Weitermachen, aber klüger

Die Sterne lassen sich nicht unterkriegen

Wer zu viel selber macht, wird schließ­lich dumm«, singt Dirk von Lowtzow derzeit auf deutschen Bühnen. »Einer muss den Job ja machen«, hält Schorsch Kamerun dagegen. Und Frank Spilker? Der kontert mit Anti-Slogans wie »Wir sind dein Convenience Shop, wir sind deine Sklaven« zu Piano-Loops und repetitiven Beats und offeriert sarkastisch sein Stellengesuch als rund um die Uhr verfügbarer Unterhaltungsdienstleis­ter. Wenig später äußert er auf dem neuen Sterne-Album »24/7« allerdings auch den als Behauptung dahertänzelnden Wunsch: »Ich wechsle den Schritt, ich mache nicht mit« – und das gefiltert ausgerechnet durch das Zeitgeist-Tool des musikalischen Main­stream schlechthin, durch Autotune.

Dabei ackert Spilkers Band Die Sterne gerade durch den Schrittwechsel von funky Pop zu Polit-Disco so offensichtlich wie keine andere Gruppe, die dem Hamburger Diskursrock entsprungen ist, an der Neuerfindung. »Wir haben lange nach einem neuen Modus gesucht, wie die nächste Platte funktionieren könnte«, erklärt Spilker. Es führt kein Weg raus aus der Eigenmobil­machung. »Es hat zwei, drei Jahre gedauert, bis wir eine Struktur hatten, von der wir dachten, das könnte es sein: eher am Groove als am Songwriting orientiert, irgendwie modern.« Die Sterne geben sich flexibel, engagierten den Münchener Disco-Punk-Funk-Produzenten Mathias Modica (Munk, Gomma) für einen neuen Gesamt-Sound und bringen zum ersten Mal seit Jahren wieder eine Platte auf dem eigenen Label Materie Records heraus. Warum? Um eben irgendwie doch noch mitmachen zu können.

Die Widersprüche liegen dies­mal in Grooves begraben, zu denen sich trefflich tanzen lässt: zur Kritik an den Verhältnissen bei gleichzeitigem Mittendrinstecken. Ein bisschen klammern sich Die Sterne an die alte Utopie von Disco als Flucht aus dem Alltag, als ästhetischem Ausweg. Aber so ein­fach will es sich einer wie Spilker nun auch nicht machen: »Ich halte den Druck nicht aus, mein 9-to-5-Job macht mich fertig: Das ist der Tenor von vielen Disco-Texten. Ich finde interessant, dass der Dancefloor nicht nur eine Utopie ist, sondern ein Ventil, das einen den ganzen Scheiß überhaupt aushalten lässt. Darin steckt eine geschickt formulierte, deutliche Kritik, die oft überhört wird. Dass man überhaupt so ein Ventil braucht, sagt ja etwas über die Lebenswirklichkeit aus.«

Der Reiz dieser Position liegt auch in ihrem offenherzigen Schei­tern, darin, dass die Ar­roganz derer, sie sich außerhalb von allem wähnen, verneint wird. ­Die Sterne wollen einfach mittendrin tanzen können – zu ihren Be­dingun­gen: »In der europäischen Kultur ist das Geistige immer entkörpert, das Körperliche im Umkehrschluss entgeistigt. Das ist eine fatale kulturelle Logik, die wir immer schon überwinden wollten. Wir haben immer gesagt: Man kann auch tanzen und da­bei ­denken.«