuer Workshop beschlossen worden – unter anderem mit den ehemaligen Wettbewerbsgewinnern, neuen Architekten, Verkehrsexperten. Was sind Ihre Ideen?
Eines der Potenziale des Breslauer Platzes ist die Nähe zum Rhein. Im Wettbewerb von 1992 war das auch ein wichtiges Thema, alle Teilnehmer haben das berücksichtigt. Tritt man aus dem Bahnhof, steht man auf relativ erhöhtem Niveau. Man könnte dieses Niveau bis zur Rheinuferstraße beibehalten und über die Straße führen – nicht mit einer Platte, aber mit Brücken und Rampen – und so an die Promenade und den Fußweg Hohenzollernbrücke gelangen. Das wäre eine verkehrstechnische Verbindung, aber auch eine optische Verbindung zum Rhein. Wo hat man in Deutschland oder Europa einen Bahnhofsvorplatz, der so nahe an einem bedeutenden Fluss liegt? All das finde ich im letzten Entwurf der Verwaltung nicht, da gibt es stattdessen eine Blockbebauung, die das Gelände zum Rhein hin abriegelt.
Fest steht, dass das Musical-Zelt verschwindet. Sind sie froh?
Ja. Der Platz ist schon bestimmt durch drei mächtige Bauwerke: Bahnhof, Dom, Hohenzollernbrücke – die prägen den Platz. Deshalb bin ich auch gegen den Musical Dome oder andere Architekturschreie wie ein Fußballmuseum mit goldenem Schuh auf dem Dach ...
... ein »Geschenk« des DFB, das für Aufregung sorgte. Der Fußballverband will ein Fußballmuseum am Platz errichten – zu seinen Bedingungen. Wie kann es denn sein, dass die Stadt so mit sich umspringen lässt? Warum zeigt Köln so wenig Selbstvertrauen und hat ständig Angst, Investoren zu vergraulen?
Wenn der DFB in Köln ein Museum bauen will, ist das erst mal gut. Man darf die Leute nicht vergrätzen, aber man darf auch nicht sagen: Okay, wenn ihr auf eurem Museum einen goldenen Fußballschuh haben wollt, dann machen wir das eben. Ich habe den Eindruck, dass vielen Bauherren zu schnell Gehorsam signalisiert wird. Es geht auch gar nicht, dass jemand sagt: Wir haben auch schon eine fertige Architektur, wir schenken euch das, aber dafür müsst ihr uns das Grundstück kostenlos zur Verfügung stellen – so etwas geht nicht.
Beim Kölnischen Stadtmuseum hat ein Stifterrat die Finanzierung eines Anbaus in Aussicht gestellt – aber nur, wenn der Architekturvorschlag des Stifterrats akzeptiert wird.
Auch hier geht es um die Balance: einerseits dankbar sein für ein solches Geschenk der Stifter, andererseits aber auch eine vernünftige Architektur zu bekommen. Auch hier wäre ein ordentliches Verfahren in Form eines Wettbewerbs sehr angebracht.
Es gibt viele die sagen, dass mittlerweile die Investoren
bestimmen würden, wie sich eine Stadt entwickelt.
Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Aber ganz klar: Der Druck der Investoren hat zugenommen, gerade von den großen Baufirmen oder Firmen mit eigener Projektentwicklungsabteilung. Aus dieser Ecke wird tatsächlich sehr viel Einfluss auf Stadtplanung genommen. Auf der anderen Seite wäre Stadtentwicklung ohne privates Investment nicht möglich. Man kann nicht sagen, die Investoren machen die Stadt kaputt. Je länger ich im Geschäft bin, desto mehr merke ich: Je schlechter der Planungsprozess ist, je unklarer die Ziele, je schlampiger die Moderation, desto schlechter sind die Ergebnisse. Und immer, wenn es einen Wettbewerb gegeben hat, muss im späteren Prozess der Architekt oder Planer mit am Tisch sitzen. Da denke ich an den Wettbewerb zum ICE-Bahnhof: Der erste Wettbewerb wurde nicht richtig vorbereitet und im Nachhinein vermurkst, weil Investoren kamen, die alles anders haben wollten. Die haben dann mit der Verwaltung ohne Architekten so lange hin- und hergeschoben, bis es wirklich nur noch schlecht war. Dann entschied man sich für einen zwweiten Wettbewerb.
Der wurde aber auch nicht umgesetzt ...
Nein, aber das lag dann an der Unesco und dem Streit um das Weltkulturerbe Dom. Das hat schließlich die Hochhauspläne gestoppt.
Zur Person:
Stefan Schmitz, geboren 1954 in Frankfurt am Main, ist Architekt und Stadtplaner. Seit 1991 ist er Mitglied im Vorstand des BDA Köln, seit Anfang des Jahres dessen Vorsitzender. Schmitz ist außerdem Vorsitzender des Gestaltungsbeirats der Stadt Köln.