Alle Wege führen nach Essen
Wem einmal im Hausflur der Müllbeutel gerissen ist, wird sich beim Anblick des Infernos nur schwer vorstellen können, wie begehrt Müll ist. Den größten Teil der nordrhein-westfälischen Müllhaufen hat sich die Viersener Trienekens AG gesichert. An den städtischen Entsorgungsbetrieben AWB und AVG in Köln ist sie beispielsweise zu je 49,9 Prozent beteiligt. Und obwohl sie bereits 40 Prozent des NRW-Müllgeschäfts beherrscht, will Trienekens (und der hochprozentig beteiligte RWE-Konzern) weiter expandieren: diesmal nach Essen und Düsseldorf. Einzig das Bundeskartellamt ist ein ernst zu nehmender Gegner des vielfach protegierten Abfallriesen. Der Aufsichtsbehörde ist die Monopolbildung auf dem Energiesektor durch RWE und E.ON ohnehin ein Dorn im Auge. Daher hat es am 21. März Trienekens/RWE in abmahnender Diktion den Kauf der Essener Entsorgungsbetriebe EBE untersagt. Um das dortige Müllgeschäft dennoch an sich ziehen zu können, will das Unternehmen nun die Beteiligung an den Kölner AWB aufgeben.
Nach dem Korruptionsskandal und Vorwürfen der Manipulation mit Grünem-Punkt-Müll ist Trienekens ins Straucheln geraten. Der Global Player RWE nutzt die Gunst der Stunde: Seit 1999 über die RWE Umwelt AG zu 49,9 Prozent an Trienekens beteiligt, haben die Essener nach dem – wohl nicht ganz freiwilligen – Rücktritt von Hellmut Trienekens Mitte März 2002 das Ruder an sich gerissen. Eine komplette Übernahme soll so gut wie perfekt sein.
Kein Zurück
Was geschieht mit den AWB-Anteilen? Nach Kölner Tradition scheint niemand daran zu denken, deren Verkauf, wie es üblich ist, europaweit auszuschreiben. Verständlich ist das, wenn man wie Grüne-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank die Privatisierung rückgängig machen und die AWB-Anteile dauerhaft den Stadtwerken zu übertragen will. In der FDP aber läuten bei den Rekommunalisierungsplänen alle Mülleimer Sturm: dort will man – einfaches Weltbild – die Anteile so schnell wie möglich wieder auf den freien Markt werfen. Im Rat stimmt die FDP jedoch brav mit der CDU, die diesen Markt gerne ein bisschen in die eigene Richtung biegt. Das perfideste und aussichtsreichste Konzept stammt denn auch vom CDU-Fraktionschef Rolf Bietmann, der Mitte April einen Abfallverbund mit Bonn und anderen Städten ins Spiel brachte – vorgeblich für mehr kommunale Kontrolle und gegen das RWE-Monopol. Für die Ausführung der Entsorgung schlug der CDU-Boss ein ganz bestimmtes Unternehmen vor: die RheinEnergie AG. Deren Aufsichtsratschef heißt zufällig Rolf Bietmann.
RheinEnergie ist im Wesentlichen eine überkommunal erweiterte GEW. Allzu ablehnend steht man RWE dort nicht gegenüber, hätte dem Konzern bei der Gründung auch gerne einen 25,1-Prozent-Anteil und damit eine Sperrminorität verschafft. Das Kartellamt stimmte dem Deal aber erst zu, nachdem der RWE-Anteil auf 20 Prozent abgesenkt worden war. Im Gegenzug brachte RWE Anteile an weiteren kommunalen Versorgern und Kunden in das neue Strom-Wasser-Gas-Unternehmen mit 3.500 Beschäftigten und einer Million Kunden ein.
Alles in weißen Händen
Bietmann würde seinem Liebling gerne noch Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft zuschlagen. Geschickter Weise wäre RWE damit gleichzeitig, über die Tochter Trienekens, Mitverkäufer und, über RheinEnergie, Mitkäufer der AWB-Anteile. Zwar sänke die Beteiligung von 50 Prozent auf 20 Prozent – damit unter die kartellrechtlich beanstandbare Grenze –, der geplante Müllverbund aber wäre wesentlich größer als zuvor. Da dennoch rechtliche Einwände denkbar sind, sieht man sich notgedrungen auch nach anderen Käufern um. Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Karl Klipper versichert jedoch, die rückfallenden AWB-Anteile »nur bei der Stadt zu parken«, keinesfalls wolle man rekommunalisieren.
Trienekens-Kritiker möchten am liebsten aus allen Verträgen mit dem unbeliebten Unternehmen aussteigen. Einen entsprechenden Prüfantrag der Grünen bezüglich der AVG hat die Verwaltung jedoch prompt negativ beschieden. Zumindest bis Ende 2003 dürfte Trienekens/RWE noch in anderer Müllmission in Köln präsent bleiben: als hiesiger Vertragsnehmer des Dualen Systems. Einen früheren Ausstieg aus dem DSD-Vertrag wegen »Nichterfüllung«, was eine Neuausschreibung bedingen würde, hat der Rat mit den Stimmen der CDU und FDP am 18. Mai abgelehnt. Die Grünen lasten die Verschmutzung an den Sammel-Containern dem Unvermögen des Entsorgers an. Das Argument der CDU für Trienekens lautet nach allen Skandalen tatsächlich: »Wir können eine Vorverurteilung eines Unternehmens nicht akzeptieren«. Echte Freunde stehen zusammen, Seite an Seite, wie die Container.