Tarnkappe ade
Ingrid Bischofs drückt ihrem Nachbarn die Attac-Fahne in die Hand und setzt sich resolut auf die Domplatte. Die 69-Jährige mit Nickelbrille und gestreifter Bluse lehnt neben einem Punk mit gelbem Iro, einer Studentin im Blümchen-Kleid und einem 14-Jährigen, der Kapuzenpulli und Baseballcap trägt. »Hakt euch unter und bildet einen Block«, ruft die Aktionstrainerin Sara Zavaree. »Steht auf, tanzt, wuselt, tut irgendwas. Aber bleibt untergehakt, dann kommt hier keiner durch!« Auf dem Boden liegen Plakate mit der Aufschrift »Stoppt den Rassisten-Kongress!«, aus einem Radiorekorder schallt ein Song von Ton, Steine, Scherben. »Wir stellen uns quer, den Nazi-Aufmarsch lassen wir nicht zu«, sagt Ingrid Bischofs empört. Mit rund fünfzig anderen Aktivisten nimmt sie am Aktionstraining teil, zu dem das »Bündnis gegen Pro Köln/Pro NRW« aufgerufen hat.
Unter dem Titel »Nein zur Islamisierung – Nein zur Kölner Großmoschee« mobilisiert die rechtsextreme »Bürgerbewegung Pro Köln« vom 19. bis 21. September Rassisten aus ganz Europa nach Köln zu kommen, um »gegen die schleichende Islamisierung und Überfremdung des Kontinents vorzugehen«. Als Redner angekündigt sind Jean-Marie Le Pen vom französischen Front National, Filip Dewinter von der flämischen Separatistenbewegung Vlaams Belang und Mario Borghezio, Europaabgeordneter der italienischen Lega Nord, der im Oktober 2005 zu einer Geldstrafe von 3000 Euro verurteilt wurde, weil er in Turin Zelte von Immigranten angezündet hatte. Eine Abordnung der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), darunter deren Chef-Demagoge Heinz-Christian Strache, wird ebenfalls erwartet.
Auch die Redner aus Deutschland kommen vom rechten Rand: Unter ihnen Harald Neubauer, der bei der vergangenen Bundestagswahl auf Platz zwei der Landesliste der NPD Sachsen kandidierte und Mitherausgeber der 1951 von ehemaligen SA- und SS-Funktionären gegründeten Zeitschrift Nation & Europa ist. Der aus der Unionsfraktion ausgetretene Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche hat ebenfalls zugesagt. 2006 verließ er die CDU, nachdem er in Pamphleten schwadronierte, man brauche Patriotismus, damit »Deutschland nie wieder von Multikulti-Schwuchteln in Berlin regiert wird«.
Ängste der Bevölkerung werden instrumentalisiert
Ursprünglich sollte auch der als Holocaust-Leugner vorbestrafte Nick Griffin von der British National Party dabei sein, mittlerweile ist er von der Liste verschwunden: »Das war denen dann scheinbar doch zu heiß. Ein solcher Redner passt ja nicht unter den Deckmantel der Bürgerlichkeit«, sagt Hans-Peter Killguss, Leiter der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus im NS-Dokumentationszentrum. Bislang hat sich die braune Truppe, in der ehemalige Mitglieder der Republikaner und der Deutschen Liga für Volk und Heimat den Ton angeben, um ein Biedermann-Image bemüht: Nicht als Kaderpartei, sondern getarnt als vermeintlich harmlose »Bürgerbewegung« greifen sie diffuse Ängste der Bevölkerung auf, pöbeln gegen Muslime, Minarette und Muezzinrufe und fischen in der Mitte der Gesellschaft nach Stimmen. Was früher das dumpfe »Ausländer raus« war, versteckt sich heute hinter Parolen wie »Nein zum Moscheebau«. »Mit dem Rassisten-Kongress zeigen sie ihre wahren Absichten«, sagt Killguss, der eine Fachtagung unter dem Motto »Feindbild Islam – Rechtspopulistische Kulturalisierung des Politischen« mitorganisiert.
Zu der zentralen Kundgebung am 20. September erwarten die Funktionäre von Pro Köln und ihrem landesweiten Ableger Pro NRW laut Internetseite »mehrere Tausend Besucher«. Am Vortag planen die Ultrarechten, die 2004 mit 4,7 Prozent in den Kölner Stadtrat eingezogen sind, eine »alternative Stadtführung durch Kölns Multikulti-Problemviertel«. Mit dem Kongress wollen sie nicht nur die rechten Parteien Europas vernetzen, sondern auch den Startschuss für den Kommunalwahlkampf 2009 geben. Ursprünglich sollte die Veranstaltung auf dem Roncalliplatz am Dom stattfinden. In Gesprächen mit der Polizei hat man sich auf den Heumarkt geeinigt.
Kölner machen mobil gegen rechts
In Köln formiert sich währenddessen breiter Widerstand. Von Massenblockaden über eine Ratsresolution bis hin zu einem Umzug mit 11.000 Bauchtänzerinnen reicht der Protest. Das »Bündnis gegen Pro Köln/Pro NRW«, dessen Aufruf unter anderem zahlreiche Initiativen, Politiker, der aktive Fanclub des 1. FC Köln und Künstler unterzeichnet haben, fordert dazu auf, die Innenstadt am 20. September »durch zivilen Ungehorsam zu verstopfen«: »Alle zentralen Zufahrtsstraßen sollen dicht sein! Die dürfen keine Chance haben mit ihrer menschenverachtenden Politik«, ruft Bündnis-Sprecher Reiner Schmidt beim Aktionstraining auf der Domplatte. 5000 Aktivisten erwartet er bei der Gegenveranstaltung.
Der DGB, der einen eigenen Aufruf initiiert hat, sammelt Unterschriften bis ins bürgerliche Lager. Bislang 1500 Organisationen und Personen von der Synagogen-Gemeinde über die lokale Wirtschaft bis hin zur Ditib, dem Dachverband der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, unterstützen die Aktion. Der Kölner DGB-Chef Wolfgang Uellenberg-van Dawen plant eine Kundgebung am Roncalliplatz mit anschließendem Demonstrationszug zum Heumarkt – schätzungsweise mit 10.000 Menschen: »Wir wollen nicht blockieren, aber trotzdem so nah wie möglich ran, um Druck zu machen.« Alle Ratsfraktionen haben den DGB-Aufruf unterschrieben – abgesehen von Pro Köln und der CDU. »Wir haben eine gleichnamige Resolution verfasst mit dem Zusatzvermerk, dass wir politischen Extremismus von rechts und links ablehnen«, sagt Winrich Granitzka, Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion. »Absurd«, meint Uellenberg-van Dawen, »extrem kleinkariert« findet SPD-Chef Jochen Ott diese Haltung.
Unrühmliche Rolle der CDU
Auch in der Diskussion um den Bau der Moschee in Ehrenfeld hat die CDU zuletzt eine unrühmliche Rolle abgegeben. Gemeinsam mit Pro Köln haben sie in der Bezirksvertretung Ehrenfeld und im Stadtentwicklungsausschuss überraschenderweise gegen den Bau der Moschee gestimmt. »Zu dominant« sei das Erscheinungsbild, vor allem die Höhe der Minarette und die Dimension der Kuppel seien Stein des Anstoßes, so Granitzka. Der Applaus vom rechten Rand war ihnen dafür sicher, versucht doch Pro Köln seit Jahren, mit ihrer Anti-Islam-Kampagne politisch konsensfähig zu werden. »Ein verheerendes Signal! Die Rechtsextremisten feiern jetzt, dass sie es geschafft haben, mit der CDU einen Stein aus dem Mosaik der demokratischen Parteien herauszubrechen«, findet Christoph Butterwegge, Professor für Politikwissenschaft an der Universität zu Köln. Übrigens wirbt Pro NRW auf ihrer Internetseite mit einer Aussteiger-Hotline für CDU-Mitglieder.
Die Kölner CDU will ihren Kurs dennoch beibehalten. Granitzka hatte angekündigt, dass die Partei auch im Rat Ende August geschlossen gegen den Moscheebau und gegen ihren Oberbürgermeister stimmen werde: »Vor Beifall von der falschen Seite ist keine Partei gefeit. Wir müssen unsere Politik unabhängig davon weiterführen.« An der Kundgebung des DGB werde die CDU-Spitze aber selbstverständlich teilnehmen, so Granitzka.
Auf der Domplatte wird es langsam ruhig, nach dem Aktionstraining sind Sitz-, Steh- und Wuselblockade eintrainiert. Ingrid Bischofs strahlt über beide Ohren. »Wir sind richtig motiviert.« Die 69-Jährige wird sich am 20. September voraussichtlich auch in der Menge unterhaken, wenn nicht eine Fußoperation dazwischenkommt. »Ansonsten verteile ich Flugblätter am Rand der Blockade. Jeder muss was gegen diese widerlichen Typen tun!«
Gegenveranstaltungen – eine Auswahl
5.-7.9. »Feel the Difference« Konferenz.
Antifa AK Köln lädt in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dem Asta der
Uni Köln und der Fachschaft Geschichte ein.
Alte Feuerwache, www.no-racism.mobi
12.-18.9. »Kein Kölsch für Nazis«
Aktionswoche. Der Zusammenschluss
von bislang 150 Kölner Kneipen und Kulturschaffenden plant Konzerte und Events in
Kneipen und Clubs.
www.hingesetzt.mobi/kneipenkultur
13.9. »Feindbild Islam – Rechtspopulistische Kulturalisierung des Politischen« Fachtagung. (siehe Tagestipp). Veranstalter: Arbeitsstelle Neonazismus an der FH Düsseldorf und Informations- und Bildungsstelle des NS-Dokumentationszentrum in Kooperation mit der VHS. Die Teilnahme ist kostenlos, Pauschale für Verpflegung: 10?€. Anmeldung bis 5.9.
unter ibs@stadt-koeln.de.
VHS Köln, Josef-Haubrich-Hof, 10 Uhr,
www.nsdok.de/ibs
20.9. »Wir stellen uns quer! Europäische Rassisten haben in Köln keinen Platz!«
Demonstration. Vom DGB initiierter Aufruf. Geplant ist eine Kundgebung am Roncalliplatz ab 10 Uhr mit anschließendem Demonstrationszug zum Heumarkt.
www.dgb-region-koeln.de
20.9. »Aufgestanden! Hingesetzt! Blockiert!« Blockade. »Bündnis gegen Pro Köln/Pro NRW«: Durch zivilen Ungehorsam soll der »Anti-Islam-Kongress« blockiert und verhindert werden. Treffpunkt ab 9 Uhr in der Nähe des Heumarkts.