Swedish Azz auf dem Nozart-Festival
Bis Mitte der 60er Jahre galt der europäische Jazz einfach als Bestandteil einer größeren Geschichte: Jazz aus Europa war nachgespielter amerikanischer. Erst mit dem Free Jazz entsteht eine eigenständige Tradition der Improvisation in Europa. Der schwedische Saxofonist Mats Gustafsson findet sich mit dieser Zweiteilung der eigenen Tradition nun nicht mehr ab – und weitet den Blick auf den europäischen, genauer: den schwedischen Jazz aus der Zeit vor 1965.
Die Pointe daran ist, dass Gustafsson ein Geschöpf der kompromisslosen Totalimprovisation ist. Gustafsson spielt dermaßen mitreißend und brachial, dass sein Knattersound selbst von Garagenrock- und Punk-Bands nachgefragt wird.
SonicYouth oder Merzbow zählen zu seinen Partnern. Warum also sollte der 45-jährige Gustafsson sein bereits mehr als beachtliches Lebenswerk durch Neo-Traditionalismus revidieren wollen? Weil er den schwedischen Cool Jazz der 50er und 60er Jahre schlicht liebt. Weil er in der Musik von Lars Gullin, Jan Johansson, Bernt Rosengren, Berndt Egerbladh oder Per Henrik Wallin eine kühle Eleganz, einen distinguierten Swing entdeckt, der diese Stücke doch vom amerikanischen Jazz abhebt. Swedish Azz heißt das Projekt, das er mit Per Ake Holmlander (Tuba), Kjell Nordesen (Vibrafon), Eric Carlsson (Schlagzeug) und dem Wiener Schallplatten-Dekonstrukteur Dieb 13 ins Leben gerufen hat und das sich ausschließlich der eigenen Jazz-Vergangenheit widmet.
Was keinem Kniefall vor der Tradition gleichkommt: Swedish Azz zerpflücken den Cool Jazz, zertrümmern ihn regelrecht, schreddern ihn in winzige Partikel, bis am Ende wenig mehr als ein feines Knistern übrig bleibt. Cool Jazz wird radikal als Musik einer vergangenen Epoche untersucht – man kann sich ihr nur gebrochen nähern, Nachspielen im 1:1-Modus funktioniert nicht. Swedish Azz ist eine große Sause, die Musik wild, aber nie ohne Respekt. Die Gespenster der Vergangenheit sind stets zu spüren.
Swedish Azz werden beinahe zwangsläufig den Höhepunkt des diesjährigen Nozart-Festivals markieren, das sich ungewohnt jazz-nah und traditionell gibt. Aber keine Sorge, die alten Schweden pauken es schon raus.
Nozart 14
5.3. / 6.3., Basement, jeweils 20 Uhr.
Mit u. a. Julie Tippet / Willi Kellers / Keith Tippet, Elliott Sharp und Scott Fields, Xu Fengxia Trio, mehr Infos
in der Konzertvorschau und unter
www.nozart.de
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