Nach der Theaterschlacht: Lulu (Lara Pietjou), Foto: Wolfgang Weimer

Kampf mit der Kunst

Daniel Schüßler und das Analog Theater (z)erbrechen Wedekinds Lulu in der Studiobühne

 

Daniel Schüßler führt einen einsamen Kampf. Der Regisseur des Analog Theater ficht ihn seit vielen Jahren in der Kölner freien Szene, fast schon obsessiv mutet das an. Es geht ihm um das »Echte« in der Kunst. Um den »echten« Ausdruck im Theater. Oder wie der Moderator (Tomasso Tessitori mit Soldatenhelm und in schwarzem Negligee), in Schüßlers aktueller »Lulu«-Zerstörung mit gepresstem Zorn und frei nach Jonathan Meese (der dabei aber nie so ernst wirkt) dem Publikum klar macht: »Es ist wichtig, heutzutage Fratze zu zeigen, die Masken runterzuziehen. Es geht nicht um Befindlichkeiten, sondern um Kunst!« Oh ja, das tut es. Man könnte auch sagen: um Kunstkacke.

Aber ganz so einfach ist es doch nicht. Denn Schüßler ist einer der Regisseure, die ihre Inszenierungen bis ins Letzte durchreflektieren. Eine bis zwei Klassen höher stand für diese Theaterpostmoderne früher Frank Castorf, heute tut es Nicolas Stemann. Auch die Kunstkacke wirft sich Schüßler also selbst vor. In seiner »Lulu« ist der Maler Schwarz (Ingmar Skrinjar) total genervt von seiner Arbeit: alles nur noch Kunstkacke. Natürlich versteht das Publikum das sofort auch als Kommentar zur Inszenierung. Die ist außerdem voll von Zitaten, und auch das ist schon wieder eine Selbstreflexion. Denn unter Baudrillard, dem Theoretiker der Simulation, Wagner oder eben Meese macht es Schüßler nicht.

Der Regisseur hat Frank Wedekinds »Lulu«, das ursprünglich aus zwei Stücken besteht, »Erdgeist« und »Die Büchse der Pandorra«, von 18 auf vier Personen reduziert. Das funktioniert gut. Übrig bleiben Lulu (Lara Pietjou), ihre Hass-Liebe-Freundin Geschwitz (Dorothea Förtsch), der Maler Schwarz, der mehrere Rollen hat, u.a. die von Jack the Ripper, sowie die neue Figur des Moderators. Durchaus geschickt holt Schüßler aus der Vorlage von um 1900 das heraus, was ihn heute interessiert: das abgeschmackte Leben im Überfluss, die Suche nach einer neuen Bestimmung und die Kunst als Gegengift. Lulus Geschichte, die bei Wedekind ebenso leidet wie sie ihre LiebhaberInnen rücksichtslos verachtet, steht nicht im Vordergrund.

Heraus kommt formal das, was bei konservativen Kritikern als Regie- und Ekeltheater verschrien ist. Da lässt Schüßler nichts aus. Auch nicht die Kacke der Kunst. Oder die Gedärme der Lulu, die Jack ihr herausreißt. Als Zuschauer schwankt man da zwischen seinen Reaktionen: Natürlich ist das alles völlig albern, Theatersplatter at its best. Doch dann nervt es wieder ungeheuer, weil es so altmodisch und fundamentalistisch wirkt. Daniel Schüßler hat sich, in allerbester Absicht, irgendwie verrannt. Damit steht er einsam in der freien Kölner Landschaft. Der letzte echte Kämpfer.