Müde Krieger: die Band im Tourbus

Rock’n’Roll High School

Lärm und Kritik: Utopia Ltd. begleitet die Band 1000 Robota

Anton, Basti und Jonas sind gekommen, um sich zu beschweren. Sie gehen zur Schule und schreiben Lieder, in denen Hamburg brennt. Sie attackieren den Mittelklassemief, doch sie leben in ihren Kinderzimmern – bürgerlich wohlbehütet, norddeutsch. Auf der Bühne sind sie die Band 1000 Robota und lassen es krachen. Die Presse feiert ihre Rotzigkeit, die dreckigen Gitarrensounds, die pubertäre Arroganz. Die Attitüde: raus aus dem Einheitsbrei – hier kommt die neue Anarchie! Ein Indiehype ist geboren.

 

Regisseurin Sandra Trostel ist ­eineinhalb Jahre dabei – unsichtbar, zurückhaltend, kommentarlos. Sie ist da, als das Lauffeuer entfacht wird, als die Popindustrie applaudiert, aber auch beim ers­ten Gezänk mit dem Label und dem Versuch der Band, das Ruder selbst in die Hand zu nehmen. Nach all den Jungendherbergen und Raststätten und Konzerten, zu denen keiner kommt, ist sie ­immer noch dabei und fragt: Wie viel Idealismus passt noch in den Rock’n’Roll?

 

Trostel liefert mit ihrem Dokumentarfilm mehr als ein archetypisches Fallbeispiel für die Konfrontation zwischen Kunst und Kommerz. Die eigenen Produk­tions­bedingungen waren dabei pas­send prekär: Der Film entstand ohne Unterstützung einer Filmschule, ohne Fernsehgelder, nur mit einer kleinen Filmförderung.

 

Mindestens so spannend wie die Darstellung der Knebelung durch den Markt ist in »Utopia Ltd.« die Diskrepanz zwischen medialem Konstrukt und dem Streben nach Authentizität. Anton Spielmann ist der Älteste bei Robota (Jahrgang 1990). Er ist das Sprachrohr des Trios, rhetorisch nicht immer souverän, doch geben seine plakativen Parolen den Ton an. Die Band will Punk und Wave sein, möchte sich in die Tradition von Joy Division stellen. Rebellion, Provokation und die Sehnsucht nach Neuem: »Wir wollen entstehen und Entstehung bewirken und nicht erinnern.«

 

Die Krux liegt in diesem ­Widerspruch. Doch sich von der eige­nen Pop-Sozialisierung zu befreien? Schwierig. Und was ­bedeutet es, originell zu sein auf dem Rock’n’Roll-Scheiterhaufen? Würde man die Robota nicht aus der Presse kennen, könnte man bei einzelnen Szenen denken, »Utopia Ltd.« wäre ein Mockumentary – so absurd ist die Situa­tionskomik bisweilen. An Trostel liegt es nicht: Sie meint es gut mit ihren Punkprobanden. Im un­aufdringlichen Cinéma-vérité-Stil ge­­lingt ihr eine clevere Mischung aus Roadmovie, Konzertfilm und Gesellschaftskritik. Eine Ge­schich­te von Aufstieg und Fall? Eher die Zwischenbilanz einer Band, die sich gegen die Kurzlebigkeit ihres Verwertungszyklus wehrt und dabei Krach macht.

 

Utopia Ltd. – 1000 Robota. D 2010,

R: Sandra Trostel, 94 Min.