Anfassen und Draufsetzen
Im Untergeschoss des Museum Ludwig findet sich ein Höhepunkt der Sammlung: Edward Kienholz‘ »Tragbares Kriegerdenkmal« von 1968. Wer weiß noch, dass man sich früher einmal auf die Stühle der Installation setzen, die Tafel mit Kreide beschriften, gar den Cola-Automaten benutzen konnte? Heute verhindern das nicht nur hohe Versicherungssummen, sondern auch restauratorische Bedenken: der museale Anspruch, eine Sammlung für die Ewigkeit zu erhalten. Das Antikriegs-Denkmal steht so nicht nur für eine parteiische Kunst, vielmehr auch für eine schwindende ästhetische Praxis, die Betrachter einlud, Teil des Kunstwerks zu werden.
Die »Passstücke« von Franz West, die am Beginn der Karriere des österreichischen Bildhauers entstanden, verdanken dieser entspannten Haltung in der Kunst der 70-er Jahre eine ganze Menge. Die mit weißem Pappmaché ummantelten Handschmeichler, Knüppel, Prothesen oder Stäbe – amorph und immer etwas ungelenk – wurden dem Besucher in die Hand gegeben. Dementsprechend erscheinen einige der »Passstücke« abgewetzt, verschmutzt oder gammelig. Doch auch heute, die Versicherungssummen im Hinterkopf, ist eine Benutzung der Leihgaben dem Besucher nicht immer, aber doch manchmal, möglich. Entspannt, so zeigt es die umfangreiche Retrospektive des 60-Jährigen, ist Wests Verhältnis gegenüber der Kunst geblieben: Uneitel und neugierig sucht er immer wieder die Zusammenarbeit mit anderen, auch jungen Künstlerinnen und Künstler. Immer noch treibt er seine private Erweiterung des Kunstbegriffs vorwärts.
Wests mittlerweile monumentale Eisenblech-Großskulpturen erscheinen noch immer improvisiert, gebastelt, manchmal wurstig oder phallisch. Seine nutzbezogenen Werke – Diwans, Sessel, Urinale – sind nicht immer bequem und funktional, verraten aber eine ungebrochene Formphantasie und ein humorvolles Selbstwusstsein, das weit entfernt vom verbreiteten Kokettieren mit Design ist. Wer Zeit hat, sollte die Möglichkeit nutzen: Anfassen, Draufsetzen, Hantieren und Posieren: Vorhang auf für das »Autotheater«.
Franz West: Autotheater, Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz 1, Di-So 10-18 Uhr, jeden ersten Do im Monat 10-22 Uhr, bis 14.3.