Auf der Suche nach Lena Kersal aus Poll

Zehn Tage Lesungsmarathon auf der lit.Cologne – und wie geht es eigentlich dem hiesigen Nachwuchs? Achim Wagner über die Literaturstadt Köln diesseits und jenseits des Mega-Festivals

Schneller, höher, weiter! Ab dem 12. März präsentiert sich die lit.Cologne zum neunten Mal, mit einem erneut erweiterten Programm. Wurde das internationale Literaturfest in seinen Anfängen von kulturpolitischer Seite noch aus kritischer Distanz betrachtet, so hat es sich mittlerweile nicht nur im städtischen Bewusstsein verankert. Es ist zu einem Aushängeschild für die Literaturstadt Köln geworden.

Dass es den Machern neben der Präsentation publikumswirksamer Schriftstellerinnen und Schriftsteller auch um Nachwuchsförderung geht, zeigte sich beispielsweise im vergangenen Jahr, als sich an vier Abenden ambitionierte »junge Literaturmagazine« mit ihren der Öffentlichkeit (noch) weitgehend unbekannten Autoren präsentieren konnten. Auch diesmal kann man an einem »Debütantenabend« die Arbeiten junger Autoren kennen lernen.

Sucht man aber nach dem literarischen Nachwuchs aus Köln, so wird man in dem aktuellen Programmheft nicht fündig, und folgt man den – erschreckend niedrigen – Bewerber-Zahlen für den Nachwuchs-Förderpreis der Stadt Köln, das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium, so fragt man sich: Gibt es ihn überhaupt, den schriftstellerischen Nachwuchs in dieser Stadt?

Leipzig, München, Hamburg, Berlin

Man möchte schnell ausrufen: Ja, es gibt ihn, da ist doch die gegenwärtige Brinkmannstipendiatin Marie T. Martin, gerade mal 26 Jahre alt, bereits überregional ausgezeichnet und wahr genommen, am Anfang ihrer literarischen Karriere! Und da gibt es den 30-jährigen Thien Tran, jüngst Sieger in der Sparte Lyrik beim renommierten Nachwuchswettbewerb »open-mike« der Literaturwerkstatt Berlin.

Ein Blick in die gegenwärtigen Anthologien der Publikumsverlage, die sich dem literarischen Nachwuchs in Deutschland widmen, zeigt aber ein anderes Ergebnis: Der ambitionierte Nachwuchs kommt aus Leipzig (das heißt aus dessen Literaturinstitut), er kommt aus München, Hamburg, und – natürlich – aus Berlin.

Köln findet kaum statt. Und so mag es nicht wundern, dass diesbezügliche Diskurse, die generelle Sorge um die kulturelle Bedeutung der Stadt, sich auf einen Vergleich mit der Hauptstadt festlegen, als Gradmesser, was sich der bisweilen durchaus sympathischen rheinischen Hybris verdankt.

Initiativen aus der Szene heraus

Interessanter, weil lehrreicher sind Vergleiche mit München oder Hamburg. Wie in diesen beiden Städten gibt es in Köln ein breit gefächertes Angebot an Lesungen, regelmäßigen Lesereihen, Lesebühnen, gibt es immer wieder Initiativen aus der Szene heraus, gibt es alteingesessene und gut frequentierte Podien für den ersten Auftritt literarischer Newcomer.

Man findet Textwerkstätten, immer noch verrauchte Hinterräume, in denen über Literatur diskutiert und gestritten wird. Es gibt ein agil betriebenes Literaturhaus, es gibt spannende große und kleine Verlage. Die Infrastruktur also stimmt in Köln.

Woran es hapert, ist zum einen der mangelnde Austausch innerhalb der Szene, die sich selbst in weitere Mikrokosmen unterteilt. Oder, wie es der Kölner Schriftsteller und Mitbetreiber des »Literarischen Salons« Guy Helminger mehrfach formulierte: Es gibt hier keine Autoren, die Lesungen von Kollegen besuchen, es sei denn, man kennt sich persönlich.

Kein Austausch, keine Reibung

Zum anderen gibt es die Kluft zwischen Szene und literarischer Hochkultur. Kaum ein Vertreter einer der beiden Bereiche, der den Weg zum anderen finden wollte. Man bleibt unter sich. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist ein regelmäßiger übergreifender Austausch, ist konstruktive Reibung, was besonders für junge Autoren aber unerlässlich ist. Die unmittelbaren Impulse von Außen fehlen, die ebenso unerlässlichen Kontakte, weiterführende Informationen, Transparenz.

Dass es neuerdings ein frisches und fundiertes (und hoffentlich auch umsetzbares) Literaturförderkonzept der Stadt Köln gibt, das die neue Generation »Literaturbeauftragter« im Kulturamt Barbara Förster und Konrad Schmidt-Werthern Ende 2008 vorgelegt haben, ist ein erster Schritt.

In diesem Zusammenhang wäre es bedenkenswert, inwieweit die Vergabe eines einzigen, wenngleich hoch dotierten Stipendiums wirklich der allgemeinen Förderung des literarischen Nachwuchses dienlich ist. Wäre es nicht sinnvoll, mehrere Förderstipendien respektive Förderpreise pro Jahr zu vergeben, wie das in Hamburg oder München schon praktiziert wird? Das Brinkmann-Stipendium könnte ergänzt werden um regelmäßig städtisch vergebene Arbeitsstipendien – die Zahl der Bewerber würde steigen.

Schülerförderung Fehlanzeige

Ebenso wünschenswert ist eine gezielte Förderung des jüngsten Nachwuchses: der literarisch schreibenden Schülerinnen und Schüler. Es fehlen regelmäßige Schreib- und Diskussionskurse, eine Aufgabe, der sich arrivierte Kölner Autorinnen und Autoren und literarische Institutionen gemeinsam annehmen könnten.

Hier lohnt wieder ein Blick ins aktuelle Programm der lit.Cologne: Da findet sich beispielsweise eine Lesung der 13-jährigen Anne Katrin Kreisel, die ihren Thriller »Tödliche Freundschaft« vorstellt (13.3.). Und mit etwas Optimismus und Phantasie kann man sich vorstellen, dass es irgendwann »Zum siebzehnten Mal lit.Cologne« heißen wird und ein Veranstaltungspunkt lautet: »Begleiten sie die 12-jährige Lena Kersal aus Poll auf ihrer Suche nach dem goldenen Alexandriner.«


Zum Autor
Achim Wagner, 1967 in Coburg geboren, lebt seit 13 Jahren als freier Schriftsteller in Köln. Er publizierte u.a. 2006 den Gedichtband »vor einer ankunft« im yedermann Verlag (München) und ist derzeit Stipendiat der Kunststiftung NRW.


Wo trifft man den Nachwuchs?
Eine Auswahl an Kölner Lesebühnen mit den Terminen im März

Carambolage im Bogen 2 Trankgasse 20, jeweils am 2. Do im Monat, 20.30 Uhr
Inszenierte multimediale Konzert-Lesereihe mit wechselnden Themen und Autoren, Musik. Leitung: Francois de Ribaupierre. Karten: 739 34 61 oder carambolage@gmx.de, Eintritt: 9/6 Euro
Do 12.3., 20.30 Uhr: »Der Tunnel« (Dürrenmatt) mit Musikern & Schauspielern & Sounddesign

Dichterstunde im Café Storch Aachener Straße 17, jeden Montag 23.30 bis ca. 00:30 Uhr.
Offene Lesbühne ohne Moderation, wer sich auf den Lesehocker setzt darf lesen.

Freie Geister Artheater, Ehrenfeldgürtel 127
Unregelmäßige Lese-Happening-Performance-Reihe mit Kölner Autoren / Performern, Eintritt 5 Euro, Karten: kontakt@artheater.de, 550 33 44
Mi 18.3., 20 Uhr: »Frühlings.tamtam.Lenz« mit Anke Fuchs, Florian Cieslik, Mary-Noele Dupuis, Christian Breuer (Musik M. Mierke, P. Wittenhorst

Lesebühne Köln (ehem. Lesebühne am Brüsseler Platz) Raketenklub, Weidengasse 21, jeden 3. Do im Monat, 20 Uhr
Lesung mit Kölner oder auswärtigen AutorInnen, den Organisatoren Adrian Kasnitz u. Enno Stahl. Unkostenbeitrag 5 Euro, Kontakt: delseit@ish.de
Do 19.3., 20 Uhr: Nika Bertram, Adrian Kasnitz, Stan Lafleur, Enno Stahl

Literatur um Acht Café Duddel, Zülpicher Wall 8, jeden Do 20 Uhr
Wöchentliches Leseforum für eigenverfasste Texte, Beiträge max. 10 Minuten, Anmeldung: vor Beginn oder Tel. 130 08 98, literaturumacht@aol.com. Eintritt frei

Schöner lesen Café Franck, Eichendorffstraße 30, jeden ersten So im Monat, 17 Uhr
Leseshow mit Armin Bings und 2 Gästen (Kurzgeschichten, Lyrik, Reiseberichte, Kabarett), Eintritt frei, Kontakt: raindog@gmx.org
So 1.3., 17 Uhr: Christian Breuer & Michael Thobrock (Musik) präsentieren Ausschnitte aus ihrer Bühnenshow »Sehnsucht und Dämonen«.

4 Stühle - 4 Stile Café Duddel, Zülpicher Wall 8, alle zwei Monate am 3. Mo, 20 Uhr
Jeweils 4 von Rainer Junghardt geladene AutorInnen tragen eigene Texte vor, die sich stilistisch unterscheiden sollen, Eintritt frei, Kontakt: Rainer_Junghardt@hotmail.com; T: 941 40 52

Kunst gegen Bares Severins-Burg-Theater, Eifelstraße 33, jeden Mo 20 Uhr.
Offene Bühnenshow (Literatur, Schauspiel und andere Talente) mit Gerd Buurmann u. Hildegart Scholten. Eintritt: mind. 3 Euro zugunsten der KünstlerInnen, Kontakt: gerdbuurmann@hotmail.de