Die Geschichte richtig erzählen
StadtRevue: Das Kölner Kulturleben ist ja recht geräuschvoll, kaum eine Personalie geht reibungslos über die Bühne, von der Philharmonie hört man aber wenig.
Louwrens Langevoort: Also von uns sollen Sie viel hören, wir sind ja ein Konzerthaus! Aber Ihre Frage war anders gemeint. Es stimmt, wir sind kein Problemkind der Stadt, ich bin darüber auch sehr glücklich. Wir haben natürlich als GmbH größere Freiheiten als die Eigenbetriebe der Stadt. Wenn es ein Problem gibt, dann versuche ich das mit dem dafür Verantwortlichen zu lösen, ohne dass es direkt in die Öffentlichkeit kommt. Die Öffentlichkeit wird auch nicht zufriedener, wenn sie weiß, dass ich unzufrieden bin. Die Philharmonie ist ein Beispiel dafür, dass in Köln auch gut gearbeitet wird. Das Gebäude ist in einem großartigen Zustand, seit 1986 wurde hier kaum etwas renoviert – weil es nicht nötig war.
Als ein neues Standbein der Philharmonie hat sich in den letzten Jahren die Vermittlung von Musik erwiesen: Es gibt die Kindertage, das Programm Philharmonie im Veedel …
Als ich hier angefangen habe, war die Philharmonie ein klassisches Konzerthaus, das abends um acht aufgemacht hat, am Wochenende auch schon mal vormittags. Aber es ist mir wichtig, gerade in Zeiten, in denen die Leute nicht mehr wie selbstverständlich zu Konzerten in die Philharmonie gehen werden, dieses Haus als ein offenes zu präsentieren, in das man jederzeit eintauchen kann, um Musik zu entdecken. Das kriegen wir so konsequent nicht hin: Foyer und Saal sind derart miteinander verbunden, dass man Konzertproben im Saal durch Aktionen davor stören würde.
Dass wir Foyer und Saal stärker voneinander trennen, das sind Umbaupläne, die wir hoffentlich in den nächsten Jahren konkreter angehen können. Aber einige Dinge haben wir jetzt schon geändert – z.B. unsere freien Lunch-Konzerte, für die mittlerweile die Besucher bis weit auf die Straße anstehen. Die andere Sache ist: Die Philharmonie kann nicht nur in der Philharmonie bleiben. Es gibt einfach viele Leute, die zu wenige Chancen haben, mit unserer Musik in Berührung zu kommen. Wir können dagegen steuern, wenn wir auf die Leute zukommen und in ihren Veedeln – also in Chorweiler, Porz oder der Südstadt – Konzerte geben.
»Die Leute schätzen, dass wir jeden Tag ein anderes Programm machen«
Ist Programmmachen für Sie die Kür?
Nein, das ist schon der Kern meiner Arbeit. Die Philharmonie definiert sich über ihr Programm, und als Intendant bin ich letztlich für das Programm verantwortlich. Aber es ist natürlich eine sehr schöne Verantwortung, man kommt viel mit den Musikern in Kontakt, muss sich unmittelbar dem Feedback des Publikums stellen.
Zwölf bis fünfzehn Konzerte im Monat höre ich mir hier im Haus an. Es ist wichtig für mich zu wissen, wer bei uns spielt und wie die Reaktion des Publikums ausfällt. Es gibt Stücke, die höre ich in einer Spielzeit drei, vier mal, aber ich habe mich dabei noch nie gelangweilt. Natürlich habe ich musikalische Liebschaften, die sich auch in unserem Programm widerspiegeln, aber die kann ich nicht absolut setzen, das würde ja nach einiger Zeit niemanden mehr interessieren.
Was sind denn Ihre musikalischen Liebschaften?
Jeden Tag eine andere, das macht das Leben reicher! (lacht) Im Ernst, Johann Sebastian Bach steht sicherlich ganz weit vorne, er ist die Basis für viele andere Hör-Erfahrungen. Aber so wie man das Lieblingsgericht nicht mehr riechen kann, wenn man es jeden Tag vorgesetzt bekommt, geht es mir auch mit meinen Lieblingskomponisten. Und bei unserem Publikum ist es doch genau so: Die Leute wissen es zu schätzen, dass wir im Prinzip jeden Tag ein anderes Programm machen und dass wir auch die Musik der Gegenwart, die Neue Musik, fest in unserem Haus verankert haben.
»Wenn man die Struktur eines Stücks nicht versteht, muss man sich schlau machen«
Was denken Sie, macht das Anspruchsvolle von sogenannter Ernster Musik aus?
Sie gehen in eine Galerie und sehen sich etliche Kunstwerke an, jedes vielleicht ein paar Sekunden, und hinterher können Sie denken, Sie hätten sich eine Ausstellung angeschaut. Für jedes Musikstück müssen Sie sich aber die Zeit nehmen, die dieses Stück dauert! Selbst wenn Sie es zunächst nicht ertragen können, es kann sich ja später radikal ändern. Wenn man die Struktur dieses Stücks nicht versteht, dann muss man sich schlau machen, was sie ausmacht.
Das heißt nicht, dass klassische oder Neue Musik Intellektuellenmusik sind, die kommen natürlich auch aus dem Bauch und leben ganz wesentlich von der künstlerischen Intuition. Trotzdem muss man diese Musik »lesen« können, man muss sich als Hörer ein gewisses Handwerkszeug aneignen. Wie das bei einem Roman der Fall ist. Und natürlich muss man auch die Bilder in einem Museum »lesen«.
Was steht für die Zukunft an?
Wie gesagt, wir wollen eine Räumlichkeit schaffen, die es möglich macht, auch tagsüber Programm anzubieten, ohne die Proben zu stören. So ein Raum wäre ideal als Informationszentrum, als Ort der musikalischen Vermittlung. Dann wollen wir auch über die nächsten Jahre hinaus »Acht Brücken« fest als jährliche Veranstaltung im Leben der Stadt verankern. Es soll ein Festival sein, zu dem sich die verschiedenen musikalischen Institutionen Kölns und natürlich die freie Szene zusammen finden, um gemeinsam den Raum für aktuelle Musik zu schaffen, die im Alltag wenig zu hören ist.
Wir wollen ihre Geschichte so erzählen, dass vielleicht mehr Leute als sonst sich sagen: Das macht uns neugierig, das interessiert uns, wir machen uns das mal zu eigen.