Tinariwen

Wer drei oder vier gute Alben nacheinander einspielt, darf gewiss sein: Man wird ignoriert. Denn Pop funktioniert für den Augenblick, Kontinuität ist nicht erwünscht.

Bei Tinariwen ist das anders. Seit 2001 legt dieses Rock-Kollektiv aus der tiefen malischen Wüste ein großartiges Album nach dem anderen vor, wobei man den Eindruck hat, dass sie das gar nicht nötig hätten, so locker, so beiläufig und auf jeden Schnickschnack verzichtend kommt ihre Musik daher. Und seit 2001 erregt jedes weitere Lebenszeichen dieser verschworenen Gemeinschaft, aus der noch nicht mal Bandgründer Ibrahim Ag Alhabib als so richtig identifizierbarer »Star« herausragt, Aufmerksamkeit.

Das mag daran liegen, dass sie die traditionelle Musik der Sahara-Nomaden als futuristischen Blues spielen, als wäre ihr Sound nicht im Off der Popkultur entstanden, sondern in einer langen Telefonkonferenz von Damon Albarn, Howie Gelb, Josh Homme und dem seligen Johnny Cash ausbaldowert worden.

Das anhaltende Staunen über Tinariwen resultiert tatsächlich aus einer grundsätzlichen Verfremdung: Die Band weigert sich beharrlich »Weltmusik« zu spielen und westlichen Musikstandards zu entsprechen, sie weigert sich weiter, irgendwelche Klischees über »die Wüste« zu erfüllen. Ihre Musik ist Ausdruck radikaler Autonomie.

Man muss das so verstehen: Eigentlich sind ihre Alben – und erst recht ihre beeindruckenden Konzerte – eine monotone Angelegenheit: Die Musik ist ein fein gewobenes Netz aus mal glitzerenden, mal stumpfen, klaren, dann wieder verzerrten E-Gitarren-Sounds, aus schier endlosem Call-and-Response-Gesängen und einem feinen, immer präsenten, niemals dominierenden Groove. Ob die Stücke drei Minuten oder zehn dauern – es spielt keine Rolle. Dementsprechend finden ihre besten Auftritte auch kein Ende. Tinariwen scheinen vollständig in ihrer Musik aufzugehen, als wäre sie ­ihr einziges friedliches Zuhause.

Diese Monotonie wird von den Fans nie als quälend oder nervtötend erlebt. Ihre Monotonie ist in permanenter Bewegung, voller mannigfaltiger Schattierungen. Tinariwen machen aus sehr wenig sehr viel. Das macht die Faszination ihrer Musik aus. Eigentlich ist sie ganz weit weg, aber wenn Tinariwen zu spielen anfangen, dann ist sie direkt vor uns, unter uns, in uns.

Tonträger:
Tinariwen, »Imidiwan:
Companions« (Independiente/PIAS),
bereits erschienen
Konzert:
Mi 18.11., Gloria, 20.30 Uhr

Verlosung: Tageskalender erste Seite