Das Ende der Bescheidenheit

Nachdem der Berliner Popkomm erst mal die Luft ausgegangen ist, schickt sich das Kölner Festival c /o pop an, groß rauszukommen.

Rouben Bathke beleuchtet die Ausgangslage

Als die weltgrößte Musikmesse Popkomm 2003 den Standort von Köln nach Berlin verlegte und damit einer ganzen Reihe von Musik- und Entertainment-Firmen folgte, war die Enttäuschung in Köln groß. Jubelstimmung dagegen in Berlin: »Nun kommt sie endlich nach Hause, die Popkultur.«

Dieses Jahr ist die Popkomm angesichts der anhaltend schwierigen Lage der Musikindustrie abgesagt, und nicht wenige Branchenkenner gehen davon aus, dass damit das Aus des einstigen Riesen endgültig besiegelt ist. Schon die letzten Jahre der Musikmesse in Köln waren krisengeschüttelt. Der Umzug in die Hauptstadt konnte nicht langfristig über die Umsatzeinbrüche der Branche hinwegtäuschen. Mittlerweile ist die ausgeblutete Popkomm zum Symbol schlechthin für die Krise der Musikindustrie verkommen.

In Köln aber hat sich in den vergangenen sechs Jahren das Festival, das die Kölner Musikszene einst über den Verlust der Popkomm hinwegtrösten sollte, im Windschatten der Krise zu einer zentralen Größe im hiesigen Popleben etabliert.

Programmatisch ist die c /o pop – das Kürzel steht für
»cologne on pop« – in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen, die Besucherzahlen sind mit jeweils knapp 30.000 Festival-Besuchern und etwa 1.000 Teilnehmern an der Fachmesse stabil. Die Popkomm-Absage katapultiert die c /o pop jetzt ins Rampenlicht, die Veranstalter spüren ein deutlich gestiegenes Interesse: »Wir führen im Moment viele Gespräche mit Sponsoren, Firmen und Personen, die sonst auf die Popkomm fahren«, sagt Norbert Oberhaus, Chef und einer der Gründer der c /o pop. Auch die mediale Aufmerksamkeit werde dieses Jahr deutlich höher sein: »Nach der Absage schauen die Leute automatisch auf uns als Kölner Alternative zur Popkomm.«

Oberhaus hat mit seinem zwanzigköpfigen Festival-Team erst kürzlich die neuen Büros im ehemaligen 4711-Verwaltungs­gebäude in Ehrenfeld bezogen. Hier soll mit der c /o pop, dem Intro-Verlag und fünfzig weiteren Firmen ein neues Kreativzentrum der Kölner Musik- und Veranstaltungswirtschaft entstehen: »Sound Of Cologne«. Es herrscht Aufbruchstimmung – der allgegenwärtigen Krise zum Trotz. »Aus heutiger Sicht war der Weggang der Popkomm ein Befreiungsschlag«, befindet Oberhaus.

Begonnen hatte es eher aus Trotz. Ende 2003 machte sich ein Verbund ortsansässiger Kulturschaffender um Norbert Oberhaus, der zuvor lange Jahre im Stadtgarten Programm gemacht hatte, daran, eine Alternative zur abgewanderten Musikmesse zu planen, allerdings ohne den Anspruch, die Popkomm ersetzen zu wollen. Im Gegenteil. Als Reaktion auf die Rezession im Musikmarkt richteten sie den Fokus neu aus: Statt Branchengrößen sollte sich in Köln die lokale (Elektronik-)Szene versammeln und feiern, Clubs und lokale Veranstalter holten sie mit ins Boot, den programmatischer Schwerpunkt bildete die Stärke der Szene: Techno. Wichtig war es den Machern, Tuchfühlung zum Underground zu wahren, zahlreiche verheißungsvolle Acts aus der popkulturellen Peripherie sollten im Rahmen der c /o pop erstmalig nach Deutschland kommen.

Viel haben die Organisatoren in den letzten Jahren experimentiert. Mittlerweile sind die Line-ups der Konzerte und Partys weit über den Elektro-Horizont ausgedehnt, Gitarren kommen verstärkt zum Einsatz, die Spielorte und Festivalzentralen wechseln und verteilen das Event inzwischen über die gesamte Innenstadt. Die c /o pop hat sich zur Digital- und Entertainment-Messe ausgewachsen.

Dieses Jahr steht bei der Convention, dem Teil der c /o pop, der sich explizit als ­Messe begreift, alles unter dem Motto »Pop Culture 2.0«, man ahnt es: unter anderem stehen das »Web 2.0« und die sich darin bietenden Chancen (!) für die Musikindustrie im Mittelpunkt. Das ist insofern bemerkenswert, als der alte Popkomm-Impresario Dieter ­Gorny die Internetpiraterie als Ursache für das (vorläufige) Ende der großen Musikmesse ausgemacht hatte. Musik-Diebstahl im Internet erlaube es vielen Unternehmen finanziell nicht mehr an der Popkomm teilzunehmen, so die Logik des einstigen Gurus der Musik­industrie. Die c / o pop, sagen Branchen­insider, habe hingegen auf die Veränderungen in ­der Musik-Branche, in der es kleinteiliger zugehe, man als Produzent mehr Flexibilität beweisen müsse und mit Plattenverkäufen wohl kaum noch große ­Gewinne erzielen werde, vorzeitig reagiert und das Internet von Anfang an als neuen Weg der Kulturvermarktung verstanden.

»Die c / o pop ist näher am Kunden und versteht sich weniger als Erfüllungs­gehilfe einseitiger Interessen«, urteilt Wolfgang ­Voigt, Chef des Techno-Labels Kompakt und als Aushängeschild der Kölner Elektronik-Szene, natürlich Stammgast auf der c /o pop. »In ihrer Machart und in ihrem Ansatz, stets zwischen verschiedenen Interessen der Musikszene zu vermitteln, ist sie auch die sympathischere Alternative.« Sympathischer offensichtlich als die Popkomm, der Kompakt stellvertretend für viele andere unabhängige Labels längst den Rücken gekehrt hat.

Bei der sechsten c /o pop werden insgesamt 200 Künstler rund um das dritte August-Wochenende die Stadt bespielen. Neben den obligatorischen Club- und Open-Air-Konzerten findet das Konzert der Headliner Beirut und The Notwist in der Philharmonie statt: Die c /o pop geht erstmals auf Tuchfühlung mit der hiesigen Hochkultur. Auch Opernterrassen, Schauspielhaus Köln und der Offenbachplatz als neuer Austragungsort für Festival und Convention bezeugen, dass die c /o pop eine zentrale Stelle im kulturellen Lebe der Stadt einnimmt. Eine Entwicklung, die im Ergebnis durchaus spektakulär ist, der aber lange Zeit zähe Kleinarbeit und auch schwächere Festival-Jahrgänge vorausgingen.

»Köln ist vielleicht generell der bessere Platz für ein Get-Together der Popkultur«, urteilt Norbert Oberhaus. »Hier gibt es auf engstem Kreis eine lebendige Szene mit vielen Labels, Clubs und funktionierenden Netzwerken.« Solche informellen Netzwerke sind das Spezialgebiet von Oberhaus. Der Kulturmanager ist im letzten Jahr von der Uni Bielefeld zum »Netzwerker des Jahres« ausgezeichnet worden. Auch die Einrichtung des Ehrenfelder Kreativzentrums »Sound Of Cologne« ist das Ergebnis von ausgiebiger Klüngelei. Oberhaus hatte erfolgreich um Fördergelder des Landes geworben. Seinem erklärtem Ziel, die hiesige Szene unter den Top Five der europäischen Musikstädte zu etablieren, dürfte er damit ein Stück näher gekommen sein.


Info
Artikel zu den Festival-Headlinern findet ihr auf
den Seiten 28-30, das komplette Konzert- und Party­programm wird auf den Seiten 38-40 vorgestellt.
Weitere Infos unter www.c-o-pop.de