Edwyn Collins
»Losing Sleep« hätte einfach nur das siebte Solo-Album eines Mannes werden können, der bis heute von seiner musikalischen Vergangenheit zehrt: In der frühen 80er Jahren war Edwyn Collins Vorsteher von Orange Juice, einer schottischen Northern-Soul-Kapelle, die in Großbritannien einige Platten verkaufte – hierzulande aber lediglich den Insiderstatus einer Referenzband einnimmt. Einen monolithischen Welthit konnte der Sänger dann doch landen: An der lässig gecroonten Retro-Hymne »A Girl Like You« führte 1995 kein Weg vorbei. Ihre Tantiemen sichern Collins bis heute den Lebensunterhalt. Weitere Charterfolge? Fehlanzeige.
2005 sah es so aus, als sei es mit Edwyn Collins’ musikalischer Karriere vorbei: Zwei in kürzester Zeit aufeinanderfolgende Schlaganfälle machten den Mann bewegungsunfähig, raubten ihm jegliches Sprachvermögen und die Hälfte seiner Erinnerung. Doch mit der tatkräftigen Hilfe seiner Frau Grace und einer großen Portion Sturheit kämpfte sich Collins Stück für Stück ins Leben zurück. Auch die Musik nahm er nach zwei Jahren wieder in Angriff. Da seine rechte Hand dauerhaft zur Faust verkrampft ist, funktioniert das Gitarrespielen nur mit Hilfe seiner Frau: Edwyn greift mit links die Akkorde, Grace schrammt dazu die Saiten.
Seine Einschränkungen zwingen den Musiker zu einer neuen Einfachheit: einfache Worte, einfache Kompositionen, einfache Riffs. Während Collins früher gerne in ausladenden Balladen schwelgte, geht es jetzt meist mit flottem Beat nach vorne. Natürlich wirkt die Stimme des 51-Jährigen noch ein wenig ungelenk – dafür bersten die neuen Songs nur so vor Kraft und Energie.
Bei den Aufnahmen zum ersten Album nach der Genesung wollten dann alle dabei sein. So ist »Losing Sleep« (Cooperative Music/Universal) eine kleine Sensation geworden, mit einer ganzen Reihe illustrer Gäste, u.a. Mitglieder von Franz Ferdinand, The Smiths und The Drums. Live muss sich Edwyn Collins ganz auf das Singen konzentrieren, kann sich aber auf eine bestens eingespielte Band aus langjährigen Mitstreitern verlassen. Der Legende nach hat Collins Auftritte früher gehasst – inzwischen liebt er sie.