Zwischen Altstadt und Mond
Auf der Couch des Kölner Psychologen Stephan Grünewald ist viel Platz. 2006 lag dort die gesamte Bundesrepublik, der Grünewald in »Deutschland auf der Couch« eine große Unzufriedenheit attestierte. Grund sei ein »Glücksabsolutismus«, ein ständiges Streben nach Perfektion, das den Alltag zum Hamsterrad mache.
Nun hält Grünewald das Gegenmittel bereit. Und das findet er in der kölschen Mentalität. Das Buch »Köln auf der Couch«, das sich auf 700 Tiefeninterviews stützt, kommt zum Ergebnis: Die Kölner sind glücklich – weil sie nichts erwarten, sich vieles schönreden und Gemütlichkeit ungesundem Ehrgeiz vorziehen.
Den kölschen Zustand der Gelassenheit analysiert Grünewald witzig und originell. Als Sinnbild für den Spagat zwischen Provinzialität und Größenwahn dient ihm die Schmitzsäule nahe des Heumarkts. Die Stele verweist unter anderem auf die erste Mondlandung 1969 – und nennt zugleich die Entfernung der Astronauten zur Altstadt, dem Nabel der Welt.
Leben in der Kaffeebud
Manche von Grünewalds Analysen sind auf Pointen hin konstruiert. So feiert der Psychologe den Schwad in der kölschen Kaffeebud als Prinzip lebenskluger Lockerheit und stellt ihm das Prinzip der prunkvollen, aber ungemütlichen Gästetoiletten gegenüber, die er bei betuchten Düsseldorfern vermutet.
Grünewald zeigt aber auch die Nachteile des Köln-Prinzips, unter anderem im Kapitel über den Klüngel, das sich vor allem auf die Arbeit des Kölner Journalisten Frank Überall stützt.
Insgesamt ist »Köln auf der Couch« ein geistreiches und
lustiges Buch, das allerdings nicht frei von Klischees ist.
Man geht damit am besten auf kölsche Art um: Man amüsiert sich über das, was einem gefällt – und den Rest nimmt man halt einfach so hin. Genau wie in der Kaffebud. (bw)
Stephan Grünewald: Köln auf der Couch.
Die Unzerstörbarkeit der Sehnsucht. KiWi Köln,
Köln 2008, 128 S., 9,95 €