Tanz plus!
In Köln ist der Tanz nur Gast. Mit dem Tanzboden unterm Arm bitten die ChoreografInnen bei den Bürgerhäusern um Auftrittsmöglichkeiten oder schrumpfen ihre Produktionen von vornherein auf Wohnzimmergröße. Doch jetzt wollen Politik und Verwaltung dem Tanz in Köln eine Heimat geben: ein Tanzhaus für die Stadt. Anlass für ein Roundtable-Table-Gespräch mit Silke Z., Kölner Choreografin und Mitinitiatorin des Performance-Netzwerks »die.idee«, Konrad Schmidt-Werthern, Kulturamtsleiter der Stadt Köln und Uwe Möller, Mitarbeiter im Management von pretty ugly tanz köln.
StadtRevue: Herr Schmidt-Werthern, in letzter Zeit wurden die Intervalle in der Tanzhaus-Debatte kürzer. Steht Köln vor einem neuen Spielort?
Konrad Schmidt-Werthern: Ja, das kann man sagen. Alle – Szene, Politik und weite Teile der Bürgerschaft – haben anerkannt, dass der Tanz erstens wirklich gut ist in Köln, und dass es zweitens an einer Struktur fehlt.
Die soll jetzt durch einen zentralen Ort realisiert werden. Silke Z., wie stellt sich die freie Szene ein Tanzhaus vor?
Silke Z.: Es gibt sicher unterschiedliche Träume bei den einzelnen Kompanien. Ganz persönlich gesprochen: Ich finde die Bühne am wichtigsten, dann eine technische Ausstattung und Büroräume. Jetzt fließt ein Teil meiner städtischen Förderung sofort in die Bürgerhäuser für die Bühne. Ein Tanzhaus würde da entspannend wirken.
Schmidt-Werthern: Es soll eine Aufführungsstätte geben, in der die Tänzer ordentliche Endprobenzeiten haben. Und auch mal länger als drei, vier Tage spielen können.
Zwischen 1.500 und 3.000 Quadratmeter groß soll dieses Tanzhaus sein, mit Platz für 150 bis 200 Zuschauer. Kann die freie Szene so einen Raum füllen?
Silke Z.: Ich denke schon.
Uwe Möller: Ich habe mal eruiert, wie viel Tanz in Köln stattfindet. Das waren von März bis Mai 2008 53 Tanzabende.
Silke Z: Das ist Wahnsinn! Dennoch ist das Kölner Publikum immer noch orientierungslos: Wo gibt es Tanz? Das muss man durch ein Haus bündeln.
Die Oper zieht während ihrer Sanierung wohl ins Palladium. Das Tanzhaus könnte dort in die Nachnutzung gehen. Spielt das eine Rolle bei der Ortssuche des Kulturamts?
Schmidt-Werthern: Die Vorentscheidung für den Standort in Mülheim während der Interimsphase ist auch für uns ganz wichtig, weil das Ausweichquartier Besucherströme lenken wird. Die Oper ebnet uns da einen Weg, das ist eine ganz andere Situation, als wenn der Tanz ein neues Gebiet erst ’kultivieren’ muss. Deshalb achte ich sehr genau darauf, was mit der Interimsspielstätte passiert. Und sehe zu, dass ich Huckepack mit dabei bin. Wobei: Es sind auch noch andere Standorte in der Auswahl.
Wo steht das Tanzhaus auf Ihrer persönlichen Prioritätenliste?
Schmidt-Werthern: Als ich vor acht Monaten hier angekommen bin, habe ich gesagt, dass ich drei Prioritäten habe: Tanz, Interkultur, kulturelle Bildung. Das gilt.
Kommt das an in der Szene, fühlt man sich als Choreografin unterstützt von Stadtverwaltung und Politik?
Silke Z.: Ich habe in den letzten Jahren immer wieder überlegt, in welche Stadt ich gehen könnte. Jetzt ist das erste Mal das Gefühl da: Ich kann hier bleiben. Aber das große Messerwetzen wird mit der Frage beginnen: Wer übernimmt die künstlerische Leitung?
Die Personalie ist offen. Aber wird die inhaltliche Ausrichtung lokal, überregional oder international sein?
Schmidt-Werthern: Wir wollen einen lokalen Bezug haben, weil wir in dieser Stadt schon eine sehr starke Tanzszene haben, das ist Konsens. Wir wissen aber auch, dass man darüber hinaus schauen muss und mindestens Nordrheinwestfalen im Blick haben sollte.
Die Rheinische Musikschule oder die Kunstfilm-Fraktion wollten auch schon mit ins Tanzhaus-Boot.
Schmidt-Werthern: Es geht zunächst um den Tanz. Klar ist aber auch, dass der Tanz nicht ganz isoliert betrachtet werden kann. Wir denken immer die Performing Arts mit.
Möller: Die Devise muss aber heißen: »Tanz plus« und nicht: »Plus Tanz«!
Köln als Performing-Arts-Zentrum, Herr Möller, könnten Sie sich das vorstellen? Als Tanzmanager arbeiten Sie auch international.
Möller: Die Frage ist: Welche Farben im Tanz gibt es in Köln und welche verhalten sich dazu komplementär? Mein Wunsch ist: keine einseitige Prägung durch eine künstlerische Handschrift. Deshalb wäre ich sehr für eine Leitung, die nicht selbst choreografiert und die ich aufteilen würde in eine reine Geschäftsführung und eine künstlerische Leitung.
Einverstanden, Silke Z.?
Silke Z.: Unbedingt! Es muss jemand von außerhalb sein. Ich würde so etwas gar nicht machen wollen, da hätte ich ja keine Zeit mehr künstlerisch zu arbeiten!
In der Szene scheint es viele Fraktionen zu geben: Ihr neues Neztwerk die.idee, dann Barnes Crossing, Tanz hautnah, movingtheatre.de und andere mehr. Wie unisono spricht die freie Szene in Sachen Tanzhaus?
Silke Z.: Wir sind uns ziemlich einig. Es gibt allerdings auch ein Stück Angst, weil die Szene eine große Bandbreite bedient an spartenübergreifender Arbeit. Da fragt man sich schon mal: Wer dürfte in das Tanzhaus rein, was macht die Leitung mit uns?
Herr Möller, was plant pretty ugly nach dem Endes des Vertrags mit dem Schauspiel 2009?
Möller: Die Kompanie wird sich entweder auflösen oder als freie bestehen bleiben, das hängt von Amanda Millers Plänen ab. Im zweiten Fall wäre pretty ugly eine freie Gruppe, die in dieses Haus integriert werden könnte.
Podiumsdiskussion: »Inhalte brauchen Orte!«, Fr 4.7., Deutsches Sport & Olympia Museum, 19 Uhr. Mit Machern und Managern der Tanzszene, Veranstalter: Performancenetzwerk »die.idee«