Abgespeckt und aufgemotzt
2003 fand die PopKomm zum letzten Mal in Köln statt, ein Jahr später gab es bereits die c/o pop: Ebenfalls ein Musikfestival samt Messe und Business-Teil, ebenfalls im August. Die Grundidee: anders als die PopKomm in Sachen Programm nicht alles nehmen, was kommt, sondern entlang eines klaren Profils operieren – lieber geschmackssicher und Szene-glaubwürdig als groß um jeden Preis. Und: die lokal vorhandenen Energien und Infrastrukturen nutzen, bündeln und nach außen tragen. Eben »Cologne on Pop«, um den Namen mal auszuschreiben.
Kein Wunder, dass die c/o pop schnell im Ruf stand, ein reines Elektronik-Festival zu sein, der jüngeren Pop-Tradition der Stadt angemessen. Tatsächlich wirkte das Ganze zuletzt wie ein Denkmal, wie ein Nachruf auf die goldenen Zeiten von Electric Cologne vor zehn Jahren. Verständlich also, dass die c/o pop die Sympathien auf ihrer Seite hat: Wer an elektronischer Clubmusik hängt und noch nicht nach Berlin verzogen ist, kann froh sein, dass es überhaupt Leute gibt, die dafür sorgen, dass Köln sich zumindest für ein paar Tage im Jahr so metropolitan anfühlt wie es früher mal war (oder hätte sein sollen).
Große musikalische Bandbreite
Damit das nicht alles ist, hat die c/o pop ihr Musikprogramm dieses Jahr auffälliger denn je diversifiziert. Elke Kuhlen, früher für das Booking der Gitarren-Bands zuständig und inzwischen Hauptverantwortliche für das Abendprogramm (»head of music«), sagt selbstbewusst: »Wenn es nur um Elektronik ginge, würde ich meine Koffer packen.« Beim Blick auf die Highlights wird die Schwerpunktverschiebung sofort klar: Dabei sind u.a. der schwedische Singer/Songwriter Jose Gonzales und die britischen Indie-Ikonen Television Personalities. Der harmolodische Gitarrist James Blood Ulmer, seines Zeichens Mitstreiter von Ornette Coleman, spielt mit seinem Trio im Rahmen des 15-Jährigen der Zeitschrift Jazzthing, somit ist auch Jazz abgedeckt. Sogar Neurosis, Altmeister in Sachen Breitwand-Endzeit-Hardcore, waren angefragt – aber leider zu teuer.
Selbstverständlich gibt es auch in der Elektronik-Abteilung ein paar Publikumsmagnete: Die guten, alten DAF spielen zur Festival-Eröffnung am Mittwoch, und als Techno-Superstar ist neben Sven Väth der musikalisch ambitioniertere und längst (fast) genauso populäre Ricardo Villalobos dabei. Auch in der Justierung der Programm-Standards zeigt sich das veränderte Selbstverständnis der c/o pop. Der Techno-Klassiker »Kompakt Total« bleibt auf seinem Platz, aber aus der ebenfalls notorisch 4-to-the-floor-lastigen »Deutschlandreise« am Samstag (Labels aus dem Inland verteilen sich auf die Clubs der Stadt) ist 2008 die »Local Heroes Clubnacht« geworden, eine Art »Kölnreise«: Bewährte einheimische Partyreihen stellen sich und ihre Residents vor – von Indie über Funk und Drum’n’Bass bis Techno. Die internationalen Bookings sind überschaubar, wenngleich um so hochklassiger: Deep-House-Ikone Larry Heard, Underground-Resistance-Legende Suburban Knight und DJ Mehdi vom Pariser Ed-Banger-Label. »Local Heroes«: stilistische Verbreiterung, ausgehpraktische Entzerrung und auffällig-unauffällige Verkleinerung in einem.
Welteroberungspläne muss man von der c/o pop nicht befürchten. Ein hochverdichtetes Konglomerat von lauter Szenestars, wie man es vom Melt!-Festival kennt, ist nicht das Ziel. Nur: Ein paar Headliner braucht jeder. Der Ruf geschmacklicher Kredibilität hat der c/o pop im Laufe der Zeit zwar ein paar Türen geöffnet, aber das allein reicht nicht aus. Elke Kuhlen über ihre Booking-Kniffe: »Bei dem Budget müssen wir halt nett sein. Und früh dran sein.« Das ist das Sympathische an der c/o pop: Man schätzt die eigene Größe realistisch ein.
Natürlich läuft eine Pressekonferenz auch hier wie eine Pressekonferenz, subkulturelle Anbindung hin oder her: Man übertrifft sich gegenseitig im wohlwollenden Stichwortgeben und zufriedenen Resümieren. Die städtischen Fördergelder sind erhört worden, die c/o pop im Haushalt verankert. Mehr Sponsoren gibt es dieses Jahr auch.
Themenschwerpunkt: Audiovisuelle Medien
Inhaltlich allerdings wird es auch dieses Jahr bei Messe (»affair«) und Workshops (»conference«) nicht um das große Geld gehen, sondern um das Überleben in der Nische. Großes Geld lässt sich mit Popmusik ohnehin kaum noch verdienen. Einer der Themenschwerpunkte dieses Jahr, angesichts der seit YouTube immer mehr verfügbaren Formate zur Selbstinszenierung: audiovisuelle Medien.
Apropos Nische: Mit Blick auf die sich seit fünf Jahren über Berlin erstreckende PopKomm hat man die geschrumpfte Medienmetropole Köln in ihrer speziellen Mischung aus Dörflichkeit und Urbanität zu schätzen gelernt. Claudia Jericho, bei der c/o pop als »head of professional« für die Messe verantwortlich: »Köln ist die ideale Stadt für eine solche Veranstaltung. Überall in der Stadt pulsiert das Festivalfieber, man kann sich zu Fuß von Ort zu Ort bewegen, und gleichzeitig gibt es mit dem Rheintriadem am Dom einen zentralen Punkt.« Angesichts des jüngsten Gerüchts, die PopKomm werde nach Köln zurückkehren, macht sich hier niemand ins Hemd: Die c/o pop sieht sich durch lokale Verwurzelung und geschmackliche Integrität gestärkt.
Eine Skurrilität bleibt allerdings: Eine Woche vor der Sause veranstaltet ein Mobilfunkanbieter, einer der c/o-pop-Sponsoren, ein recht geschmackssicher gebuchtes Festival in Köln – mit dicken Acts, die auch der c/o pop gut zu Gesicht stünden: Dizzee Rascal, Matthew Herbert, Massive Attack. Als Konkurrenz sieht man sich nicht, im Gegenteil: Sogar das Programmheft wird geteilt.
Das Musikfestival findet vom 13.-17.8. statt, die Messe »Professional c /o pop« vom 14.-16.8. Mehr Infos unter www.c-o-pop.de oder auf unseren Extra-Seiten c /o pop (ab Seite 39).