Rolf Dieter Brinkmann-Stipendium für Marie T. Martin

Die neue Stipendiatin der Stadt Köln hat in Leipzig studiert - und bewahrt trotzdem ihren eigenen Stil

Auch 2008 Jahr vergibt die Stadt Köln das Rolf Dieter Brinkmann-Stipendium für Literatur: Nach Gunther Geltinger 2007, dessen Debüt-Roman diesen Herbst erschienen ist (siehe S. 79), erhält es die 1982 in Freiburg geborene Marie T. Martin. Es ist nicht ihre erste Auszeichnung: 2007 wurde ihr der Förderpreis des MDR-Literaturwettbewerbs zugesprochen, in diesem Frühjahr war sie die erste »Dorfschreiberin von Eisenbach«. Hervorgetreten ist sie bislang mit kürzeren Erzählungen, von denen einige in einer in Zusammenarbeit mit der Illustratorin Ulrike Steinke sehr liebevoll gestalteten Siebdruckheft-Reihe erschienen sind. Zur Zeit arbeitet sie an einem längeren Manuskript – für dessen Fertigstellung der mit 10.000 Euro dotierte Förderpreis den nötigen Freiraum ermöglicht.

Dass sie schreiben kann, hat Marie T. Martin übrigens auch amtlich: Sie hat erfolgreich ein Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig abgeschlossen, jener Einrichtung, die gegründet wurde, um das literarische Schreiben in Deutschland zu fördern und von der Spötter gerne
behaupten, sie fördere vor allem einen hauseigenen »Instituts-Stil«: eine irgendwie poetische Prosa, die sich elegant an den Oberflächen des irgendwie melancholischen Lebens entlang arbeitet. Von diesem Einfluss ist Martins Schreiben erfreulich frei geblieben. In mancher Hinsicht lesen sich ihre Arbeiten wie eine Art Kontrastprogramm zur »DLL-Schule«.

Die Melancholie bleibt bei Marie T. Martin nicht mehr an der Oberfläche, sondern geht an die Substanz. In ihren Erzählungen schildert sie eine Welt, die immer kurz davor ist, komplett aus den Fugen zu geraten, eine alltägliche Welt, die durch ganz konkrete Bezüge als die unsere kenntlich gemacht ist. Die Poesie ist da kein schmückendes Beiwerk, sondern ein Mittel der Selbstbehauptung angesichts immer aggressiverer gesellschaftlicher Um­stände. Das alles könnte schnell zu einer deprimierenden Lektüre werden, wenn die Autorin nicht auch geschickt mit Humor zu arbeiten wüsste. Denn eines hat Martin auf alle Fälle gelernt, ob nun in Leipzig oder anderswo: Der Eskapismus ist auch nicht mehr das, was er mal war. Wie es danach weitergehen kann, zeigen die Texte von Marie T. Martin.

Preisverleihung & Lesung:
Mi 19.11., Literaturhaus, 20 Uhr,
Eintritt frei

Derzeit arbeitet Marie T. Martin an einem längeren Text für die StadtRevue, den wir als Sondergeschichte
in der Ausgabe 1/09 veröffentlichen