Wo bitte geht’s nach Brooklyn – Nachwuchs-Rapper im Bahnhof Ehrenfeld, Foto: Thomas Landes

Sex in der Pampa

Aufregung in der Szene: Die Ausweitung des ­Sperr­bezirks in Meschenich verdrängt die Prostituierten

Jeder, der schon mal mit der Bahn von Köln nach Bonn gefahren ist, kennt den stufenförmigen, braungerandeten Hochhauskomplex Kölnberg. An diesem Morgen ist es hier drückend warm, aber die Sonne ist kaum zu sehen. Die Wolken scheinen an den riesigen, mehrstöckigen Wohnblöcken hängen zu bleiben. An der Fuhr heißt eine der gro-ßen Hauptstraßen im Viertel.  Zwischen den Gebäuden ein winziger Spielplatz, der im Schatten der Betonburgen liegt.

Direkt um die Ecke waren bis vor gut einer Woche noch die Hauptstandorte der Prostituierten des Kölnbergs. Doch an der  Kreuzung gegenüber vom Supermarkt ist von der ehemaligen Szene nichts mehr zu erkennen. Seit Mai ist eine neue Sperrbezirksverordnung in Kraft getreten, die der Kölner Rat wenige Wochen zuvor beschlossen hatte. Die erklärt Meschenich zum kompletten, die Brühler Landstraße und den Militärring zum Sperrbezirk zwischen 6 und 20 Uhr.

Die von den Frauen gewählten Stellen lagen nah an den Wohnhäusern, auch der Parkplatz vor dem Supermarkt wurde teilweise für sogenannte Anbahnungsgespräche genutzt. Die Beschwerden der Anwohner häuften sich. Halbnackte Frauen und herumliegende Kondome seien nicht zumutbar, hieß es.

Nicht nur Jörg Detjen von der Links-Fraktion im Rat sieht das kritisch: »Das Thema wurde lange und intensiv diskutiert. Die Stadtverwaltung wollte ein rein repressives Konzept.« Es sei fraglich, ob sich die Prostituierten so einfach verdrängen ließen, erklärt auch Andreas Wolter von den Grünen. Der Kölnberg sei ein Sonderfall, denn hier gebe es die meisten drogenabhängigen Pros-tituierten.

Die Sucht sorgt für eine besondere Situation: Viele leben und arbeiten am Kölnberg und sind oft nicht in der Lage, ihren Tagesablauf, der vom Drogenkonsum bestimmt wird, zu ändern. Ein Ortswechsel ist für sie kaum zu schaffen; ihr gesundheitlicher Zustand ist schlecht, sagt Johanna Denzer vom Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF). Denzer kennt die Szene in Meschenich seit acht Jahren. Sie erklärt die Problematik so: »Aus ihrer Verzweiflung heraus sprechen die Frauen die Freier an öffentlichen Plätzen vor anderen Menschen an. Das Gefühl, sich verbergen zu müssen, ist dann unwichtig.«

Auch der Drogenselbsthilfe-Verein Vision hat seit zwei Jahren ein Büro am Kölnberg. Hier bekommt, wer will, Beratung und Un­terstützung, aber auch ein Früh­stück oder Kleidung. Diese Ange­bote nehmen viele der Pros­ti­tu­ierten dankbar an, sagt Geschäftsführer Marco Jesse. Er spricht vom »Mikrokosmos Köln­berg«, der isoliert und kaum ans Ver­sorgungssys­tem angebunden sei.

Bis zum Herbst soll die Verwaltung Alternativstandorte finden. Dabe müssen die Interessen der Anwohner, des Jugendschut­zes und natürlich der Prostituierten berücksichtigt werden. »Niemand will Prostitution vor der eigenen Haustür haben«, sagt Grünen- Politiker Andreas Wolter. Trotzdem sei es wichtig, auch die Erreichbarkeit der Frauen für die Sozialdienste sicherzustellen. Aber wo sollen die Frauen hin?

Der Umschlagbahnhof Eifel­tor ist bereits ein umkämpfter Fleck, an dem sich jetzt noch mehr Prostituierte das Geschäft teilen müssen. »Da ist schon jetzt so wenig Platz, dass man sich nicht vorstellen kann, wo die Freier denn überhaupt anhalten sollen«, sagt Denzer. Ein Großteil der Wohnwagen aus dem Süden ist bereits hierher oder nach Frechen um­gezogen. Marco Jesse befürchtet, dass viele Frauen in entlegene Waldgebiete ausweichen könnten und ihre Situation damit um eini­ges gefährlicher werden würde. »Das Risiko für die Frauen wird in jeglicher Hinsicht ungemein höher werden. Sie setzen sich eher Gefahren wie Übergriffen, Vergewaltigungen oder ungeschütztem Geschlechtsverkehr aus und sind insgesamt für die sozialen Einrich­tungen schlechter erreichbar.«

Eine ähnliche Lösung wie an der Geestemünder Straße in Niehl, wo sogenannte Verrichtungsboxen für einen halbwegs kontrollierten Ablauf sorgen, ist derzeit nicht im Gespräch. »Das ist weder von der Verwaltung, noch von den Frauen selbst gewollt und auch kaum finanzierbar«, sagt Jesse. Der SKF will versuchen, einen Shuttle-Service einzurichten, der die Frauen übergangsweise nach Niehl bringen könnte. Wenn sie es denn wollen.

Sollten die Befürchtungen der Sozialdienste eintreten, werde man vor dem Herbst reagieren müssen, sagt Winrich Granitzka, Vorsitzender der CDU-Rats­fraktion. Er hat sich selbst vor Ort ein Bild der Situation gemacht. »Mich hat gewundert, wie gut das bisher läuft«, sagt er. Und meint die Tatsache, dass nun keine Pros­tituierten mehr zu sehen sind.