Bild: Fotolia

Kampf der Kulturen

Im Oktober 2010 stellte der Kölner Rat eine Million Euro für die geplante »Akademie der Künste der Welt« bereit. Wunderbar, meint Hans-Christoph Zimmermann, doch seine Recherchen zeigen: Das Imageprojekt droht zum Spielball von Parteiinteressen zu werden

Die Realisierung der Akademie der Künste der Welt wirkt wie der Idealfall des politischen Alltagsgeschäfts. Die Initiative dazu kam aus der Bürgerschaft. Der Oberbürgermeister hatte ein offenes Ohr. In einem partizipativen Prozess entwickelte die Kulturverwaltung mit Fachleuten und Kölner Initiativen ein Konzept, das der Rat begeistert beschlossen hat. Dann wurde ruhig hinter den Kulissen weiter gearbeitet, bis schließlich die Politiker sich auch noch dazu durchrangen, im heftigsten Spargewitter eine satte Million Euro als Etat der Akademie in den Haushalt einzustellen. Wie fürs Lehrbuch gemacht. Doch die vermeintliche Ruhe verbirgt, dass die Akademie zum parteipolitischen Prestigeprojekt geworden ist.

Bereits im April 2010 entzog Oberbürgermeister Jürgen Roters der Kulturverwaltung die Verantwortung für die Akademie. Zuständig ist seitdem Konrad Peschen, Leiter der Stabstelle Medien, die dem OB direkt unterstellt ist. Auf Anfrage lässt das Büro von Jürgen Roters über Stadtsprecherin Inge Schürmann als Grund mitteilen: »Herr Peschen ist aufgrund seiner umfangreichen Erfahrungen bei der Realisierung und Steuerung von kulturwirtschaftlichen Projekten als Projektleiter ernannt worden und wird das Projekt in enger Abstimmung mit dem Büro des Oberbürgermeisters zur Abschlussreife bringen.«

Akademie bietet ideales Spielfeld für politische Profilierung

Es bleibt das Geheimnis des OB-Büros, was eine Akademie mit der Kulturwirtschaft zu tun hat. Offensichtlicher ist indes: Seit seinem Amtsantritt versucht Roters zunehmend, mit den Themen Integration und Bildung zu punkten. Da die Akademie Künstler aus aller Welt aufnehmen soll, daneben Stipendiaten nach Köln holen, den interkulturellen Diskurs durch Veranstaltungen beleben und mit einer Jugendakademie die kulturelle Bildung pushen will, bietet sie ein ideales Spielfeld für politische Profilierung.

Konrad Peschen von der Stabstelle sieht seine Aufgabe zunächst darin, »den Prozess zu beschleunigen«. Dazu will er dem Rat der Stadt in einer Vorlage einen Akademiepräsidenten, die Organisationsstruktur und ein repräsentatives Gebäude mit Räumen für die Geschäftsstelle und Veranstaltungen vorschlagen. Um schon im Sommer starten zu können, habe er auch schon einige Veranstaltungen im Kopf, sagt Peschen. Alles stehe und falle aber mit der Leitung: »Wenn ich einen Präsidenten gefunden habe, dann bekommt das Projekt den richtigen Drive«.

Quander hält Vorgehen der Stabstelle für grundfalsch

Kulturdezernent Georg Quander, der in seinem Dezernat mit dem Kulturamt die konzeptionelle Vorarbeit geleistet hat, ist nicht nur mit der Verlagerung der Verantwortung unzufrieden. Er hält auch das Vorgehen der Stabstelle für grundfalsch. »Das widerspricht eigentlich dem Gedanken einer Akademie. In einer Akademie muss man erst einmal die Mitglieder berufen und die müssen dann einen Präsidenten wählen.« Ein Blick in die Satzungen der Berliner Akademie der Künste oder der Hamburger Akademie bestätigt diesen Befund. Das Vorgehen der Stabstelle spiegelt eine Auffassung wider, die sich der Mühsal eines partizipativen Prozesses nicht unterziehen will. Sie denkt vordringlich in Kategorien von Repräsentanz, Funktionshierarchien und der Durchsetzung strategischer Ziele – und das hat nun weder mit Kunst noch mit der Diskursform einer Akademie zu tun.

Dieses Denken schlägt sich auch im Wandel der Organisationsform nieder. Ursprünglich hatte sich die Kulturverwaltung für einen Verein entschieden. Die ersten Mitglieder waren mit Navid Kermani, Kaspar König, der Künstlerin Rosemarie Trockel, Kulturamtschef Konrad Schmidt-Werthern und Peter Bach bereits gefunden. Die Stabstelle für Medien favorisiert dagegen eine Stiftung. Die Vorteile sieht Konrad Peschen darin, dass private Geldgeber so leichter zu überzeugen seien. Kalkuliert ist für die Akademie ein Etat von rund 1,5 Millionen Euro.

Finanzierung derzeit noch eine Luftbuchung

Der städtische Zuschuss von 1 Million soll zu hundert Prozent durch die so genannten »Bettensteuer« gedeckt werden. Einer Abgabe, die die Stadt von den Hotels erhebt, seit die Bundesregierung den Mehrwertsteuersatz für Übernachtungen von 19 auf 7 Prozent gesenkt hat. Da derzeit in einem Musterprozess die Rechtmäßigkeit dieser Abgabe geprüft wird, ist die Finanzierung also noch eine Luftbuchung. Weitere Gelder sollen vom Land kommen, mit dem man in Gesprächen sei, so Peschen, und von privaten Geldgebern. Wer zahlt, sagt auch, wo es lang geht. An der Spitze der Stiftung soll ein Stiftungsrat stehen, »den man aus den zentralen Geldgebern zusammensetzt. Da wird man sicherlich auch wichtige Akteure aus der Kölner Kulturszene dazunehmen«, sagt der Leiter der Stabstelle. Außerdem sei eine Stiftung »leichter handlbar«. In einem Verein »haben sie auch schon mal wechselnde Strukturen, wechselnde Mehrheiten, die manchmal das Ganze schwierig machen.« Konrad Peschen macht da gar kein Hehl draus.

»Eine Stiftung lässt sich politisch besser steuern«, meint auch der Rechtsanwalt Peter Bach, nur steht er dem Stiftungsmodell höchst skeptisch gegenüber. Bach war auf Bitten der Kulturverwaltung maßgeblich an der Entwicklung der Vereinssatzung und eines Wirtschaftsplans beteiligt. Beides sei nach einem Gespräch mit dem Oberbürgermeister Jürgen Roters Ende 2009 erarbeitet und die Unterlagen ihm zugestellt worden, so Peter Bach. »Wir haben mehrfach um ein neues Gespräch gebeten. Das hat bis heute nicht stattgefunden«. Der Mann ist ziemlich sauer, das merkt man. Dass man in Peter Bach nicht nur den Rechtsanwalt vergrätzt, sondern auch den Sprecher des Kölner Kulturrats, in dem die Kölner Fördervereine zusammengeschlossen sind, verwundert dann doch. Wo, wenn nicht in den Fördervereinen, sollen denn die potenten privaten Geldgeber sitzen? Oder will man gut SPD-altideologisch nur eine öffentliche Förderung?

Kulturpolitik als Schlachtfeld für Parteischarmützel?

Vielleicht rächt sich Nachhinein, dass der Islamforscher Navid Kermani im April 2008 seine Akademie-Idee dem damaligen Oberbürgermeister Fritz Schramma direkt unterbreitet hat. So wurde das Projekt schon vor seiner Entstehung zur »Chefsache«. Wohin das in Köln im schlimmsten Falle führen kann, hat man bei der Kulturhauptstadt-Bewerbung gesehen. Andererseits wird man den Verdacht nicht los, dass es sich hier um dezidiert politische Entscheidungen handelt. SPD-Mitglied Konrad Peschen ist dem neuen, sozialdemokratischen Oberbürgermeister Jürgen Roters offenbar näher als Kulturdezernent Georg Quander und Kulturamtsleiter Konrad Schmidt-Werthern, die eher der CDU zuzurechnen sind. Und in Düsseldorf regieren jetzt die Parteifreunde, die für das Projekt vielleicht ein offenes Ohr und einen offenen Geldbeutel haben. NRW-Finanzminister ist Kölns Ex-Kämmerer und Genosse Norbert ­Walter-Borjans, der gerade gezeigt hat, dass es auf ein paar Schulden mehr oder weniger nicht ankommt.

Es geht um mehr als Verwaltungsgerangel. Die politische Instrumentalisierung der Akademie ruft die Erinnerung an unselige Zeiten wach, in denen die Kulturpolitik als Schlachtfeld für Parteischarmützel diente. Sehr zum Schaden der Kultur. Die Akademie ist viel zu wichtig und ihre Entstehungsgeschichte zu vorbildlich, um sie jetzt derart aufs Spiel zu setzen. Die ursprünglichen Ideengeber um Navid Kermani haben sich zurückgezogen. Georg Quander glaubt zwar, dass die Verlagerung der Zuständigkeit nur »eine Übergangslösung« sei. Das dürfte indes eine Illusion sein. Das Büro des OB teilt dazu mit: »Es gibt keine Überlegung, das Projekt wieder an das Kulturamt anzubinden.« Wenn sich die Eltern schon vor der Geburt prügeln, sind bleibende Schäden bei dem Akademiebaby nicht auszuschließen. Darüber sollten sich beide Seiten im Klaren sein.