Das Ende der Parabel

Populäre Mythen sind Tim Burtons Fachgebiet. Wer hätte also besser ein Remake des Science-Fiction-Klassikers »Planet der Affen« machen können? Doch der düsteren politischen Vision des Originals setzt er lediglich düstere Set-Designs entgegen. Ein Vergleich zwischen Original und »re-imagination«.

Nur wenig Dinge sind im Kino so umstritten wie Remakes: Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, scheint das ästhetische Scheitern geradezu vorprogrammiert. Tim Burtons »Planet der Affen« fällt leider ebenfalls in diese Kategorie, auch wenn sich der Regisseur bereits im Vorfeld ein schickes Wort ausgedacht hat, um den belasteten Begriff zu vermeiden: Bei seinem Neueintrag in den »Planet der Affen«-Pop-Mythos handele es sich nicht um ein Remake, sondern um eine »re-imagination« - was immer das sein mag.
Als »Planet der Affen« 1968 in die Kinos kam, hatte der Film eine vierjährige Produktionsgeschichte durchlaufen, während der sich Pierre Boulles gleichnamige Sci-Fi-Romanvorlage so rapide verändert hatte wie der politische Diskurs jener Jahre. Was bei Boulle als Swiftsche Satire über den Umgang des Menschen mit der Tierwelt angelegt ist, entwickelte sich in den Händen des Drehbuchautors Michael Wilson (»Die Brücke am Kwai«, »Lawrence von Arabien«) immer mehr zur politischen Parabel auf die Bürgerrechtsbewegung, die Eskalation des Kriegs in Vietnam und die Bedrohung der westlichen Hegemonie durch unzählige Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt. Wilson war in Hollywood kein Unbekannter: In den 50er Jahren gehörte er zu den »unfreundlichen« Zeugen, die bei den antikommunistischen Schauprozessen des Senators McCarthy die Aussage verweigerten; er zählte zu den mit Berufsverbot belegten Machern des unabhängig produzierten »Das Salz der Erde«, einem der Manifeste des Hollywood-Liberalismus im Kalten Krieg, und schrieb später ein Script über Che Guevara.
Im krisengeplagten Hollywood ließ man ihn gewähren: Dort war man in jenen Prä-Blockbuster-Jahren froh, überhaupt irgendwie Anschluss an die Gegenwart zu finden - und sei es auch durch den kurzen Flirt mit den Themen der Gegenkultur. Aus dieser historischen Konstellation heraus entstand das erste Science-Fiction-Epos der Filmgeschichte, eine Art politisch korrektes »Star Wars« für Erwachsene.
Vor dem Hintergrund einer verkehrten Welt, in der die Affen die Macht übernommen haben und Menschen als Sklaven halten, spielten die fünf Kinofilme samt TV-Spin-offs bis Mitte der 70er Jahre gleich eine ganze Reihe zeitgenössischer Ängste durch: Musste am überraschenden Ende des ersten Teils der bruchgelandete Hollywood-Reaktionär Charlton Heston halb nackt am Fuß der halb im Sand versunkenen Freiheitsstatue feststellen, dass er sich im Amerika der Zukunft befindet und es nichts mehr zu verteidigen oder zu entdecken gibt, endete der zweite Teil »Rückkehr zum Planet der Affen « mit der von den letzten Menschen ausgelösten nuklearen Apokalypse.
Gespickt mit Anspielungen auf die Segregation und den anthropologischen Rassismus des 19. Jahrhunderts, die an der Bedeutung der Affen-Metapher keine Zweifel ließen, radikalisierten die folgenden Prequels ihre knallbunt-bonbonfarbene Herr-Knecht-Dialektik noch um einiges weiter in Richtung Black Power. In »Eroberung vom Planet der Affen«, dem vierten Teil des Zyklus, tritt ein faschistischer Polizeistaat in Erscheinung; für die messianische Revolution der Affen gegen ihre menschlichen Unterdrücker ließ sich Regisseur J. Lee Thompson nach eigenen Aussagen von den Fernsehbildern der Watts-Riots inspirieren.
Tim Burton (»Batman«, »Ed Wood«, »Mars Attacks«) war für ein Remake an sich keine schlechte Wahl, vertrauen doch all seine zitatlastigen Filme auf cineastisches Vorwissen und die Kenntnis populärer Mythen. Allein: Mit »Planet der Affen« und seinem düsteren politischen Subtext scheint er einfach nichts anfangen zu können. Dunkel ist in seiner Neuauflage des ersten Teils allein das bombastische Set-Design, das in einer Art ewigen Vormoderne schwelgt; erzählerisch gelingt es ihm weder, eine zeitgenössische Entsprechung für die politische Kritik des Originals zu finden, noch eine halbwegs liberale Art, sie zu ironisieren. So bleibt es bei ein paar müden Rodney-King-Anspielungen - und weitgehend recycleten Dialogen. In Sachen »inter-species sexuality« wagt er sich natürlich etwas weiter vor; dafür verzichtet er gänzlich auf die in der Vorlage deutlich gezeichnete Klassenstruktur unter den Affen und lässt seine Version auf einem fernen Planeten spielen, um erst für die abgestandene Schlusspointe auf die Erde zurückzukehren.
Adaptiert Burton in der ersten Hälfte noch ziemlich penibel, bietet die zweite lediglich die Monumentalität eines Sandalenfilms. Mark Wahlberg zettelt als notgelandeter Weltraum-Gulliver einen militärischen Aufstand der Menschen gegen die Affen an. Spätestens da führt Burton dann auch überdeutlich jenen Hollywood-Heroismus wieder ein, den »Planet der Affen« gerade auch durch das ironische Casting des bekennenden Waffennarrs Heston demontiert hatte. So gesehen, bringt Burton »Planet der Affen « tatsächlich erfolgreich nach Hause - in die Gegenwart: Sätze wie »History is full of great men« und »Sometimes a few can make a difference« fallen. Besser wird das alles auch nicht durch Mark Wahlberg, der eigentlich zu den interessanteren Nachwuchsschauspielern zählt. Bei Burton spielt der einstige Rapper so gelangweilt, als übe er bereits für einen Part in »Flucht vom Planet der Affen«. Helena Bonham Carter und Tim Roth machen ihren Job weitaus engagierter, wohl weil sie keine Peinlichkeit zu fürchten hatten: Unter ihren Affenmasken sind sie ohnenhin kaum zu erkennen. Nirgendwo freilich spiegelt sich der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit deutlicher in allem Elend als bei Kris Kristofferson: Der sieht inzwischen nämlich so verwarzt aus, als hätte er sich für seine Rolle nicht einmal mehr umziehen müssen. Daran ob er einen Affen oder einen Menschen spielte, kann man sich leider nach dem Film nicht mehr erinnern.

Planet der Affen (Planet of the Apes) USA 01, R: Tim Burton, D: Mark Wahlberg, Tim Roth, Helena Bonham Carter, 118 Min. Start: 30.8.


Langweiliges Gewaber

Für den Soundtrack zu »Planet der Affen« sind Filmmusikzauberer Danny Elfman erstmals die Ideen ausgegangen.

Mit der Inspiration hatte Danny Elfman, der Hauskomponist von Tim Burton, bislang keine Probleme. Der Quereinsteiger, der seine ersten musikalischen Gehversuche in den späten 70ern mit schrägem Pop (Oingo Boingo) wagte, gilt auch deshalb als ganz großes Talent. Aus dem Setzkasten eigener oder fremder Musiken Soundtracks zusammenstellen (James Horner) oder dicke Produktionen mit abgegriffenen Klängen versehen (Hans Zimmer) war nie Elfmans Sache.
Für »Planet der Affen« waren die Bedingungen eigentlich perfekt. Eine Großproduktion von Burton, ein Science-Fiction- bzw. Fantasy-Stoff (seine Spezialität) – und eine echte Herausforderung. Denn Jerry Goldsmiths Filmmusik zum Affen-Klassiker von 1968 zählt zurecht zu den besten Soundtracks aller Zeiten. Er hatte das 68er- Projekt recht experimentell begleitet. So ließ er bei den Bläsern die Mundstücke entfernen, um einen schrägeren Klang zu erhalten. Außerdem verband Goldsmith die Erzählebenen - der gestrandete, gejagte Astronaut hier, die Affen dort - nicht nur mit prägnanten Motiven, sondern wagte sich auch an komplexe, wenig harmonische Passagen. Seine musikalische Umsetzung der Menschenjagd (»The Hunt«) wäre noch heute in den Filmmusik-Singlecharts, wenn es so etwas geben würde.
Für Danny Elfman war das vielleicht zu viel Erwartungsdruck: Zu dem neuen Film wollte ihm offenbar nichts einfallen. Das könnte auch an Burtons Streifen liegen – Filmmusik-Komponisten profitieren von starken Charakteren, Konflikten, Ideen, und »Planet der Affen« hat da Defizite.
Einerseits assoziiert Elfman mit dem Spielort des Dschungel-Dramas nur »jungle drums«. Zum anderen fehlen markante Themen und Motive: Elfmans Musik begleitet den Film leidlich erfolgreich, aber nicht die Figuren. Im Kino erfüllt sie das dramaturgische Minimum, daheim klingt sein Soundtrack verwaschen und monoton, auch ein liebloser »Rule the Planet Remix« von Paul Oakenford hilft da nicht. Selbst bei der einst legendäre »Jagd« mischen sich Bläser und Percussion lediglich zu einem langweiligen Gewaber.