Die zeitliche Dimension: Johannes Stankowski

Ein Mann muss seinen Song stehen

Johannes Stankowski entdeckt sich als Solokünstler

Als Hörer, erst recht als Fan  kann man es oft nicht begreifen, wenn Musiker ein gut funktionierendes Projekt für beendet erklären. Wieso präsentieren sie ihrer Hörerschaft bis in alle Ewigkeit neue künstlerische Identitäten? Bei dem Kölner Duo Werle und Stankowski lag der Trennungsgrund aber im musikalischen Kon­zept selbst.

Anderthalb Alben lang (mit dem zweiten sind sie selbst nicht mehr so glücklich) funktionierte die Liaison der zwei Unterschiedlichen geradezu auf geniale Art und Weise, doch als das Techtelmechtel zur Zwangsehe zu werden drohte, war es schlagartig vor­bei mit dem kreativen Schlagabtausch. Zu unterschiedlich waren die Positionen, zu groß die künstlerischen Egos: Der eine – Simon Werle – fordert mehr Raum für seine elektronischen Skills und will, dass es ordentlich ballert, der andere – Johannes Stankowski – entdeckt den Puris­ten in sich und möchte seine intimen Songs nicht länger von Elektro-Salven zerhauen lassen.

Mit seinem ersten Solo-Album zeigt Stankowski nun, wie die Lie­der klingen, wenn nur einer den Kopf durchsetzt. Wobei: Mit Produzenten-Legende Tobias Levin (u.a. Tocotronic, Kante) hat er sich einen Mann ins Boot geholt, der erneut für ordentlich Reibung gesorgt hat, wie der Kölner Songwriter berichtet: »Levin arbeitet auf Grundlage einer eigenen künstlerischen Identität, die Auseinandersetzung war deshalb ganz schön anstrengend. Er hat mich hinsichtlich Haltung und Klarheit erzogen. Dadurch ist ein großer Teil der Opulenz abhanden gekommen. Er hat gesagt: Ein Mann muss seinen Song stehen!«

So zeugen die Liner-Notes des Albums zwar von der Mitwirkung einer ganzen Menge gestandener Musiker, u.a. Phillip Janzen, Volker Zander, Daniel Schaub und Benedikt Filleböck, deren Job es aber lediglich war, Stankowskis Akustikgitarren-Arrangements dezent und handwerklich perfekt zu unterfüttern. Im Zentrum steht ohnehin die prägnante Stimme des Sängers, mit der er sich leiden­schaftlich durch die Lieder knörzt. »Es war nie mein Anspruch, etwas Neues zu machen«, erklärt der End­zwanziger, »die Platte ist nicht neon, sondern eher ein grower, sie schlägt nicht ein, kann aber zum engen Begleiter werden.«

In der Tat, ist es wohl gerade das Unspektakuläre, das überrascht. Jeder der zehn neuen Songs klingt, als sei er schon immer da gewesen, als spiele die zeitliche Di­mension der Entstehung gar keine Rolle. Stankowski beherrscht das Einmaleins der hohen Songwriter-Schule und schreibt Lieder, die souverän, ausgefuchst und beiläufig zugleich wirken – und dennoch anrühren. Die einfachen, jederzeit nachvollziehbaren englischen Worte, die Stankowski wählt, skizzieren einen Protagonisten, der in die Sack­gasse geraten zu sein scheint. Einen armen Tropf, den man einfach gern haben muss. Zumal er so herzergreifend von seinem Elend singt.

Tonträger: Stankowski: »Torres Vol.1« erscheint am 8.?April (Haute Areal/Cargo).