Späte Ehrung

»Nach dem Krieg haben wir gehofft, dass unsere Handlungen anerkannt werden. Aber wir sind weiter nur als Feiglinge, Kriminelle, Vorbestrafte und Verräter beschimpft worden«, sagt Ludwig Baumann, der 1942 aus der Wehrmacht desertierte. Baumann wollte seinen Vorgesetzten nicht die Stiefel putzen, russische oder französische Soldaten als »Untermenschen« betrachten und: nicht töten. Für diese Systemverweigerung wurden rund 30.000 Deserteure zum Tode verurteilt, 20.000 von ihnen hingerichtet. Weitere 100.000 haben – im Gegensatz zu Baumann – Konzentrationslager und Strafbataillon nicht überlebt.

Köln ist bundesweit die erste Kommune, die mit einem Denkmal an diese vernachlässigte Opfergruppe der nationalsozialistischen Militärjustiz erinnert. Erst 2002 hatte der Bundestag die von NS-Gerichten verhängten Urteile aufgehoben. Bislang gibt es in Deutschland 15 kleinere Gedenk­stätten, die größtenteils privat errichtet wurden.
Im letzten Jahr hatte die Stadt Köln, angestoßen durch einen 2006 gestellten Antrag der damaligen PDS, der breite Unterstützung im Rat fand, 14 Künstler zu Beiträgen aufgefordert – von international etablierten wie Rosemarie Trockel bis hin zu Nachwuchsschaffenden. Die prominent besetzte Jury, darunter auch der Vorsitzende der Bundesvereinigung »Opfer der NS-Militärjustiz« Ludwig Baumann, entschied sich für den gemeinsamen Entwurf der Künstler Ruedi Baur und Denis Coueignoux (Paris/Zürich): eine Pergola, deren Dach in drei Metern Höhe eine farbige Buch­stabensequenz bildet. »Hommage an Soldaten die sich weigerten zu schiessen auf die Soldaten die sich weigerten zu schiessen auf die Menschen die sich weigerten zu töten«, setzt der »Kettentext« ohne Punkt und Komma an, der je nach Lichteinfall ein Schattenspiel auf den Boden wirft.

»Der Text des Kunstwerks ist eine sehr persönliche Hommage an die Deserteure. Die Formensprache weist in die Zukunft und hebt sich ab von anderen, oft düsteren Mahnmalen«, sagt Karola Fings vom NS-Dokumentationszentrum, das gemeinsam mit einer Projektgruppe den Künstlerwettbewerb inhaltlich vorbereitete.

Am 1. September, dem 70. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, soll die Gedenkstätte am Appellhofplatz eingeweiht werden, in direkter Nähe zum früheren Gestapogefängnis (NS-Dok) und dem heutigen Verwaltungsgericht, wo zahlreiche Gegner des NS-Regimes verurteilt wurden. Der Rat stellt für die Gestaltung von Denkmal und Platz 130.000 Euro bereit, 10.000 davon sind Spendengelder, die die Projektgruppe sammelte.
»Für mich geht damit ein großer Traum in Erfüllung«, sagt der 88-jährige Ludwig Baumann. Nun hat er nur noch ein politisches Ziel: die Rehabilitierung sogenannter Kriegsverräter. Die hat der Bundestag bislang verweigert.