In der Schlangengrube

Nach Fritz Schrammas Verzicht fand die CDU wochenlang keinen Kandidaten für die Oberbürgermeister-Wahl.

Nun muss der Berliner Peter Kurth, der in Köln ein Nobody ist, in einen schwierigen Wahlkampf ziehen.

Frank Überall über den desolaten Zustand der Kölner CDU.

 

Während SPD und Grüne mit ihrem OB-Kandidaten Jürgen Roters seit Wochen Wahlkampf machen, stand die CDU bis zum 11. Mai ohne Kandidaten da. Und das, obwohl nach Fritz Schrammas Verzicht eine Findungskommission eingesetzt wurde. Doch das Geheimgremium kassierte bloß Absagen: Wolfgang Bosbach, Ursula Heinen, Konrad Adenauer...

Schließlich wurde Peter Kurth aus Berlin präsentiert. Doch den ehemaligen Berliner Finanzsenator kennt selbst in der Kölner CDU kaum jemand. Auch ist der Union wertvolle Zeit für den Wahlkampf verloren gegangen, und das Hickhack bei der Kandidatensuche könnte sich auch auf das Ergebnis für die Partei auswirken: Denn nicht nur der OB-Posten wird im Herbst in einem eigenen Wahlgang neu besetzt, sondern es wird zeitgleich auch ein neuer Rat der Stadt gewählt.
Selbst wenn Peter Kurth die OB-Wahl gewinnen würde, wäre das für ihn keine einfache Situation.

Denn die Machtverhältnisse haben sich im Laufe der vergangenen Monate nach links verschoben, und laut Umfragen werden SPD und Grüne, die derzeit in ihren Anträgen oft noch von der Linkspartei unterstützt werden, die Mehrheit im Stadtrat bekommen. Schon beim Blick auf die aktuelle Dezernentenbank wird sich so mancher in der CDU rot und grün ärgern: Denn wenn der OB als Verwaltungschef einer ganz anderen Partei angehört als die Mehrheit seiner Dezernenten, ist die Steuerung nicht leicht. Obwohl in der Gemeindeordnung von konstruktiver Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene die Rede ist, spielt man in Köln immer noch »Regierung und Opposition« – der CDU-Oberbürgermeister würde bei einer rot-grünen Mehrheit womöglich beides in einer Person vereinen müssen. Diesen Spagat hat die Kölner CDU schon ausführlich vollzogen: Sie ist seit der letzten Kommunalwahl stärkste Fraktion im Rathaus – doch zu sagen hat sie nichts. Nach schwarz-gelben und schwarz-grünen Abenteuern gelang es den Funktionären, auch noch eine Große Koalition gegen die Wand zu fahren. Seitdem sitzt die CDU als stärkste Fraktion im Schmollwinkel. Der Machtverlust frustriert natürlich die Basis, also diejenigen, die Wahlkampf für Peter Kurth machen sollen. Wenn keine Plakate geklebt und Flugblätter verteilt werden, wenn niemand an CDU-Werbeständen mit den Bürgern spricht – dann macht kein Kandidat eine gute Figur. Viele CDU-Mitglieder in Köln haben längst innerlich gekündigt. Der Kölner Notar Konrad Adenauer, Enkel des ersten Bundeskanzlers, hat schon darüber nachgedacht, aus dieser CDU auszutreten. Es gilt nach wie vor das Wort des ehemaligen Kohl-Beraters Pater Basilius Streithofen, der die Kölner Union als den »verlottertsten Kreisverband in Nordrhein-Westfalen« bezeichnet hat.

Sicher, man muss klüngeln können, um Oberbürgermeister in Köln zu werden, und diese »Drenk doch ene met«-Mentalität macht nicht nur das politische Leben in Köln oft liebenswert. Aber sie wird zur Gefahr, wenn man sich im Gestrüpp des Klüngels verheddert und in die Korruption rutscht. Das hören die Betroffenen nicht gerne, und da ist Umdenken angesagt: Wer im Dschungel von Kölns Amtsstuben überleben will, darf sich nicht vereinnahmen lassen. Doch die Spitzenleute gaben dafür bislang kein Vorbild ab, an dem man sich zuverlässig orientieren könnte.

So wird vor dem Kölner Landgericht immer noch ein Spendenskandal um den ehemaligen Parteivorsitzenden Richard Blömer verhandelt. Obwohl 2003 die Vorwürfe gegen ihn bekannt wurden, ließ er sich wieder als Kandidat für den Landtag aufstellen. Jürgen Rüttgers, damals hoffnungsfroher CDU-Spitzenkandidat in NRW, fuhr persönlich nach Köln, um den Parteifreunden die »Skandalitis« auszutreiben. Er sorgte dafür, dass Blömers landespolitische Karriere beendet war. Heute bewerfen sich CDU-Mitglieder vor Gericht mit Dreck, behaupten es gehe nur darum, Richard Blömer persönlich »fertigzumachen« – die unschönen Schlagzeilen dürften im Kommunalwahlkampf so manche inhaltliche Diskussion überschatten.

Die nächste Falle im Kölner CDU-Dschungel kommt unter dem vermeintlich harmlosen Begriff »Berater« daher. Solche braucht man, wenn man eine Stadtverwaltung gut leiten will, und daher muss man sich brillante Köpfe an die Spitze holen. OB Fritz Schramma hat das nicht konsequent beachtet. Dass Berater aber an allen Stellen die Vermeidung politischen Übels wären, kann man gerade in Köln nicht konstatieren: Es hat den Anschein, dass die sonst beratungsresistenten Volksvertreter in heftiges Kopfnicken geraten, wenn es um die Verteilung lukrativer Beraterverträge geht. Zumal es oft zum Wesen des Beratervertrages zu gehören scheint, dass man zwar Geld kassiert, aber bitteschön bloß nicht berät.

Ob das aus juristischer Sicht bei den CDU-Politikern Josef Müller und Rolf Bietmann der Fall war, ist noch nicht erwiesen. Bisher aber war es zumindest schwierig, Belege für Beratungsleistungen zu finden, die die Sparkasse bezahlt hatte. Doch der Ex-Bürgermeister Müller und der frühere Bundestagsabgeordnete Bietmann sind trotz »Skandalitis« nicht ganz verschwunden, was nach Jahrzehnten intensivsten Engagements auch ein Wunder wäre. Ein OB-Kandidat darf das nicht unterschätzen: Immer wieder waren die Beteiligten an schweren Flügelkämpfen in der Kreispartei beteiligt, und von der Bereitschaft zu solchen Auseinandersetzungen kann man nicht einfach zurücktreten wie von politischen Posten. Das ist auch der Grund, warum die Kölner CDU 2005 das sogenannte Delegiertensystem bei ihren Parteitagen abgeschafft hat. Dabei hatten die 46 Ortsverbände ihre Vertreter ausgesiebt, die möglichst auf der Linie der jeweiligen Oberen lagen. Früher war man je nach Wohnort streng einem innerparteilichen Flügel zugeordnet – und der stand nicht etwa für politisch-inhaltliche Ausrichtungen, sondern für ein personell-machttaktisches Versorgungssystem.

Entsprechend standen sich bei Parteitagen Blöcke gegenüber, die kaum mehr ernsthafte Diskussionen wagten. Wer dem Falschen applaudierte, flog beim nächsten Mal im Ortsverband als Delegierter raus. Jetzt gibt es Mitglieder-Parteitage, bei denen jeder zahlende CDU-Anhänger eine Stimme hat. Das macht es für skrupellose Strategen schwieriger, die Masse zu lenken.
Der, der das eingeführt hat, konnte seinen Erfolg kaum genießen. Inzwischen ist er selbst zur Belastung für die CDU geworden, und damit auch für den neuen OB-Kandidaten: Walter Reinarz, im Vorstand der KVB. Wegen einer Pensionsaffäre ist er als CDU-Chef zurückgetreten, beim Einsturz des Historischen Archivs spielte er eine unrühmliche Rolle, die erneut in Rücktrittsforderungen gipfelte. Auch hier sind für die CDU unbequeme Schlagzeilen zu erwarten – nicht gerade ein Bonus für den Wahlkampf von Peter Kurth.

Als ob das alles noch nicht genug Angst in der Grube züngelnder CDU-Schlangen wäre, kommt erschwerend für Peter Kurth hinzu: Die Kölner suchen den Super-Schnäuzer! Einen Menschen zum Anfassen, der bei Karnevalssitzungen und Kaninchenzüchtervereinen Kölsch spricht und trinkt. Fritz Schramma war die Inkarnation dieses Sympathieträgers, dem man gerne die eine oder andere Tollpatschigkeit nachsah. Peter Kurth hingegen verkörpert geradezu den Anti-Schramma, der sich mit Wirtschaftskompetenz und Erfahrung im Umgang mit einer Verwaltung profilieren will. Dieses Management- und Bürokratie-Know-how glaubhaft zu machen, wird seine wichtigste Aufgaben sein – und einzige Chance. Gleichwohl wird er damit leben müssen, dass er die Popularität Schrammas in der ihm verbleibenden Zeit so kaum erreichen kann.

Der Journalist Frank Überall (38) lehrt als promovierter Politikwissenschaftler
an der FH Düsseldorf. Mit anderen Kölnern hat er außerdem das Expertenportal
www.politikinstitut.de gegründet.